Tobi Prel

Vor einem Augenblick

5

Der Wind wehte sanft durch das dichte Gras und streifte leicht die winzigen Härchen in Johanns Gesicht. Schreckhaft richtete er sich auf. Ihm war übel und es fehlte ihm jegliche Orientierung. So weit das Auge blickte, erstreckte sich eine riesige grüne Wiese, in deren Mitte er lag. Johann realisierte, „Es war schon wieder passiert“ und ließ sich kraftlos zurück in die weichen Ähren fallen. Während die Sonne den blauen Himmel durchdrang, bildete sich Flüssigkeit in seinen Augen. Ein lautes Schluchzen drang aus seinem Mund und er schlug wütend um sich. Johann war Zeitreisender, doch kontrollieren konnte er das Phänomen nicht. Wann, wie lange oder wo er letztlich nach einem 'Sprung' auftauchen würde, konnte er nicht beeinflussen und warum die ganze Sache grade ihm passierte, tja das war die Eine-Million-Dollar-Frage. Er versuchte sich zu beruhigen, fasste sich an den Kopf und sah auf die Uhr an seinem linken Arm. Die 'Sprünge' so willkürlich sie auch auftraten wiesen einige Regelmäßigkeiten auf und das Beste was Johann aus seiner Lage machen konnte, war zu versuchen die Muster zu dokumentieren und zu begreifen. Eine seiner elementarsten Beobachtungen war, dass sich nach einem Sprung zwar die absoluten Zeitverhältnisse um ihn herum verändern, doch die Zeit auf Gegenständen, die sich in seiner unmittelbarer Nähe befinden, konstant bleibt und sie so zu sagen mit ihm reisen. Johann schaute auf seine Armbanduhr und sah, dass sie 23:07 Uhr anzeigte. Auf ihr war noch die Zeit aus seiner Geburts-Zeitperiode eingestellt, die mittlerweile zu einer Art Universalzeit geworden war und wie Johann über die Zeiten hinweg bestand. Er hielt inne und seine Erinnerung an das Letzte Ereignis vor dem Sprung war glasklar. Er saß mit Charly zusammen beim Mittagessen. Mit seinem Handrücken wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und überlegte, dass es wohl gegen halb eins gewesen sein musste. Er fingerte sein Handy aus der Tasche und warf einen Blick darauf. Auf dem Display waren kein Netz oder eine Internetverbindung zu entdecken. Auch das hatten seine Zeitsprünge an sich, er wusste nie in welchem Jahr er landen würde. Lediglich, dass er immer weiter in die Zukunft vordrang stand fest. Bisher hatte er keinen Sprung in die Vergangenheit erlebt. Hatte er bei seinen ersten Sprüngen nur ein paar Stunden überbrückt, waren es mittlerweile mehrere Jahre. Johann hielt inne, sah in den Himmel und versuchte aus dem Datum auf seinem Handy genau abzuleiten, wie lange er sich in der letzten Zeitperiode befand. Er schreckte auf, es schienen ganze drei Monate gewesen zu sein. Ihm war zwar bewusst, dass es diesmal sehr viel länger angedauert hatte, doch drei Monate waren eine Ewigkeit. Denn auch das schien sich als weitere große Besonderheit der Zeitsprünge heraus zu kristallisieren, die Aufenthalte in den Zeitepisoden wurden immer länger. Er schrieb seine Beobachtungen wie immer in der Notizfunktion seines Handys, dann drückte er den Knopf an der Seite des Gerätes für die Tastensperre. Ein Foto von Charly, welches er als Sperrbildschirm eingerichtet hatte, ploppte auf. Johann sah es sich eine paar Sekunden lang an, dann schloss er seine Augen, senkte den Blick und hielt sich mit der Hand das Gesicht. Der Drang nach Trauer konnte nur schwer unterdrückt werden. Nach ein paar Minuten gelang es Johann jedoch die Fassung zurück zu gewinnen. Er löschte das Hintergrundbild mit ein paar Fingerbewegungen und sah sich in der Ferne um. Am Horizont erstreckte sich eine Strasse.
 

4

Johann folgte dem Strassenverlauf ein paar Kilometer. Immer wieder streifte er ein paar Schilder, die ihn in Richtung einer Großstadt wiesen. Er war in den USA, in der Nähe der West-Küste soviel stand fest. Autos streiften seinen Weg, sie sahen viel runder, aber zugleich länglicher und flacher aus, als in der Vergangenheit. Außerdem machten sie sehr viel weniger Lärm. Er streckte seinen Daumen aus, um Jemanden zum Anhalten zu motivieren, bis ihn schließlich eine Art graues Pickup-Fahrzeug aufließ. Zwischen der Zeit zu leben bringt eine Menge Herausforderungen mit sich. Zum Beispiel weiß man nie, welche politischen Umstände grade herrschen, welche Technologien zum elementaren Altersgebrauch gehören, was kulturell angesagt ist oder vor allem, wie man an Geld kommt. Die Währungen änderten sich je nachdem in welchem Land oder Ort Johann aufwachte. Ein paar Dinge blieben jedoch egal wo und egal wann immer gleich, zum Beispiel wird auf der ganzen Welt Englisch gesprochen und auf die Hilfsbereitschaft von Fremden ist immer Verlass. Zig Male hatte sich Johann schon Geschichten ausgedacht in denen er überfallen wurde, nur um an etwas Almosen zu gelangen. Auch dieses Mal gelang es ihm den blonden Samariter der ihn an der Strasse aufgelesen hatte davon zu überzeugen, nach einen heftigen Streit von seiner nun Ex-Freundin auf offenem Feld ausgesetzt worden zu sein. Alles nur, um dem Leichtgläubigen etwas Bares aus der Tasche zu leiern. Johanns abgenutzte Klamotten aus einer anderen Zeit und seine junge freundliche Art unterstützten ihn dabei. Jedes mal musste Johann schmunzeln, wenn er Dollar-Scheine in der Hand hielt, denn das Ben Franklin auf der 100er Note abgebildet ist, wird wohl immer gleich bleiben. Ein schlechtes Gewissen plagte Johann bei seinen erfundenen Geschichten nie. Er sah seine Handlungen stets als den einzigen Weg um überhaupt an etwas Geld zu gelangen. Außerdem steckte schließlich auch ein Fünkchen Wahrheit dahinter, denn jeder Sprung nahm ihm immer wieder aufs Neue sein komplettes Leben inkl. allen Besitzes. So sah Johann die paar Hundert Dollar, die er auch diesmal bekam eher als eine Investition für einen Neustart.
 

3

Der blonde Samariter hatte Johann im Zentrum der Großstadt in der Nähe eines Regierungsgebäudes abgesetzt. Johann sah sich verblüfft in der Gegend um, in diesem Teil des Landes war er zuvor nie gewesen. Die Bürgersteige waren überfüllt mit Menschen und alles wurde penibel sauber gehalten, wirkte fast schon steril. Nirgendwo lag Müll herum, war eine Wand mit Graffitis beschmiert oder eine Rasenfläche nicht gemäht. Er lief ein paar Straßen entlang und saugte die Atmosphäre der hellen weißen Großstadt in sich auf, denn das war einer der wenigen Vorteile des Zeitreisens, man wird jedes Mal überrascht. Irgendwann fand sich Johann vor einem Café wieder. Auf dem Promotions-Schild war zu erkennen, dass man in dem Etablissement für ein paar Cent pro Stunde ins Internet gelangen konnte. Johann kam zwar aus der Vergangenheit, doch das Internet war seit den letzten paar Sprüngen ein guter Bekannter geworden, eine Konstante, wenn nicht sogar die einzig Andere neben Johann selbst. Er betrat den Laden, bestellte sich einen Kaffee und setzte sich an einen Tisch. Der 'Time-Lag', die Zeitverschiebung machte seinem Bio-Rhythmus zu schaffen. Im Auto des blonden Samariters hatte sich Johann zwar beruhigen können, doch nach der Tour durch die halbe Stadt, bemerkte er die Übelkeit umso heftiger. Mit zwei großen Schlucken verschlang er das Getränk, so dass es ihm zumindest etwas besser ging. Er schaltet den Monitor vor sich an und begann die für ihn unbekannte Benutzeroberfläche zu verstehen. Nach wenigen Klicks hatte er schließlich das Datum herausgefunden. Johann schrak erneut auf, ganze 23 Jahre waren durch den letzten Sprung verschwunden. Vor einem Augenblick saß er noch mit Charly zu seinem Geburtstag beim Mittagessen und kurz darauf war eine Ewigkeit vergangen. Tränen stiegen in seinen Augen auf, die Trauer machte sich wieder in hm breit und er wurde stärker. Johann haute in die Tasten, er musste wissen was aus ihr, aus Charly geworden ist. Nach ein paar weiteren Klicks erfuhr er schließlich, durch die kalte Anonymität des Webs hindurch, nahezu alles über ihr weiteres Leben. Dass sie schließlich geheiratet hatte, zwei Kinder bekam und seitdem ihr neuer Mann sie noch vor der Geburt ihrer zweiten Tochter verlassen hatte, ein einsames Singledarsein fristete. Johann konnte es nicht weiter an sich halten. Es brach aus ihm heraus. Die ganze Ungerechtigkeit seiner Situation übermannte ihn in dieser Sekunde und er fing an zu Flennen und zu Schluchzen. Bis hierhin hatte er gedacht er könne sein Schicksal akzeptieren, doch die letzte Zeitperiode in der er sich zuvor befand dauerte einfach zu lange an. Tausende Bilder rannten durch seinen Kopf. Ihm fiel ein wie er Charly nach dem ersten Monat in einem Diner kennengelernt hatte, sie war dort als Kellnerin angestellt und überwältigte ihn förmlich mit ihrer fröhlichen Art. Nach dem zweiten Monat zogen die Beiden zusammen und schmiedeten Pläne über ihre gemeinsame Zukunft. Johann war nie zuvor länger als vier Wochen in einer Zeitperiode gestrandet und dachte diesmal sein Fluch wäre endgültig vorüber. Zwei Monate war er schließlich mit Charly zusammen und beide empfanden unendliche Zuneigung zueinander. Nun am Tag nach seinem 23ten Geburtstag war ihm jedoch schmerzlich klar geworden, dass alles umsonst gewesen ist, als wäre nie etwas davon geschehen und niemals hätte sein sollen. Charly hatte ihr Leben ohne ihn verbracht und würde ihn wahrscheinlich nicht einmal mehr erkennen wenn er vor ihr stünde. Johanns einzige Aktionsmöglichkeit war nun dazu geworden sich durch die wenigen Textzeilen auf dem flimmernden Bildschirm ihre Geschichte in seinen Gedanken vorzustellen, die einmal seine Geschichte, sein Traum hätte sein sollen. Das war das Dilemma seiner Existenz. Johann hatte gegen die Regeln der Zeitreise gehandelt und das obwohl er so bedacht darauf war sie herauszufinden und zu verstehen. Jetzt war sein Leben wieder resetet, auf Neuanfang gestellt und er versuchte sich wieder zusammen zu reißen, er musste es. Doch leichter gesagt als getan, denn wie vergisst man zwei Monate die so unendlich wertvoll für einen waren, wie nichts sonst was man erlebt hatte. Die anderen Gäste des dunklen Cafés blickten schon neugierig in seine Richtung. Johann wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und versuchte sich natürlich zu verhalten.  Eine weitere Regel die man bei Zeitreisen beachten sollte lautet unauffällig zu bleiben. Das erspart einem eine Menge unangenehme Fragen. Johann wusste genau, dass es nichts nützte weiter dem Vergangenen hinterher zu trauern und konzentrierte sich darauf, was als nächstes zu tun war. Er hatte es ja schon einige Male durchstehen müssen und war langsam darin geübt. Die folgenden Wochen verstrichen wie im Flug. Nach und nach gelang es ihm einen Billiglohnjob in einer Fastfoodkette zu finden sowie eine Wohnung in einer Bruchbude anzumieten. Die Tage kamen, gingen und waren so sinnleer wie Johanns gesamtes Leben in dieser Situation nur sein konnte. Er lebte nur so vor sich hin, für sich allein. Er vermied den ausgiebigen Kontakt zu anderen Mitmenschen, denn er wollte sich nicht wieder Jemandem anvertrauen, nur um dann erneut plötzlich in einem Moment auf den nächsten von ihm fortgerissen zu werden. Diesen Neuanfang würde nicht verschwenden, das schwor er sich. 
   

2   

Monate in völliger Einsamkeit vergingen und Johann begann sich zunehmend Gedanken über seine Herkunft und sein Problem zu machen. Er konnte zwar fließend Englisch sprechen, doch ob es seine wahre Nationalität war, verschwomm im Laufe seines Alters immer mehr. Genauso verklom auch sein wahrer Name. 'Johann' hatte er vor langer Zeit in einem Buch gelesen und fand dessen Klang ansprechend. Seine Identität jedoch verschwand mit jedem Neuanfang und wurde zugleich wiedergeboren. Zu oft hatte er sich plötzlich auf neue Lebensverhältnisse einstellen oder sich fremde Gesichter einprägen müssen, nur um sie anschießend wieder aus seinem Leben zu streichen. Wer ist man schon ohne Erinnerungen die man mit Jemandem teilt? Johann wusste nur noch, dass seine Eltern beide englisch sprachen und er glaubte sich zu erinnern, dass sie in Boston wohnten. Ob sie jedoch Amerikaner waren oder zugewandert, konnte er beim besten Willen nicht mehr zusammen bekommen. Die Anzahl seiner Sprünge war Mittlerweile so weit angestiegen, dass er aufgehört hatte sie zu zählen. Seinen ersten Sprung hatte er jedoch nicht vergessen. Er war noch ein kleiner Junge und spielte im Garten hinterm Haus, bis er plötzlich ohne sich zu erinnern zehn Minuten später im Badezimmer seines Elternhauses aufwachte. Natürlich bekam Johann massiv Ärger von seinen Eltern, denn man hatte sich Sorgen um ihn gemacht, da in der Zwischenzeit niemand wusste wo er gewsen war. Dies schien zudem eine weitere Eigenschaft des Zeitspringens zu sein, die Entfernung zum vorherigen Ort nahm mit jedem Mal zu. So viele Details seiner Neuanfänge rannten durch seinen Kopf und er begann sich zu fragen, ob er der einzige Mensch sei, der von Zeitreisen betroffen war Dass die Erklärung des Phänomens seinen Verstand überschritt, war ihm durchaus bewusst, doch vielleicht konnte er wenigstens einen Gleichgesinnten finden und sogar ja sogar zu ihm Kontakt aufnehmen. Doch wie will man herausfinden, dass jemand durch die Zeit reist, wenn er sich wahrscheinlich an ähnlich diskrete Regeln wie Johann hält? Man muss nach Gemeinsamkeiten zu den eigenen Erfahrungen suchen, nach gleichen Details und Situationen über die Berichtet wird. Johann begann sich immer öfter im Internet-Café aufzuhalten und Zeitungsartikel oder –berichte über Singularitäten zu durchforsten. Zunächst stieß nur auf einige Memes von Prominenten, die offensichtlich Zwillinge in der Vergangenheit gehabt haben müssen und fand ein paar angebliche Beweisbilder aus Museen. Schließlich wurde er jedoch mehr und mehr von etwas Vielversprechendem angezogen. Auf einer Interseite wurde im Jahr 1950 von einem Mann berichtet, der offenbar stark desorientiert auf einer Kreuzung angefahren wurde. In seinen Taschen befanden sich das Foto eines kleinen Mädchens und ein paar ungewöhnliche Gegenstände, wie ein flacher schwarzer Kasten und mehrere Scheine nicht gültigen Geldes. Die Berichte über den Vorfall gingen so gar noch weiter, so dass Augenzeugen berichteten, der Passant hätte bereits vorher eine Verletzung an seinem linken Bein gehabt und zog es beim Gehen hinterher. Man hielt die Sache damals für den Unfall eines verwirrten alten Mannes. Ein großes schlecht aufgelöstes schwarz-weiß Bild von dem schlafenden Mann während seines Krankenhaus Aufenthaltes war auf einer Website abgedruckt. Er war offenbar in seinen Fünfzigern und trug einen prächtigen Vollbart sowie langes zu einem Zopf zusammengebundenes graues Haar. Die Internet-Gemeinschaft konnte es sich zudem nicht verkneifen, die Kommentare unter den Artikeln mit hunderten humoristischen bearbeiteten Fotos des Zeitreisenden in verschiedenen Epochen zu verzieren. Johann musste schmunzeln, hatte diese Form von Witz doch eine besonders erheiternde Ironie für ihn. Dennoch nach den Berichten verschwand der Unbekannte einige Tage später spurlos aus dem Krankenhaus. Besonders verwunderlich daran ist, dass von den behandelnden Ärzten angenommen wurde, dass der Alte seinen Verletzungen eigentlich hätte erliegen müssen und sich die Zeit über im Koma befand. Wie konnte er also aus dem Krankenbett aufstehen und herumspazieren? War diese Person vielleicht tatsächlich ein Zeitreisender wie Johann? Nach Tagen und Wochen intensiver Suche hatte Johann schließlich einen Katalog aus ca. 100 Berichten über Personen in unterschiedlichen Zeitepochen zusammen gesucht. Die Gemeinsamkeiten der Artikel umfassten, dass die Personen stets ein kaputtes Bein besaßen, in ihren Fünfzigern waren und an ungewöhnlichen Orten auftauchten bzw. verschwanden. Im Laufe der Suche erkannte Johann für diese unbekannte Person jedoch ein anderes Muster als bei seinen eigenen Zeitsprüngen. Der ältere Mann reiste nicht mit größer werdenden Abständen in die Zukunft, sondern mit geringer werdenden Abständen in die Vergangenheit. Johann hatte mittlerweile so viel Zeit mit seiner Suche verbracht, dass er seinen Job aufgab, er wohnte beinahe schon in dem Internetcafé, zumindest verbrachte er jede freie Minute damit in Foren, Blogs oder auf Social Media nach dieser Person zu forschen. Natürlich musste er vorsichtig sein, um seine Situation nicht preis zu geben. Doch dachte er, vielleicht nur vielleicht befindet sich eine jüngere Version des Mannes grade jetzt in derselben Zeitepoche, wie er selbst. Schließlich reiste der Unbekannte aus der Zukunft schrittweise zurück in die Vergangenheit. Wenn er sich also grade hier aufhält hat ihn womöglich irgendwo jemand gesehen und man könnte Kontakt zu ihm aufnehmen. Bei einer seiner Suchen traf Johann schließlich auf einen User aus Stockholm. Dieser erkannte die Person auf dem Krankenhausfoto wieder. Johann benutzte das Foto als Referenz um Autoren von vielversprechenden Berichten anzuschreiben. Bei dem Mann auf dem Foto handelte es sich um einen Nachbarn aus dem Wohnblock des Schweden. Er war zwar sehr viel jünger als auf dem Foto, doch seine Geschichte stimmte in allen Punkten überein. Der Nachbar war vor ein ca. einem halben Jahr plötzlich aufgetaucht, desorientiert und sprach nicht ein Wort schwedisch. Er hinkt auf einem Bein und wusste nicht wo er sich befand oder wie er dort hingekommen ist und so nahmen ihn die Nachbarn aus Hilfsbereitschaft zunächst einmal auf. Es stellte sich im Folgenden heraus, dass er Ire war. Mittlerweile hat er sogar einen Job und wohnt offiziell als Mitbewohner in der WG. Trotzdem weiß man immer noch nichts Genaues über seine Vergangenheit, da er an Gedächtnisverlust leidet. Johann vereinbarte, unter dem Vorwand ein entfernter Verwandter zu sein, der sich auf der Suche nach seinem verschwundenen Onkel befindet, ein Treffen mit dem Schweden. Jedoch warnte er ihn auch vor, dem unbekannten Nachbarn nichts von dem Treffen zu erzählen, um diesen besser mit der Situation konfrontieren zu können. Der Schwede stimmte zu. Johann wollte sofort aufbrechen. Er suchte im Internet nach Flug-Tickets in Richtung Schweden, doch diese lagen über seinem Budget. Johann musste er Geld auftreiben und zwar eine ganze Menge, denn sein noch vorhandenes Bargeld reichte bei Weitem nicht mehr dafür aus. Er verschränkte seufzend seine Arme und fühlte dabei seine Armbanduhr. Sie war alt, fast schon antik und würde den notwendigen Betrag bei einem Pfandleiher garantiert aufbringen können. Doch war sie auch sein ältester, sein einziger Begleiter mit einem Draht in die Vergangenheit. Diese Zeitmessmaschine war seit seinem siebten Lebensjahr mit ihm durch die Zeit gereist und somit zu seinem einzigen Freund herangewachsen. Auf ihr lief immer noch die Uhrzeit seiner Kindheit, die Universalzeit. Johann fasste sich ans Handgelenk und überlegte. In derselben Strasse in der sich das Internet-Café befand, waren zwei entsprechende Läden. Ein Reisebüro und eine Pfandleihe. Johann war aufgeregt und musste eine schwere Entscheidung treffen. Hunderte Gedanken drehten sich in seinem Kopf. Könnte diese Person wirklich auch ein Zeitreisender sein, ein Gleichgesinnter? Wenn ja muss ich ihn treffen, ich muss! Er schüttelte sich, um den Kopf klar zu bekommen und verließ das Café. Die Antwort des Schweden hatte ihn spät erreicht, die Zeitverschiebung des Planeten hatte die Folge, dass Johann bis Abends im Café saß, also musste er sich beeilen, denn jeden Moment konnten die Läden schließen.Dem Kopfsteinpflaster folgend lief Johann in Richtung des Pfandleihgeschäfts. Seine Gedanken rasten doch er war fest entschlossen den Unbekannten zu treffen. Er stürmte durch de Tür zum Tresen. Die Armbanduhr brachte noch mehr ein, als Johann erwartet hatte. Neben Dem Betrag für das Ticket war sogar noch Geld über. Durch die Glastür der Pfandleihe hindurch konnte Johann die Fassade des Reisebüros erkennen. Es befand sich auf der gegenüberliegenden Seite der Strasse, nur wenige Meter entfernt. Doch in wenigen Minuten würde das Geschäft schließen. Johann riss die Tür auf und sprintete zum Reisebüro. Doch bäm! Ein Auto erfasste Johann an seiner rechten Seite in dem Moment in dem er den ersten Fuss auf den Asphalt gesetzt hatte und schleuderte ihn mit Schwung ein paar Meter weit über den harten dunklen Untergrund. Johann verlor das Bewusstsein.
 

1

Der Wind pfiff laut durch die warmen Dünen und trug ein paar dicke nasse Tropfen Wasser auf das Gesicht von Johann. Erschrocken richtet er sich auf und hustete er ein paar Mal, ihm war übel. Dann realisierte er, dass er im sandigen Bett eines Strandes lag. Der Himmel war zugezogen und es nieselte ein wenig. Johann versuchte sich aufzurichten, doch sein Bein schmerzte. Er schaffte es sich aufzurichten und sah sich orientierungslos um. Schmerzverzerrt humpelte er etwas den Küstenstrich entlang, doch weit und breit war nichts zu entdecken. Schließlich ließ sich Johann wieder in den Sand fallen und legte sich auf den Rücken. Er wusste Bescheid, er war wieder gesprungen. Im Affekt hob er seinen Arm, um wie immer einen Blick auf seine Uhr zu werfen, doch sie befand sich nicht an seinem Handgelenk. Erschöpft nahm er seine Hand wieder runter und begann damit sich aufrecht hinzusetzen. Zunächst streckte Johann sein linkes Bein aus, eine dicke rote Wunde kam zum Vorschein. Es schmerzte sehr als er auch sein rechtes Bein anwinkelte, um stabil sitzen zu können und seine Arme dahinter verschränken zu können, doch Johann stieß keinen Ton aus. Mit einem kräftigen Atemzug nahm er die klare Seeluft in sich auf und sah auf das stürmische tiefblaue Meer hinaus.
 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.04.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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