Ramon Felder

Vergänglich

Die Sonne brannte.
Obwohl es noch früh am Morgen war wusste sie, dass sie diesen Tag nicht überleben würde. Dabei war sie vor kurzem noch so mächtig gewesen, hatte ein riesiges Reich beherrscht und das so vollständig, dass sie sich jedem ihrer Untertanen tief eingeprägt hatte.
Nicht mehr, sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst, lag in Ihrem Bett, in Ihrer alten Heimat und erwartete das unausweichliche. Sie verspürte weder Reue noch Selbstmittleid. Sie hatte getan was sie tun musste, wozu sie geboren war.
Sie wusste, dass sie nicht beliebt war. Kaum jemand würde ihr nachtrauern. Auch auf dem Höhepunkt ihrer Macht war sie heimlich oder offen beschimpft und verflucht worden. Andere hatten sie einfach stoisch ignoriert. Ganz wenige nur kamen ihr mit Wohlwollen entgegen. Sagten ihr sogar Schönheit nach. Sie liess dass kalt. Sie war unantastbar. Die Ausdehnung ihrer Macht und ihres Einflusses hatte sie mit Genugtuung erfüllt, mehr nicht. Herrschen um des Herrschens willen.
Nichts währt ewig, alles ist vergänglich.
Der Weg zur Herrschaft war kein vorgeplanter oder geradliniger gewesen. Das Tal in dem sie geboren war lag abseits der grossen Städte und Verkehrswege. Lange Zeit war es alles was sie kannte. Wenn sie sich herausgewagt hatte aus dieser sicheren Zone so war es anfangs nur für wenige Stunden gewesen. Als sich ihr plötzlich neue Horizonte eröffneten, andere Dimensionen, da kam das für sie genau so überraschend wie für viele Menschen die sich plötzlich mit einer Macht konfrontiert sahen die sich in ihr tägliches Leben drängte.
Nur die Berge, die hatte sie nie erobern können, die blieben ihrem Einfluss entzogen und erhaben, wenn auch die Grenze Ihres Einflussbereiches sich oftmals dramatisch in die Täler und den Gipfeln entgegen stürzte. Nicht dass sie das wirklich gestört hätte. Die Ebene, Flüsse, Seen, Städte und Dörfer das war ihre Welt. Hier kannte sie alles und jeden, hier konnte sich niemand vor ihr verstecken.
Der Niedergang war fast so schnell gekommen wie der Aufstieg. Es fühlte sich nur anders an. Es war kein Rückzug, eher eine Auflösung. Sie spürte förmlich wie Ihr Einfluss schwand, wie sie schwächer und schwächer wurde. Sie begann den Kontakt zu verlieren, den Anschluss.
Der endgültige Todesstoss kam schliesslich und plötzlich und aus einer unerwarteten Richtung. So denn, dachte sie noch, nahezu gleichgültig, ich komme wieder.
Jürg beschleunigte seinen LKW auf der offenen Landstrasse die durch das kleine Nebental führte. Eben hatte er eine der letzten Nebelschwaden mit 40 Tonnen und 80 km/h in alle Winde zerzaust. An diesem schönen Morgen erfüllte ihn diese Kleinigkeit mit Genugtuung. Es war eine schwere Zeit gewesen die letzten Wochen, war nicht so gut gelaufen im Job und zuhause auch nicht, und der Nebel der das ganze Land im Griff gehabt hatte machte das Ganze auch nicht besser. Das war jetzt vorbei, er spürte, dass es wieder aufwärts ging. Also dann, packen wir’s.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.11.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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