Im Hochsommer 1988 war ich mit einem Freund, der wie ich Andreas hieß, in Südfrankreich und Spanien unterwegs. Wir hatten geplant, diese Länder mit Zügen zu erkunden. Welche Stadt uns immer gefallen würde, dort hatten wir vor, länger zu bleiben, und ansonsten nach einer Nacht weiter zu fahren. Besonders in Spanien waren damals Doppelzimmer in kleinen Hotels genauso erschwinglich, wie Betten in der Jugendherberge. Vielleicht hatte man uns oft für schwul gehalten. Es war uns aber egal und wir hatten unsere Ruhe. Es war die schönste und ereignisreichste Reise meines Lebens. Unter anderem ist mir besonders die Begegnung mit zwei Polizisten in Erinnerung geblieben.
Die erste Begegnung fand auf einer leicht abschüssigen Wiese vor Avignon statt. Wir hatten dort rechtswidrig unsere ISO-Matten ausgerollt und waren gerade im Begriff, es uns bequem zu machen, als der französiche Polizist auftauchte. Kennen Sie Louis de Funès als „Irren Flic“? Genauso müssen Sie sich diesen Ordnungshüter vorstellen. Er war klein und trug eine blaue Uniform mit der typischen etwas eckigen Mütze. Er umschwirrte uns wie ein Vögelchen und schlug mit den Armen, wie ein Kücken beim ersten Flugversuch. Eigentlich sagte er „Hopp, hopp!“ (vite, vite!), aber es klang wie „Wietwietwietwiet! Wiet! Wiet! Wietwietwietwiet!“ Die Nachtigall aus Avignon ging uns mit ihrem Geflatter und Gezwitscher so auf die Nerven, dass wir schließlich seiner Aufforderung nachkamen und von der Wiese verschwanden.
Der völlig gegenteilige Typus eines Polizisten begegnete uns zwei oder drei Wochen später. Von unserer geplanten Route an der Mittelmeerküste waren wir ins Inland abgewichen und besuchten Madrid. Der Sommer war mörderisch heiß und vollkommen wolkenlos. Nur so ist es vielleicht zu erklären, warum wir es uns mit den ISO-Matten auf einem Parkplatz gemütlich machten. Der lange Schatten, der uns traf, gehörte zu einem Polizisten. Der Mann schlenderte gemächlich auf uns zu. Er war durchtrainiert und mindestens zwei Meter groß. An seiner Hüfte hing bedrohlich eine zentnerschwere Waffe, so riesig wie eine Panzerfaust. Er umkreiste uns einmal… sah in den irisierend blauen Himmel… zog einen zweiten Kreis… besah seine blank geputzen Stiefel… Es verging eine endlose Zeit, bevor er seine Hand auf das Pistolenhalfter legte. Dann sprach er, noch immer vollkommen in sich ruhend, ein einziges Wort:
„Arriba.“
Das war für uns das Signal, unser Vorhaben rasch zu überdenken, und von dem Parkplatz in den Schutz der Innenstadt zu fliehen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.03.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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Andreas Vierk schreibt seit seinem zehnten Lebensjahr Prosa und Lyrik. Er verfasste die meisten der Gedichte des „Septemberstrands“ in den Jahren 2013 und 2014.
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