Paul Rogowski

Frisch, natürlich und überhaupt am besten

Der Tag beginnt mit „Krönung light“, soviel Aroma! Nur halb soviel an Koffein... Ein gezielter Schlag, der Radiowecker ist aus und die Nacht vorbei. Wie kann man so früh am Morgen die Leute mit so was aus dem Schlaf reißen, fragt sich der Mensch, noch todmüde.

Licht an.

Er blickt auf die andere Seite des Bettes. Sie schläft noch. Ein entspanntes Lächeln spielte um die rote Schnupfennase. Wick Medinait denkt er.

Er angelte sich aus dem Kleiderstapel, der sich auf dem Stuhl vor dem Bett türmt, ein T-Shirt. NIKE steht in Riesenlettern drauf. Just do it! geht´s ihm durch den Kopf. Schon Recht, ich steh ja schon auf!

Er geht ins Bad.

Wo hat sie schon wieder meine Rasiercreme hingetan? murmelt er und wühlt sich durch den Schrank. Wella, Jade, Nivea, L ´Oréal, ELVITAL. Naomi Campell und Claudia Schiffer - ist ja okay, aber nicht gerade morgens um halb sieben. Dann das Rasieren: Die alte Klinge ist hin, eine neue muss her. Mach 3 passt nicht in den Halter, macht nichts. Muss er eben mit dem Wilkinsson Sword in den Kampf.

Unter der Dusche will die wilde Frische von Limonen die Novemberstimmung nicht so recht vertreiben, brennt eher in der Nase. Und erst diese giftgrüne Fructis-Flasche. Wer kann so früh am Morgen schon soviel fruchtige Frische vertragen? Welches Shampoo soll er nun nehmen? Das, das mehr Volumen gibt, dies für den seidigen Glanz, eins für festeres und dickeres Haar? Oder vielleicht doch das für ganz normales? Gibt’s so was eigentlich noch?

Heute bloß nicht aus Versehen das Deo mit dem Axe-Effect nehmen, bei dem einem die Frauen in Scharen hinterher rennen, denkt er, immer noch nicht ganz wach.

Mehr oder weniger frischgewaschen geht er an den Kleiderschrank. Aprilfrische schlägt ihm entgegen. Die Hemden sind ariel-weiß und den T-Shirts merkt man den Perwoll-Pflegebalsam an, aber dieser Caribbean breeze wäre aber nicht nötig.

Als er in der Küche die beste Bohne aus dem Schrank holen will, hat er den Griff der Schranktür in der Hand. IKEA. Entdecke die Möglichkeiten, seufzt er. Aber es gibt ja noch die guten alten Helfer; im Falle eines Falles klebt Uhu wirklich alles.

Kühlschrank auf. Fröhlich gackert ihm die Geflügelwurst von Gutfried entgegen und der Schwälbchen Yoghurt fliegt im um die Ohren. Alles Müller, oder was? Landliebe heißt die Milch und ein Kleeblatt wächst auf der Butter. Die Hühner auf der Eierkiste gucken so glücklich, dass man kaum glaubt, dass sie in dieser Jahreszeit den lieben langen Tag bei Regen und Schnee frei draußen herumlaufen. Er fühlt sich wie auf dem Land.

Kühlschrank zu. Dann doch lieber gebündelten Vollkornweizen mit köstlichem Topping.

Nach soviel Gesundheit immer noch nicht wach, folgt er den Empfehlungen der EG-Gesundheitsminister. Den Kopf in der Zeitung fingert er eine Zigarette aus der Packung und zündet sie an. Igiittt, Frische auch hier. Er hat wohl eine von den Malboro-Menthol erwischt, die sie neuerdings raucht. Die Cowboys sind auch nicht mehr das, was sie früher einmal waren. Und gegen den Husten hilft´s sowieso nicht.

S-Bahn-Station.

Eine Bahn fährt ein, schwarz-weiß, eine Zeitung für Deutschland auf Rädern. Dahínter muss wohl ein kluger Kopf stecken. Als sie losfährt, wird’s hinter ihr farbig; immer, siempre, toujours, zawasze, und, damit es auch jeder versteht, always Coca Cola; daneben der Nagellack für auffallende Farben und Veronas grüner Blupp.

Seine Bahn kommt. Sogar noch ein Platz frei. Vier Stationen. Er schaut aus dem Fenster. An einer Ampel steht Cuore Sportivo neben Freude am Fahren. Als es grün wird, zieht the art of performance vorbei; denn nichts ist unmöglich.

Aussteigen. Hundert Schritte durch den Regen.

Kaum sitzt er hinter seinem Schreibtisch, kommt der Chef rein. „Wir haben die Chance einen super Etat zu kriegen, die neue Kampagne für Volvic. Stilles Wasser, verstehst du? Muss deshalb was richtig Prickelndes werden, und mit viel Natur natürlich.“ Iss ja gut, iss ja gut.....

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Paul Rogowski).
Der Beitrag wurde von Paul Rogowski auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.06.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Paul Rogowski als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Auf den Schwingen der Poesie von Ilse Reese



70 Gedichte mit schwarz/Weiß Fotos eigener Gemälde

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Humor" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Paul Rogowski

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Einbrecher von Ingrid Drewing (Humor)
Weihnachtliche Vorboten von Norbert Wittke (Glossen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen