Jürgen Buschenhenke

Die Orientierung verloren

Darf das denn wahr sein! Warum muß mir das denn schon wieder passieren?
Letzte Woche war es schlimm gewesen. Zuletzt hatte ich nicht mehr daran geglaubt, den Weg zu finden. Jedoch, gerade als ich mich von meiner letzten Hoffnung verabschiedet hatte und Resignation und Depression sich in mir einen Platz zu suchen begannen, fand ich den Pfad und auch einige Kameraden, die mich nur kurz verwundert musterten und dann geschäftig ihres Weges gingen.
Nun irre ich planlos durch das hohe Gras und kenne mich nicht mehr aus. Mit dem größten Selbstverständnis bin ich heute morgen, wie all die anderen, zur Arbeit gegangen. Ich bin angekommen, habe die Waren aufgeladen und dann auf dem Rückweg muß ich falsch abgebogen sein.
Mir ist schon seit langem klar, daß ich anders bin. Die Kameraden müssen über ihre Bestimmung, über ihre Aufgabe und über ihren Weg nicht nachdenken. Sie tun was sie tun müssen und sind zufrieden damit. Mir gelingt das nicht so ganz. Es gibt Tage, so wie heute, da denke ich lange nach. Ich weiß, meine Arbeit nützt uns allen, und sie muß getan werden. Schließlich wurde sie früher auch für mich getan. Jedoch ist in mir eine große Sehnsucht, das Verlangen, Neues zu erleben, Spaß zu haben, eben vom Weg abzukommen und Überraschendes zu entdecken.
Moment! Dieser Hügel kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich glaube, ich habe ihn schon mal von Weitem gesehen. Nun stehe ich direkt vor ihm. Aber ich weiß nicht aus welchem Blickwinkel er sich in meine Erinnerung eingegraben hat. Also schlage ich auf´s Geradewohl eine Richtung ein und blicke von Zeit zu Zeit zweifelnd über meine Schulter zurück.
Ja, ich bin vom Weg abgekommen, erlebe Überraschendes. Aber es gefällt mir nicht. Ich bin hin und her gerissen. Einerseits ist da meine große Sehnsucht, der Hunger nach Abwechslung und Erfüllung, andererseits ist da meine sinnvolle Aufgabe und die Sicherheit der Gemeinschaft. Im Moment will ich nur zurück auf den “rechten Weg“. Ich fühle mich verloren. Ich bin ja nicht bewußt vom Pfad abgewichen, sondern ich habe vor mich hin träumend die falsche Abzweigung genommen.
Halt! Ich höre etwas - Schritte! Schnell bahne ich mir einen Weg durch das Grasgestrüpp. Völlig außer Atem breche ich durch das Unterholz und blicke in zwei Paar erstaunte Augen. Verlegen schlage ich den Blick nieder und sage nichts. Die beiden Kameraden schweigen ebenfalls und ziehen weiter.
Glücklicherweise ist mein zuhause nicht weit entfernt. Die Ware habe ich unterwegs leider zurück lassen müssen, da sie zu schwer wurde. Schnellen Schrittes husche ich über den Weg. Nach der nächsten Biegung sehe ich unseren Hügel schon. Ich bin wieder daheim! Aber es ist nicht einfach, eine Ameise zu sein!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.06.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Die Autorin versteht es, mit Worten Stimmungsbilder zu malen und den Leser an der eigenen Begeisterung am Land zwischen Meer und Bodden teilhaben zu lassen. In ihren mit liebevoller Hand niedergeschriebenen Gedichten und Geschichten kommen auch Ahrenshooper Impressionen nicht zu kurz. Bereits nach wenigen Seiten glaubt man, den kühlen Seewind selbst wahrzunehmen, das Rauschen der Wellen zu hören, Salzkristalle auf der Zunge zu schmecken und den feuchten Sand unter den Füßen zu spüren. Visuell laden auch die Fotografien der Autorin zu einer Fantasiereise ein, wecken Sehnsucht nach einem Urlaub am Meer oder lassen voller Wehmut an vergangene Urlaubstage zurückdenken.

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