Henriette Toska

Die Schwankönigin Teil 2



 
Der König war gerade aufgewacht und brüllte nach Wein, als die Gesellschaft ins Schloss still und leise zurückkehrte. Er hatte gar nicht gemerkt, dass seine Gattin verschwunden war, und er schämte sich furchtbar.
Aber es half nichts, die Königin blieb verschwunden, nur der Schwan blieb noch ein paar Tage und dann erhob er sich in die Lüfte, flog eine Runde über dem Schloss und verschwand.
Mit dem Verschwinden seiner Gattin war beim König eine Wende eingetreten. Er hörte auf zu trinken und widmete sich wieder ganz seiner Arbeit, ja er arbeitete Tag und Nacht um nicht immer an seine Königin denken zu müssen. Erst jetzt bemerkte er, wie sehr sie ihm doch fehlte und verfluchte die Tage, die er mit Saufen und anderen Weibern zugebracht hatte. Nur es half nichts, die Königin blieb verschwunden.
Es wurde Frühling, die Aussaat begann, die Bäume blühten wieder und so überraschend wie er verschwunden war, war der Schwan wieder im Waldsee. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Botschaft, und alle kamen, um ihn anzusehen. Sie warfen Brotkrümchen in das Wasser und majestätisch schwamm der Schwan heran und ließ sich füttern. Alle waren froh und ausgelassen, denn das konnte ja nur ein gutes Zeichen sein. Alles wird wieder gut. Die schlimmen Jahre sind vorüber. Nur der junge Prinz stand am Wasser und dachte an seine Mutter. Er fühlte keine Angst um sie, doch sie fehlte ihm sehr. Der König hörte auch das Singen und Musizieren seiner Leute und feierte fröhlich mit. Der Schwan ließ sich bewundern, blieb aber immer so weit vom Ufer entfernt, dass ihm keiner zu nahe kommen konnte.
Es wurde spät, bis die letzten gegangen waren, nur der König saß noch auf der Bank, hörte das Rauschen der Wälder und dachte an seine Frau.
Plötzlich war ihm so, als ob er ihre Stimme hören würde. Er drehte sich um, es war aber niemand in der Nähe, nur der Schwan erhob sich in die Lüfte, und er hörte seine Frau rufen: „ Komm doch mit!“ Wie im Traum breitete der König die Arme aus, als wollte er seine Frau umschlingen, hob vom Boden ab und verwandelte sich in einen stolzen Schwan, der seiner Königin folgte.
Dem jungen Prinz, der alles aus einiger Entfernung beobachtet hatte, rannen die Tränen übers Gesicht und er dachte, warum nehmen die beiden mich nicht mit?
Bald besann er sich aber seiner Verpflichtung. Jetzt war er es, der das Königreich regieren musste und für sein Volk die Verantwortung hatte. Den Segen und den Schutz seiner Eltern hatte er, er hatte die Arbeitskraft seines Vaters und das Feingefühl seiner Mutter geerbt und wurde bald geachtet und geehrt.
Auf den Tag genau jedes Jahr zum Frühlingsbeginn kamen aber auch die beiden Schwäne wieder. Sie ließen sich im Waldsee nieder, es sah so aus, als machten sie Ferien von der weiten Reise.
Der inzwischen junge König wusste aber Bescheid. Sobald die Leute den Waldsee verlassen hatten konnte er mit seinen Eltern sprechen, ihnen über seine Sorgen und Probleme erzählen. Sie hörten ihm aufmerksam zu, gaben ihm den einen oder anderen Rat, und nach ein paar Tagen verließen sie wieder den Waldsee.
Es machte schon überall die Runde, wann die beiden Schwäne kommen würden, und auf der ganzen Welt wurden sie gesehen, immer zu zweit, nie in der Gruppe. Sie blieben für ein paar Tage auf den diversen Seen. Das geschah aber immer exakt und pünktlich an der gleichen Stelle, sodass die Menschen dieser Gegend schon Tage vorher ein Fest ausrichten konnten….und als Höhepunkt kamen die Schwäne. Es galt als gutes Omen und keiner hätte gewagt ihnen etwas zu Leide zu tun.
Auch der junge König wollte seine Eltern überraschen. Es war an der Zeit, dass er sich eine Königin erwählte. Er hatte sich auch schon in eine wunderschöne Prinzessin verliebt, und an dem Tag der Ankunft der Schwäne sollte die Hochzeit sein.
Alles wurde vorbereitet, es wurde gebacken und gekocht, geputzt und dekoriert und vor dem Schloss hatte der junge König einen großen Teich anlegen lassen. Es war alles so herrlich anzusehen, dass einem das Herz jubeln konnte. Wie auf einen Schiff wurden große Aussichtstürme gebaut und wer als erster die Schwäne sah, wurde reich belohnt.
Der Morgen graute, die Nebel hoben sich, und alle waren aus dem Häuschen. Die Aussichtstürme waren besetzt und es war noch nicht einmal zehn Uhr, da brüllte schon einer: „Sie kommen!“ Das war ein Geschrei und Gejohle, alle tanzten und freuten sich. Der junge König war besonders aufgeregt, würde seine Mutter die Überraschung annehmen?
Zuerst schien es, als würden beide stolz hin zum Waldsee fliegen, aber plötzlich hatte die Schwänin den Teich bemerkt und ließ sich, ganz untypisch für einen Schwan, ins Wasser plumpsen. Der Vaterschwan tat das gleiche, und es war kein Halten der Massen mehr, alles hüpfte in den Teich hin zu den Schwänen.
Nur, die waren verschwunden. Patschnass und um ein paar Jahre gealtert stand das Königspaar umringt von seinem Volk inmitten des Teiches.
Der Königssohn konnte sich nicht mehr halten vor Freude, einmal lachte er, einmal weinte er, er küsste seine Frau und seine Eltern. Keiner wusste eigentlich, was denn jetzt wirklich geschehen war. Egal, es war die schönste Hochzeit weit und breit, und noch nach Jahren erzählte man sich gerne davon.
Der junge König regierte weiter mit seiner Frau das Reich, das alte Königspaar zog in ein Haus am Waldsee, und viele kamen zu ihnen und ließen sich die Geschichten aus fernen Ländern erzählen aus der Zeit, als beide Schwäne waren.
So leben sie noch heute glücklich und zufrieden im Haus am See.  
 



 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.06.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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