Sven Eisenberger

Die Jagd nach Anerkennung

Stolz berichtete er, dass er von einem “Meister” seiner buddhistischen Glaubensgemeinschaft, der für ein kurzes Gastspiel in der Stadt weilte, für seine “klugen Fragen” gelobt worden sei. Welche Fragen das waren, verriet er nicht, wohlwissend, dass ich seiner tibetanischen Pfadfindergruppe, in der es vorgeblich darum geht, das Ego vollständig zu annihilieren, grundskeptisch gegenüberstand. Entweder hatte er aber auch rein gar nichts verstanden, oder es traf tatsächlich zu, was ich von jeher gedacht hatte: Der Buddhismus ist durchaus ehrenwert und sympathisch - das eigentliche Problem sind die Buddhisten!
Wie dem auch sein mochte, sein lückenhafter Selbstbericht passte jedenfalls wunderbar ins eingeschliffene Rollenskript von Meister und Adepten: Lobt der Meister die Zöglinge, sind diese glücklich, und jener findet sich in seiner Rolle als Meister bestätigt. Wie einfach dieses leicht durchschaubare, aber gut funktionierende Grundmuster in vielfältige Kommunikationssituationen transferierbar ist, zeigt sich zum Beispiel in sogenannten Talkrunden mit Politikern, die selbst die dämlichste Moderatorenfrage mit den einleitenden Worten prämiieren: “Das ist eine gute Frage!” "Gut", weil sie vermutlich bereits eine vorgestanzte Antwort darauf parat haben und Expertentum heucheln können.
Die Suchersucht nach den einfachen, ewigen Weisheiten, die viele weniger gefestigte Zeitgenossen ergriffen hat, scheint nichts weniger als ein Ausdruck einer kollektiven psychischen Erkrankung zu sein: das unstillbare Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung nährt das spirituelle Geschäftsmodell, das nach altbewährtem Muster verfährt: Gebt den Menschen, wonach sie verlangen, verpackt in fernöstliche Platitüden auf Teebeutelniveau, deren Inhalt ihnen, in einer freilich andereren Sprache, schon meine ostpreußische (von Westfalen aus ja auch irgendwie ´Fernost´) Großmutter gratis oder geringstenfalls für die freundliche Anerkennung ihrer bescheidenen Kochkünste hätte vermitteln können. Mir soll´s recht sein, wenn weiterhin üppige Beamtengehälter für einen vierwöchigen “Retreat” in irgendeiner intellektuellen Einöde am After der Welt überwiesen werden. Ja, das Leiden an dieser Welt wird in der westlichen Sinnsucherwüste wohl stets vorrangig nach finanzieller Liqudität zu bemessen sein.

Auf einer Lehrerkonferenz – ohnehin ein Forum, das eigentlich mündige und mit dem Auftrag der Erziehung zur Mündigkeit ausgestattete Erwachsene allzu leicht infantilisiert – meldete sich eine ansonsten sehr geschätzte Kollegin, den linken Arm mit der Rechten unterstützend, ungeduldig fingerschnipsend zu Wort. Offenbar war ihr jene leidig relevanzgeblähte Frage des Umgangs mit dem "Kulturkampf" zwischen Ultrareligiösen und Religionskritikern eine Herzensangelegenheit, und der anwesende Teil der Welt sollte ihre (leider sehr dürftige) Botschaft nun kaum erwarten können. Die Schulleiterin mag ein solches Meldeverhalten freudig zur Kenntnis genommen haben, signalisierte es doch gleichermaßen einen hohen Grad an Engagement wie an Servilität, welche aus ihrer Perspektive wiederum als besondere Form der Anerkennung der von ihr beanspruchten Führungsrolle interpretiert werden konnte. Ich jedoch fühlte mich um 40 Jahre zurückversetzt in die fernen Tage meiner eigenen Schulzeit, als übereifrige und fatal häufig zum inhaltsleeren Schwatzen neigende Mitschüler eben jene nervtötende Meldeperformanz an den dunklen Tag legten: "Nimm mich, ich weiß die richtige Antwort!" Jenen Exemplaren ungehemmter Mitteilungssucht war sowohl die Verachtung seitens der coolen Nihilisten-Fraktion als auch der elitären Stoffbeherrschungscrew stets sicher. Bereits pubertierende Jugendliche hatten damals ein untrügliches Gespür dafür, dass man gewisse Dinge eben einfach nicht tut und man als Schüler einen großen Handlungsspielraum vorfinden konnte, um Akzeptanz zu erlangen, solange man sich nicht der unter keinen Umständen erlaubten Selbsterniedrigung hingab.
Wie es aussieht, sitzen doch etliche, mitllerweile ausgewachsene Menschen im Stadium der Verpuppung fest – schade, sie werden niemals fliegen können, dabei könnten wir noch so viele schöner Schmetterlinge gebrauchen!

Auf einer dieser mit zunehmendem Alter stets langweiliger werdenden Geburtstagsparties durfte ich einmal einen unwesentlich jüngeren Mann erleben, der die hübscheren unter den anwesenden Gästinnen nacheinander in dank seiner überlauten Stimme nicht zu ignorierende Einzelgespräche zu verwickeln versuchte, indem er beständig zum Besten gab, was er von einer Frau erwarte und wie wichtig es doch sei zu sagen, was man wolle. Es hatte den Anschein, als sei er gerade aus einer langjährigen Beziehung herauskatalputiert worden, um nun die ihm weiblicherseits vorgehaltenen Defizite auf keinen Fall erneut zu offenbaren und zu beweisen, dass er etwas gelernt hatte. Es lässt sich nicht behaupten, dass er trotz seines sehr passablen Aussehens größeren Erfolg hatte mit seiner Gesprächstaktik. Bestimmt hatte seine Ex-Freundin vergessen, ihrer Mängelliste den Hinweis hinzuzufügen, dass solcherlei Konversationsführung von vielen Frauen nur als aufdringlich betrachtet wird. Ein mitleidiges Lächeln wäre sicher angebracht gewesen, doch ich muss gestehen, dass der Mensch mir ernsthaft leid tat, denn es war nicht nur offenkundig abwegig, ihm böse Absicht in seiner Handlungsweise zu unterstellen, sondern ebenso wäre es geradezu niederträchtig gewesen, nicht bedauernd Anteil zu nehmen an jener hilflosen Form des Strampelns nach Anerkennung für den vollzogenen Wandel vom defensiven Beziehungsbequemling zum vermeintlich selbstbewussten und doch als sensibel gelten wollenden Fraueneroberer. “Seht her, ich habe aus meinen Fehlern gelernt!” Hätte er mehr getrunken, wäre ich vielleicht noch auf ihn zugegangen und hätte ihm mitgeteilt, dass es völlig ok sei, sich so zu geben wie man eben ist und dazu auch mit männlichem Stolz zu stehen. Alles andere mache auf Dauer keinen Sinn, und schließlich habe ihn seine nunmehr Verflossene ja einst genau dafür geliebt. Sich in der Weise zu verändern, wie andere Menschen einen gerne hätten, ist nichts weniger als Kapitulation auf dem rauchigen Felde der Selbstbehauptung. Gelungene und notwendige Selbstveränderung vollzieht sich aus innerer Einsicht, nicht aus äußerlicher Anpassung, du armer Tropf!

Drei Fälle aus einer Vielzahl von Beispielen, die jeder schon erlebt oder gar selbst produziert hat. Der reflektierte Leser wird sich nun bestimmt fragen, ob das Veröffentlichen solcher Texte nicht ebenfalls von einem unausgesprochenen Streben nach Anerkennung zeugt. Eine ehrliche Antwort kann nur lauten: Ja, denn wohl nur sehr wenige Autoren schreiben ausschließlich für sich selbst oder einen erlesenen Kreis von Schreibgefährten beiderlei Geschlechts. Zu prüfen, ob die eigenen Texte eine Wirkung im öffentlichen Raum erzeugen und eine Kommunikation herzustellen, ist sicher eine Antriebsfeder. Nach Anerkennung zu suchen und diese Anderen auch aussprechen zu können ist schließlich Teil unserer sozialen Welt, und wer daran etwas auszusetzen hat, hat sich entweder soeben in ein Kloster verabschiedet oder ist ein unverbesserlicher Sozialneider und nörglerischer Querulant. Die vielleicht entscheidende Frage, weil einzig diese darüber entscheidet, ob ein Anerkennungssucher die Schwelle zur Peinlichkeit und Selbstaufgabe überschreitet, ist aber die der Balance und der Selbstachtung. Die zu finden und stets zu wahren, ist zugegebenermaßen nicht leicht, aber sicher lohnend, verschwenden wir doch so viel Lebenszzeit auf weniger noble Angelegenheiten.

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.07.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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