Manfred Bieschke-Behm

Der Krimi kann warten



Meinen Frau Ilse liebt es stundenlang am Strand spazieren zu gehen. Sie spürt so gerne den feuchtkalten Sand, zwischen ihren Zehen. Wie ein kleines Kind freut sie sich, wenn Wellen ihre hochgekrempelten Hosenbeine erreichen. „Sieh nur wie sich das Blau meiner Hose dunkel färbt“, ruft sie voller entzücken. Dabei dreht sich Ilse im Kreis reißt die Arme in die Höhe und verschafft sich Aufmerksamkeit die mir peinlich ist.
Mir bereiten die langen Strandspaziergänge wenig Freude. Viel lieber würde ich in einem Strandkorb sitzen und einen spannenden Krimi lesen. Jeden Morgen hoffe ich, dass Ilse auf ihren Strandspaziergang verzichtet und jedes Mal hoffe ich vergebens.
Vor drei Tagen war die Ausgangssituation günstig. Es regnete. ‚Gut so’, dachte ich. Ich sah mich gedanklich auf der wind- und regengeschützten Veranda sitzen, im Krimi lesen, ein Glas Wein trinkend um endlich zu erfahren, wer der Mörder ist.
„Helmut bist du soweit?“, rief Ilse aus der Küche. Die Anfrage ließ nichts Gutes ahnen. „Was heißt, bist du soweit?“ erkundigte ich mich wohl wissend was folgen würde. „Wir werden uns doch von dem bisschen Regen nicht von unserem Strandspaziergang abhalten lassen – oder?“
‚Alles klar’ dachte ich leicht angesäuert und brabbelte ‚man kann es auch übertreiben’ in meinen Bart.
„Was hast du gesagt Helmut?“
„Nichts – ich habe nichts gesagt“, log ich um einer Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen.
„Los ziehe deine Gummistiefel und den Friesennerz an und dann hin zum Strand“.
Wie ein Dorftrottel gehorchte ich. Sehnsuchtsvoll schaute ich auf den Korbstuhl der verlassen auf der Veranda stand und darauf zu warten schien, dass ich mich in ihn hinein setze.
Ohne ein Wort zu wechseln kamen wir am Strand an. Ich vermutete das es Ilse war es gar nicht aufgefallen das wir auf dem Weg zum Strand kein Wort gewechselt hatten. Sie war in ihrem Element. Ich dachte: ‚Wasser von oben, Wasser von unter, und folgte ihr mit zwei Schritten Abstand. Erstaunlich viele Besucher taten das Selbe, wie wir. Ob alle freiwillig, oder wie ich, des lieben Friedens willens, am Strand entlang liefen sei dahin gestellt. 
Ilse hatte längst ihre Gummistiefel ausgezogen. Ihre Zehen spielten mit dem matschigen schweren Sand in dem sich eine kleine Muschel versteckt hatte und war dabei sich feuchtkalte Füße zu holen.
„Du holst dir eine saftige Erkältung wenn du dich so unvernünftig verhältst“, ermahnte ich meine Frau.
Ilse war uneinsichtig und entgegnete mir lächelnd: „Ich gehe davon aus, dass du mich nachher zu einem Friesentee einladen wirst.“
‚Wollte ich das?’ überlegte ich kurz. Während ich über ein ja oder nein nachdachte sah ich dass der Wind Ilses Haar als Spielplatz auserkoren hatte. Sie ließ es zu das ihre Haar ihr die Sicht versperrte und sah ein, das ein sich dagegen wehren keinen Sinn hatte. Eine ganze Weile sah ich dem Geschehen zu, dann näherte ich mich Ilse, strich ihr mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht und küsste sie zärtlich auf die freigelegte Stirn. „Besser als ein Krimi“, flüsterte ich und umschlag sie mit beiden Armen. Wie Jungverliebte sahen wir uns an und wussten, dass das ein Moment war, der nicht neu, aber viel zu selten vorkam. Wir lösten uns, nahmen uns bei der Hand und liefen, das Meer hinter uns lassend, in Richtung Strandbaude.
Nachdem der heiße, aromatische, leicht gesüßte Friesentee uns tüchtig durchgewärmt hatte, traten wir den Heimweg an. Überraschenderweise regnete es nicht mehr. Der Wind war weitergezogen, die Wolken waren auseinander gebrochen und die Sonne überstrahlte die Nordsee und das Festland soweit das Auge reichte.
„Gehen wir Morgen wieder an den Strand?“
„Na klar gehen wir Morgen wieder an den Strand. Der Krimi kann warten.“
 

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