Annika Lorenz

Engelsaugen

oder
Grab No. 207

Mürrig schaute der Alte, als er das schmiedeeiserne Tor aufschloss, um Einlass zu gewähren.
Ein wenig abschätzig war sein Blick, der wandernd meine schwarze Kleidung beäugte und schliesslich an dem Pentagram um meinem Hals haften blieb.
Irgendetwas murmelte er, doch verstand ich seine Worte nicht, nahm nur die Bewegung seiner Lippen wahr, während düstere Musik sanft mein Ohr umspielte.
Er schien auch keine Antwort zu erwarten, denn schon drehte er sich, um gleich darauf hinter der nächsten Wegbiegung zu verschwinden.
Ein wenig krauste ich meine Stirn, wischte jedoch die Gedanken beiseite, die mich fragten, warum manch Leute angesichts schwarzer Gewänder und etwas anderem Schmuck einfach nicht freundlich sein konnten.
Kurz blieb ich stehen, und lies die wenigen Menschen, die verstorbene Freunde und Verwandte besuchen wollten, passieren.
Tief atmete ich die klare Luft ein.
Nun lag er also vor mir, der städtische Friedhof, gehüllt in die morgentlichen Sonnenstrahlen, umweht von einem frischem Wind.
Schon vor langer Zeit hatte ich mir vorgenommen, diesen geheimnissvoll wirkenden Ort zu erkunden.
Bewaffnet mit einem Photoapparat wollte ich die kleinen verträumten Nischen ablichten, die efeuumrankten Statuen und die alten Grabzäune, die sicher um so manch Gedenkstätte errichtet wurden.
Erwartungsvoll lief ich den Weg entlang.
Schon nach wenigen Metern wurde mein Hoffen gestillt.
Eine Skulptur, umringt von Rododendronbüschen, erregte meine Aufmerksamkeit.
Jene Frau, die dargestellt war, erklomm im fliesenden Gewand eine Säule, unter der die Namen der Verstorbenen festgehalten waren.
Entzückt hielt ich sie im Bilde fest, doch verweilte ich nur kurz, etwas zog mich weiter.
So lief ich die verzweigten Wege entlang und stiess auf mehrere, teils verlassene Gräber, deren detailreiche Statuen mich faszinierten.
Betende Frauen bekam ich zu Gesicht, die aus dem Stein heraus gemeistelt wurden, und doch mit ihm verschmolzen blieben, einen brunnenähnlichen Schrein, aus desen vier Säulen sich weinende Kinder bildeten, und Jesusskulptuern, die, die Arme weit geöffnet, jeden Trauernden mit tröstendem Gesicht empfingen.
Begeistert war ich und photographierte die Eine um die Andre, bis ich schliesslich einen neuen Film einlegen musste.
Knapp zwei Stunden hatte ich nun schon auf dem grünen Fleck im Herzen der Stadt zugebracht.
Unruhig schaute ich mich um, während ich den vollen Film in meiner Tasche verstaute.
Etwas zog an mir, ein inneres Gefühl, das mich noch nicht gehen lassen wollte.
So beschritt ich einen kleinen Pfad, der wohl seit geraumer Zeit nicht mehr genutzt worden war.
Zwischen niedrigen Büschen und kleineren Bäumen hindurch, gelangte ich schliesslich auf eine freie Fläche, auf der nur eine handvoll Gräber angelegt waren.
Inmitt einer Reihe einfacher Grabmale lehnte ein Engel, den Kopf ruhend auf seine Hände gelegt, auf einem Gedenkstein.
Scheinbar schlafend verweilte er bei den Überresten der Seele, die er einst schützen sollte, der er sich liebend angenommen hatte.
Bedächtig schritt ich auf ihn zu und betrachtete ihn still.
Die Schrift auf dem Stein war kaum noch lesbar. Keine Blumen lagen zu Gedenken am Fusse des Grabs. Efeu suchte sich den Weg empor, umschloss des Engels Beine.
Berühren wollte ich ihn, und sacht streckte ich ihm meine Hand entgegen.
Sanft strich ich über die steinernen Flügel.
Kalt war der Stein, glatt.
Seltsam berührt schloss ich die Augen und umfühlte vorsichtig seine Konturen.
Plötzlich zuckte etwas unter meinen Fingern.
Überrascht schaute ich hinab und sah einen kleinen Käfer davonkrabbeln.
Ich lächelte und zog schliesslich meine Kamera aus der Schutzhülle, ging ein paar Schritte zurück um ein Photo des Grabmals zu machen.
Langsam umschritt ich es, nach der richtigen Position suchend, schaute durch den Sucher und wollte abdrücken.
Doch was war das?
Hatte der Engel sich nicht gerade bewegt?
Ich schüttelte den Kopf, scholt mich, das dies ja nicht möglich sein konnte und hielt abermals den Apparat vor Augen, um das Geschöpf endlich abzulichten.
Eben betätigte ich den Auslöser, als ein Wind aufkam und sich einige Federn der Schwingen aufrichteten.
Wie gebannt betrachtete ich das kurze Schauspiel, senkte unbewusst die Kamera.
Fast erstarrt war ich, konnte den Blick nicht von der steinernen Figur wenden.
Ich kniff die Augen zusammen, versuchte eine Veränderung auszumachen. Und tatsächlich, der Mund des Engels lächelte nun.
Ein Schauer kroch meinen Körper entlang, schaltete mein Denken aus.
Die Sonne brach durch das Wolkenband, das sie schon geraume Zeit verdeckt hatte, und tauchte das Geschehnis in ein grelles Licht, ummalte die Konturen der Gräber golden, blendete mich.
Die Efeuranken schienen sich zu bewegen und der Stoff, der den Engel stellenweise umschlungen hatte, glitt scheinbar zu Boden.
Mit nun leicht erhobenen Haupt, blinzelte er mir offenbar zu.
Panik ergriff mich.
Rückwärts stolperte ich den Weg entlang, noch nicht fähig den Blick zu lösen.
Schlisslich sties ich gegen Etwas.
Mit angstgeschnürter Kehle wand ich mich um und floh.

..und wieder stell ich hier die Frage...wahr oder Faslch...wer vermag es zu sagen *zwinker* ?Annika Lorenz, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Annika Lorenz).
Der Beitrag wurde von Annika Lorenz auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.06.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Annika Lorenz als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Infinity: Zeitgenössische, zärtliche Lyrik aus Wien - Hietzing von Heinrich Soucha



Mit dem Schreiben und Dichten, ist das so eine Sache.So war ich oft der Meinung, nur lyrisch Schreiben zu können, falls ich mich in einem annähernd, seelischen Gleichgewicht befände, erkannte aber bald die Unrichtigkeit dieser Hypothese.Wichtig allein, war der Mut des Eintauchens.Das Eins werden mit dem kollektiven Fluss des Ganzen. Meine Gedanken, zärtlich zu Papier gebrachten Gefühle,schöpfte ich stets aus diesem Fluss.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Unheimliche Geschichten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Annika Lorenz

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Zarte Bande von Annika Lorenz (Unheimliche Geschichten)
Gläserrücken von Katja Ruhland (Unheimliche Geschichten)
Zufall ? Vorbestimmung ? autobiographisch ! von Rüdiger Nazar (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen