Felicia Rüdig
Über den Islamwissenschaftler
Islamwissenschaftler beschäftigen sich mit der islamischen Kultur, die sich seit dem 7. Jahrhundert von der arabischen Halbinsel aus bis nach Afrika und Asien ausgebreitet hat und zeitweise auch den größten Teil von Spanien umfasste. Zur islamischen Kultur gehört zunächst natürlich die Religion des Islam, daneben aber auch Literatur, Wissenschaft, Kunst, Geschichte und Lebensformen der islamischen Welt - vonMarokko bis nach Indonesien.
Wenn Islamwissenschaftler als Kulturwissenschaftler tätig sind, analysieren sie das Schrifttum der klassischen islamischen Kultur, insbesondere den Koran. Außerdem befassen sie sich mit Gebieten wie dem islamischen Recht, der islamischen Theologie, der islamischen Mystik (Sufismus), der klassischen arabischen Literatur, der arabischen Sprachwissenschaft, Werken der arabischen Geschichtsschreibung und Geographie. Doch es gibt nicht nur die Klassiker. So gehören auch islamische Schriften der Gegenwart sowie moderne arabische Sprache und Literatur zu ihrem Betätigungsgebiet.
Während ihres Studiums haben Islamwissenschaftler nicht nur Arabisch, sondern auch noch eine zweite Islamsprache erlernt - zum Beispiel Türkisch oder Persisch. Für Islamwissenschaftler/innen gibt es wie für die meisten Geisteswissenschaftler kein studientypisches Berufsbild. Je nach Interesse und Spezialisierung arbeiten sie im Bereich Forschung und Lehre an Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten arbeiten, aber auch in Bildungswerken von Kirchen, Parteien oder Stiftungen, bei Entwicklungshilfeorganisationen, in Bibliotheken und Museen, im Journalismus, in der Erwachsenenbildung, im Tourismus, in der öffentlichen Kulturarbeit, in der Ausländerbetreuung bei kommunalen Verwaltungen, in der politischen Referentenarbeit, im diplomatischen Dienst, in supranationalen Kulturorganisationen, bei Verlagen oder auch in anderen Wirtschaftsunternehmen. Einige Islamwissenschaftler arbeiten auch beim Bundeskriminalamt (BKA) oder dem Bundesnachrichtendienst (BND).
Die Islamwissenschaft entwickelte s ich aus der orientalischen Philologie. Dafür gab es in Deutschland schon in den 1830er Jahren erste Lehrstühle an den Universitäten. Die Deutsche Morgenländische Gesellschaft 1845 war ein wichtiger Schritt zur Institutionalisierung des Studiums asiatischer, afrikanischer und ozeanischer Sprachen. Carl Heinrich Becker (1876 - 1933) übernahm 1908 den ersten Lehrstuhl für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients am Hamburger Kolonialinstitut. Die Islamwissenschaft entwickelte sich daraus als eigenständige wissenschaftliche Forschungsdisziplin. Sie beschränkte sich zunächst auf die klassischen Texte. Erst im Kaiserreich verlagerte sich das Interesse auch auf die Gegenwart - was auch der Rolle Deutschlands als Bündnispartner des Osmanischen Reiches im 1. Weltkrieg geschuldet war. Nach dem Krieg schlug das Pendel wieder zurück in Richtung Philologie. Durch den Ölboom und die iranische Revolution kam dann wieder der Schwenk in Richtung Modern.
Es ist schon interessant, was BerufeNet, die berufskundliche elektronische Datenbank der Bundesagentur für Arbeit - von dort stammen die hier aufgeführten Informationen - über den Beruf des Islamwissenschaftlers schreibt, nicht wahr?
Eine Frage habe ich mir allerdings schon gestellt, als ich den obigen Text gelesen habe. Es gibt ja nun viele verschiedene Religionen - Buddhismus, Hinduismus, Janaismus, Baha`i und was es sonst noch alles geben mag. Gibt es dafür auch wissenschaftliche Lehrstühle an Universitäten?
Nein, ich kenn´ die Antwort schon
Es gibt nur eine Religion
in der die Wissenschaft
ganz viel Wissen schaft
ich vergeß´ es nie
Islam heißt sie
doch um Buddha oder Baha`i
gibt `s nicht viel Geschrei
möcht´ man da was wissen
muß man weiße Flagge hissen
das ist gar nicht heiter
es geht so nicht weiter
wir müssen forschen, lehren
Wissen vermehren!
Die Universitäte Niederrhein mit Sitz in Mönchengladbach war in den vergangenen Jahren sehr rege. Dort wurden in den vergangenen Jahren mehrere neue Lehrstühle eingerichtet. Der erste beschäftigt sich mit Buddhismusforschung. Der zweite kümmert sich um Hinduismus-Forschung. Und der dritte bemüht sich um orientalische, südasiatische und fernöstliche Glaubensrichtungen.
Getreu dem Motto "Schwerter zu Flugscharen" wurden dazu Gebäude der britischen Besatzer in Hochschulgebäude umgewandet. Die örtliche Post wurde aufgewertet - schließlich müssen viele wissenschaftliche Unterlagen empfangen und verschickt werden. Der vorhandene Militärflughafen wurde so umgerüstet, daß man von dort auch Langstreckenflüge starben kann - die vielen Dienstreisen, Sie verstehen. Der Arbeitsmarkt für exotische Sprachen ist inzwischen leergefegt. "Turkologen, Arabisten und Sinologen, also Chinawissenschaftler, habe ich mir ja noch von anderen Universitäten ausleihen können. Aber wer kann schon Mongolisch, Vietnamesisch, Thailändisch oder Japanisch?" fragt Wolfram Erichsson-Urselfrau, Leiter des neugeschaffenen Fachbereichs für asiatisch-orientalische Religionen, zu dem die Lehrstühle gehören.
Das Auswärtige Amt lieferte unbürokratische Hilfe, wie er unter der Hand berichtet. Dort wird ja zielgerichtet Personal in den unterschiedlichsten Sprachen ausgebildet, um dann später in den jeweiligen Botschaften eingesetzt zu werden. Das Bundesaußenministerium stellt auch genügend Geld für den Ankauf von Büchern (im Original!, ihre Übersetzung, Veröffentlichung (dafür müssen ja erst einmal die Rechte eingekauft werden) sowie Vertrieb) zur Verfügung - "der Minister hat mir zugesagt, daß die Bücher über Auslandsvertretungen. Bundeszentrale für politische Bildung, deutsche Kulturinstitute im Ausland vertrieben werden. Er hat aber auch - zusammen mit anderen Wissenschaftsverlagen - den "Deutschen Verlag für wissenschaftliche Veröffentlichung" gegründet. So soll sichergestellt werden, daß die Bücher auch tatsächlich vertrieben werden. Nicht, daß womöglich jemand ein Thema als zu exotisch und speziell ablehnt."
Eine Sache gebe ich an dieser Stelle gerne zu: Ich habe nicht nachgeschlagen, wie der Arbeitsmarkt für Islam-Wissenschaftler aussieht. Wieviele Stundenten und fertig ausgebildete Islam-Wissenschaftler gibt es? An welchen Universitäten gibt es Studiermöglichkeiten? Wo und in welchem Umfang gibt es überhaupt Arbeitsplätze? Wer möchte, wird wahrscheinlich bei der Bundesagentur für Arbeit Datenmaterial finden.
Es bleiben aber Fragen. Solge es Probleme in und mit der islamischen Welt (z. B. mit dem Salafismus oder in Nordafrika / Arabien) gibt, sind die Islamwissenschaften immer noch modisch aktuell. Sobald dies aber aus dem öffentlichen Interesse verschwindet, wird auch das Interesse an der Islamwissenschaft verschwinden. Wie dann der Arbeitsmarkt aussehen wird, sei einmal dahingestellt.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.06.2016.
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