Astrid Bieling

Ein Haus? – Mein Haus!

Ein Haus? – Mein Haus!


Ich baue ein Haus. Doch es ist kein gewöhnliches Haus, denn der Bauplan ist noch nicht gemacht. Es ist ein riskantes Vorhaben, denn man weiß nicht, wie es ausgehen wird. Aber es geht nicht anders. Ich baue ein Haus und weiß nicht, wie es einmal werden soll. Das Fundament ist wichtig und deswegen arbeite ich daran. Es ist hart, kostet Mühe und Geduld. Geld spielt keine Rolle, es ist nicht wichtig, denn es ist reichlich vorhanden – denke ich. Das Haus nimmt Gestalt an. Ganz plötzlich wird mir das bewußt. Moment! Jetzt muss ich nachdenken. Der Augenblick ist gekommen, an dem nicht mehr alle Möglichkeiten offen stehen. Ich brauche Zeit und den Rat von anderen Menschen, aber ich will diesen nicht annehmen. Es ist doch mein Haus! Ich möchte darin wohnen und mich wohl fühlen. Niemand darf mir hineinreden! Vielleicht kann ich später ja noch umbauen. Kann man ja machen, aber wo bleiben die atemberaubenden Ideen von dem einzigartigen Haus, wenn ich schon an Umbau denke?
Keine Zeit. Es geht weiter. Sie rast vorüber und ich muss mich beeilen. Alle Zeit der Welt habe ich nicht und es steht noch viel an, was erledigt werden soll. Am Anfang kann man sich gar nicht vorstellen, dass so viele Dinge zu tun sind. Das Schlimme dabei ist, dass die Enttäuschungen nicht ausbleiben. Es geht nicht so voran, der Bau, manchmal sind die falschen Leute da. Das Chaos bricht auch, aber auch dieses kommt irgendwann zum Stillstand und es kann weiter gehen.
Ich begegne jemandem, der mir sehr wichtig ist. Das Haus nimmt nun deutliche Konturen an. Man kann erkennen, wo die Fenster und Türen hin kommen sollen. Der Garten ist umzäunt. Jeder der vorbei geht, bemerkt, das hier viel Liebe mit im Spiel ist.
Die Zeit verstreicht. Man weiß, wie die einzelnen Räume aussehen sollen, oder besser, man weiß, wie es am schönsten wäre. Doch der Weg dorthin ist oft schwer. Je mehr das Haus beginnt aufzublühen, desto lebendiger wird es. Ein Rückschlag ist nicht mehr so verheerend wie zu Beginn, denn man weiß schon, was man hat. Mit jedem Teil des Hauses wächst die Zufriedenheit.
Aber eines ist mir immer bewußt. Wenn mein Haus ganz fertig ist, beginnt schon irgendwo, an einer kleinen Stelle, der Verfall. Ich dränge die Gedanken immer wieder bei Seite. Doch irgendwann kommt der Zeitpunkt an dem ich es nicht mehr übersehen kann. Das ist schlimm, aber ich habe es immer gewußt. Schon an dem Tag, an der mir bewußt wurde, das ich ein Haus bauen werde.
Ein Haus? Mein Haus. – Mein Haus, das Leben heißt.



Mai 2001



















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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.06.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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