Tina Falletta

Die unbekannte im Bus

Die Unbekannte im Bus                                              
 
Ich bin nicht der Typ, der Tagebuch führt, aber in mir gehen im Moment so viele Dinge vor, dass ich sie einfach los werden muss; da aber niemand zum Reden da ist, dachte ich mir, ich schreibe das alles einfach Mal auf. Vielleicht hilft mir das, meine Gefühle und meine Gedanken zu ordnen!
 
Am besten fange ich am Anfang an!
Vor 4 Tagen verpasste ich meinen Bus zur Arbeit und musste den 5 Minuten später nehmen. „Was für eine Scheisse!“ dachte ich da noch, aber kurz darauf waren meine Gedanken ganz andere, denn in dem Bus sass eine wunderschöne junge Frau, die mich mit einem Lächeln begrüsste.
Ich war hin und weg als ich sie sah!
Den ganzen Tag musste ich an das wunderschöne und freundliche Gesicht der Unbekannten denken!
 
Am nächsten Morgen stand ich eigentlich wie immer zur richtigen Zeit an der Busshaltestelle, aber der Wunsch und die Hoffnung, sie wieder zu sehen, brachten mich dazu auf den nächsten Bus zu warten .... und ich hatte Glück. Sie sass in dem Bus und lächelte mich wieder mit diesem bezauberten Lächeln an.
Ich nickte ihr zu und setzte mich hinter sie.
Am liebsten hätte ich mit ihr gesprochen, sie alles gefragt, was mir in denn Sinn gekommen wäre.
Aber ich sass nur da schaute ihren Hinterkopf an, bewunderte ihr Haar, beugte mich ab und zu leicht nach vorne, um ihr Parfüm einzuatmen, und stellte mir unanständige Dinge mit Ihr vor... Ich war so in meinen Phantasien gefangen, dass ich glatt meine Haltestelle verpasste. Innerlich fluchend, aber mit kribbelnden Gedanken, stieg ich bei der nächsten Haltestelle aus und merkte erst, als ich über die Strasse gehen wollte, dass meine wunderschöne Unbekannte hier auch ausgestiegen war!
Was für ein toller Zufall. Jetzt wusste ich schon zwei Dinge von ihr: wann sie zur Arbeit fuhr und wo Sie ausstieg!
Dieses Spiel treibe ich jetzt schon 4 Tage und traue mich immer noch nicht sie anzusprechen.
Aber heute werde ich es schaffen. Ich werde mich neben sie setzen und ein ganz unverbindliches Gespräch mit ihr führen!
 
Was für eine Pleite: heute war meine Angebetete nicht alleine im Bus, und wenn ich ehrlich mit mir selber bin, hätte ich es auch nicht geschafft mit ihr zu reden. Aber einen kleinen Erfolg kann ich trotzdem verbuchen: ich habe heute „Guten Morgen“ zu ihr gesagt, aber sie hat es nicht gehört. Ihre Begleitung hat sie so in Beschlag genommen, dass kein Durchdringen möglich war!
„O.k. Nicht aufgeben, ich schaff’ das, ich werde sie einfach morgen ansprechen!“ sagte ich mir.
Was für eine Nacht. Ich habe die Hälfte der Nacht wach gelegen und mir coole, aber lockere Sprüche einfallen lassen, um sie zu beeindrucken und die andere Hälfte habe ich wirres Zeug von ihr und einem endlosen Bus geträumt. Ist das ein guter Auftakt für ein erstes Gespräch?
 
Heute war ein aufregender Tag. Nicht ich habe sie angesprochen, sondern sie mich ... ich kann gar nicht aufhören zu lächeln!
Wie immer stürmte ich in den Bus, nach Ihrem lächelnden Gesicht Ausschau haltend.
Und da stand die ganz locker an eine Stange gelehnt. Und wie jeden Morgen lächelte Sie mich an! Ich stellte mich einfach neben sie.
Und unverhofft fing sie an zu reden!
„ Hi, ich bin Mia. Wie ich sehe, fahren wir jeden Morgen in dieselbe Richtung. Auch auf dem Weg zur Arbeit?“
Ich konnte erst gar nichts sagen, aber als sie mich wieder anlächelte, kam wenigstens ein “Ja, ich glaube schon“ aus meinem Mund, der so trocken wie die Sahara war!
 
So, der erste Schritt ist getan. Nun sollte es mir gelingen, ein längeres Gespräch mit ihr zu führen, hoffe ich mal.
Unglaublich! Heute hat sich das Leben gegen mich verschworen: meine Traumfrau war nicht im Bus. Ich konnte mich den ganzen Tag auf nichts konzentrieren. Was ist nur los mit mir, und was ist los mit ihr? Ist was geschehen? Hat sie Urlaub? Ist sie krank? Hat sie eine neue Stelle, neue Arbeitszeiten? Oh je, wenn ich sie jetzt nie wieder sehe! Meine ganze Energie ist wie weggeblasen. Das Einzige, was ich noch einigermassen hinbekomme, ist atmen und nicht mal das klappt so richtig!
Wieder eine schlimme Nacht ohne Schlaf, aber Tausende von Gedanken, die mich quälen!
 
Wieder eine einsame Busfahrt. „Wo bist du? Lass mich nicht so sterben ... verhungernd alleine in einem Scheiss Bus!“
 
Endlich die Erlösung: sie war wieder da. Aber mein Mut hat mich wieder verlassen... Warum kann ich sie nicht einfach ansprechen: „Hi, ich bin Jessi. Hättest du mal Lust nach der Arbeit mit mir einen Kaffee trinken zu gehen?“ oder „Wie geht’s dir?“
 
Ich muss jetzt was unternehmen. Seit 3 Wochen strahle ich sie an, und eigentlich hat sie ja den ersten Schritt gemacht!
 
Oh Mia, wenn du wüsstest, durch welche Hölle ich im Moment wandele, würdest du mich sicher retten. Aber wenn ich nichts sage, kannst du nichts wissen und kannst mich natürlich auch nicht retten!
 
Es ist geschehen. Ich bin immer noch ganz ausser mir!
Alles war wie immer: ich stieg in den Bus, sie sass auf ihrem Platz, aber ich musste stehen. Und dann ist es passiert: eine ältere Frau stieg ein und Mia stand auf, um ihr ihren Platz zu überlassen. Mit grossen Schritten kam sie auf mich zu und wollte sich gerade neben mich stellen, als der Bus beim Losfahren einen kleinen Ruck machte und sie geradewegs in meinen Armen landete!
Mein Herz raste. Sie war mir so nah - ich hätte mich nur ein kleines Stück nach vorne beugen müssen und wir hätten uns geküsst...
Sie lachte und umfing meine Hüfte mit ihrem Arm...
„Wow“, hörte ich sie sagen „das ist mal eine schöne Art am Morgen begrüsst zu werden, findest du nicht auch?“
Mein ganzer Körper bebte und ein lautes “Oh ja“ kam aus mir heraus geschossen!
„Wir sollten uns wieder mal loslassen“ sagte sie etwas leiser. „Wer weiss, was die anderen von uns denken?“ Und wieder dieses unglaubliche Lächeln von ihr!
Und endlich, als ich sie losgelassen hatte, brachte ich ein paar Worte über die Lippen!
„Wenn wir uns schon so am Morgen begrüssen, könnten wir doch am Abend mal was zusammen trinken, was denkst du?“
„O.k. Das klingt gut. Wenn du mir jetzt noch deinen Namen verrätst, sage ich vielleicht ja“.
„Jessi!“
„Ja, Jessi, ich würde gerne mit dir was trinken, sagen wir um 17:30 Uhr an deiner Haltestelle?“ Ich nickte und wieder konnte ich nicht aufhören zu lächeln!
 
Was für ein Tag. Ich schaue nur auf die Uhr, die jede Sekunde nur mit einen endlosen Kampf entlässt!
Die Zeit will einfach nicht vorbei gehen...
Und ich kann nur an Mia denken: was Sie wohl gerade tut, wie sie die Zeit tot schlägt, oder vielleicht geht es ihr gar nicht so wie mir?
Noch 4 Stunden und ich werde auf alle meine Fragen eine Antwort bekommen!
 
Noch 3, noch 2, noch eine.
So, ich mache mich auf den Weg, ihr geschriebenen Worte, ihr Manifeste meiner aufgewühlten Seele, wünscht mir Glück!
Ich kann es brauchen - noch nie war mir etwas so wichtig wie in diesem Moment. Hoffentlich wird es ein toller Abend!
 
Nun stand ich mit rasendem Herzen und einem unsicheren Lächeln an meiner Haltestelle und wartete auf Mia. Was für ein Name! Ich liebe ihn, den Klang, so kurz und doch so vielsagend. Er passt zu ihr Mia .. Mia .. Die Zeit wurde immer länger. Es war schon 5 vor 6 und immer noch keine Mia zu sehen …
Vielleicht hatte ich sie missverstanden, vielleicht meinte sie eine andere Haltestelle? Doch da kam sie mit dem Taxi. Sie stieg aus und, nachdem sie dem Fahrer sein Geld gegeben hatte, kam sie mit diesen unverwechselbaren grossen Schritten auf mich zu!
„Hi Jessi! Sorry, dass ich zu spät bin, aber ich musste länger arbeiten, dann war der Bus weg und .... na ja, aber du hast gewartet. Das ist so lieb von dir!“
Wir gingen für den Anfang in das kleine Café an der Ecke, nur zwei Minuten von meiner Wohnung entfernt, etwas trinken...
Meine Aufregung steigerte sich immer mehr. Ich versuchte so cool wie möglich zu wirken, aber wenn ich in ihre wunderschönen Augen schaute, wurde mir immer schwindliger, und wenn sie mich noch so anlächelte, konnte ich mich nur knapp auf den Beinen halten!
Als wir beide endlich was bestellt hatten, sassen wir uns zuerst lächelnd, aber schweigend, gegenüber, bis Mia das Wort ergriff:
„So, jetzt sitzen wir zwei Schönen uns endlich mal gegenüber. Du weisst gar nicht, wie oft ich davon geträumt habe, mit dir wahrhaftig mal ein paar Worte zu wechseln...“
„Was arbeitest du? Was machst du in deiner Freizeit? Wo wohnst du? Oh, sind das zu viele Fragen auf einmal? Sorry, ich bin immer so, wenn ich aufgeregt bin.“
Ich konnte zuerst gar nichts sagen. Aber als ich merkte, dass ihr auch so viel an meiner Bekanntschaft lag, wie mir an ihrer, sprudelte alles einfach aus mir heraus!
„Ich wohne nur zwei Minuten von hier. Ich arbeite bei einer Transportfirma. Oh, ich habe mir auch so gewünscht, mit dir zu reden!“
Sie lachte laut auf: „Ach ja? Da hast du es mir aber echt schwer gemacht! Ich wollte schon am zweiten Tag mit dir reden. Aber immer wenn ich dich angeschaut habe, hast du einfach weg gesehen. Bist du so schüchtern?“
„Ich glaube schon...“ konnte ich nur leise zugeben. „Aber du bist die erste Frau, die ich versuche anzusprechen!“
Ihr Blick wurde etwas ernster. „Echt? Da bin ich aber geschmeichelt... Warum gerade ich?“
„Das kann ich dir auch nicht sagen ... doch dein Aussehen, deine Art zu lächeln, deine Augen, deine Lippen... einfach alles. Ergibt das für dich einen Sinn?“
Wir schauten uns einen Moment schweigend an.
Dann sagt sie: „Ich würde dich jetzt so gerne in meine Arme nehmen und küssen! Könnten wir nicht zu dir gehen?“
Ich nickte nur. Wow, das ist das Unglaublichste, was mir je passiert ist!
Als wir bei mir angekommen waren, konnte ich gerade noch die Tür hinter uns schliessen, da hatte sie mich schon in ihren Armen und begann mich sanft zu küssen!
Sie presste mich gegen dir Tür und ihre Küsse wurden immer fordernder. Mein Puls raste, mein Körper bebte und mein Hirn konnte nur noch „das ist unglaublich - höre nie wieder damit auf“ denken!
Sie unterbrach ihre Küsse für einen kleinen Moment und schaute mir ernst in die Augen. „Ist das zu schnell für dich?“ hörte ich sie sagen „Wenn das zu schnell ist, kann ich das verstehen, aber ich habe mir schon so lange gewünscht, dich zu berühren, dass ich mich jetzt fast nicht mehr in Zaum halten kann!“
„Nein, nein, ich wünsche mir das auch, aber ich kenne da einen bequemeren Ort“ ich nahm ihre Hand und zog sie in mein Schlafzimmer!
Kaum da angekommen, fielen wir auch schon auf mein Bett!
Ihr schlanker Körper lag auf meinem und sie begann, sich langsam zu bewegen. Meine Erregung steigerte sich fast ins Masslose!
„Ich habe mir so oft vorgestellt dich zu berühren“ sagte sie leise in mein Ohr, während sie begann mit ihren Lippen meinen Hals herunter zu wandern.
„Ja“ stöhnte ich „ich auch. Du fühlst dich unglaublich toll an weisst du das?“
Auch sie begann zu stöhnen. “Du auch, meine Schöne, du auch!“ flüsterte sie mit fast erstickender Stimme.
Ich hatte mir zwar dann und wann vorgestellt, sie in meinen Armen zu halten, aber das, was ich jetzt erlebte, übertraf alle meine Vorstellungen bei Weitem!
Ihr Körper - wie er sich auf mir bewegte - in kleinen pumpenden Kreisen!
Ihre Lippen auf den meinen, wie ihre Zunge mit der meinen spielte, das alles brachte mich in so weite Höhen, dass ich wirklich das Gefühl hatte, ich könne fliegen!
„Mia, ich möchte dich ganz spüren. Deine Haut auf der meinigen. Geht das?“
Ohne aufzuhören mich zu küssen begann sie, mir die Kleider auszuziehen, bevor sie sich ihrer entledigte.
Sie so zu spüren, raubte mir den Verstand. Ich versuchte irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, aber es war mir unmöglich. Unsere Körper so mit einander verbunden zu spüren war einfach gigantisch!
Wir konnten nicht genug von einander bekommen und als wir endlich einschliefen, wurde es auch schon wieder hell!
Keine von uns beiden hatte gross Lust, die andere zu verlassen, um zur Arbeit zu gehen, daher beschlossen wir einfach im Bett zu bleiben und uns krank zu melden.
 
Diese Zeilen habe ich vor 12 Monaten geschrieben und jetzt, wo ich das alles noch Mal lese, kommt es mir immer noch wie ein unglaublich toller Traum vor!
Aber mein schöner Traum geht weiter: heute zieht Mia bei mir ein. Ob ich ihr diese Zeilen zeigen soll?
Ich hoffe, wir bleiben für eine Lange Zeit zusammen. Wenn es nach mir geht, für immer!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.11.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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