Die Zeit, der Mensch und Gott

Manchmal denke ich, die Zeit läuft mir davon. Daher sage ich: nein, die Zeit läuft mir keineswegs davon. Denn: Die Zeit ist bei mir. Ich lebe in und mit der Zeit. Also kann die Zeit nicht schneller sein als ich!

Ich kann vieles tun in der Zeit, aber auch vieles lassen. Ich werde nicht getrieben von der Zeit. Und: ich lasse mich nicht treiben in der Zeit. Ich habe die Wahl, entweder gehe ich mit der Zeit oder ich stemme mich gegen sie.

Wie ich mich auch verhalte, die Zeit nimmt mich mit sich fort. Das kann ich nicht verhindern. Also schließe ich mit der Zeit einen Pakt, der da in etwa lautet: Du und ich sind bei meiner Geburt eine Liaison eingegangen, sozusagen eine Liebesbeziehung, eine Bindung, ja vielleicht sogar eine Ehe. Die Ehe bringt es meines Erachtens auf den Punkt. Eheleute sind sich treu bis dass der Tod sie scheidet. So bist du mir und ich dir treu, bis ich einmal sterbe. Erst dann bedeutest du mir nichts mehr. Der Unterschied zwischen dir und mir ist, dass ich dich nicht freiwillig gewählt habe, sondern du mich vereinnahmt hast. Ich könnte sagen, dass wir in einer Zwangsehe leben in der du einwandfrei der Stärkere bist. Ich habe keine Wahl, denn mit dir und in dir vollzieht sich mein Leben. Wenn unsere Liebe erkaltet, kann ich nicht ausbrechen, mich nicht scheiden lassen, und mir eine neue Zeit nehmen. Ich bin an dich gebunden, ja gekettet bis an mein Lebensende. Was ich auch beginne oder beende, du bist präsent, du bist dabei, du lebst mit mir. Ohne dich läuft nichts – gar nichts! Du gehörst zu mir wie mein Blut, mein Atem und mein Leben. Mit dir wuchs ich im Bauch meiner Mutter heran. Mit dir wurde ich geboren. Mit dir machte ich meinen ersten Atemzug, und mit dir werde ich meinen letzten tun.

Wenn ich dich mitunter vergesse, erinnert mich bald wieder der durchgetaktete Lebensstil der Gesellschaft an dich. Arbeit, Spiel und Spaß, sogar die Zeit der Zweisamkeit, der Liebe, des Küssens und Streichelns, der Intimität, alles und jedes bestimmst du. Du schaust nicht weg. Nein, du schaust zu, bist Zeuge und mittendrin in dem was ich tu.

Alle Vorhaben und Unternehmungen, werden nach dir und mit dir abgestimmt, und benannt. Das beginnt beim Wecker klingeln am Morgen. Danach folgen das Aufstehen, der Toilettengang, das Duschen, Anziehen und Frühstücken, die Arbeit, die Pause, der Feierabend, das Abendbrot, das Fernsehen, und das Zubettgehen. Selbst die intimsten Momente der Liebe sind in dich eingebettet.

Nichts kann ich ohne dich tun, nichts vor dir verheimlichen.
Du weißt alles von mir!

Daher frage ich dich: Zeit, wer bist du?
Vielleicht ist dein Name ›Zeit‹ ein Synonym für Gott?
Denn nur ER weiß alles, kann alles und lenkt alles.
Ich bin mir ganz sicher, dass du, Zeit, Gott bist und Gott, Zeit!
Weil du, Gott, alles bist was ist, bist du auch Zeit, und daher messbar wie sie!?

Aber es heißt, das du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit bist!
Wie kann der Mensch Ewigkeit messen?
Nicht mit irdischen Instrumenten.
Nur durch seine Spiritualität ist es dem Menschen möglich, dich o Gott zu messen - und was noch besser ist, zu erfassen.
 
 
 
 

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