Christina Gerlach-Schweitzer

Schatzi muss zum Tierarzt

                                                                                                                                                                               Dies ist eine rein fiktive Geschichte Sie                .                                                                                                                                             bezieht sich nicht  auf ein reales                                                                                                                                                   Geschehen. Ähnlichkeiten wären rein zufällig
 
 
    
Hier wohnen Fred, Monja, Ole und Sofia Neuhaus stand auf dem  farbigen Türschild. Darunter war ein Fachwerkaus abgebildet, Kühe, ein Hund und ein paar Kaninchen, die auf einer Wiese herumtollten. Im  Wohnzimmer dieser Familie hatte Goldi ihren Stall.  Der Stall war eigentlich ein  richtig großes Haus mit eigenem Toilettenzimmer und darum herum war ein  hübscher kleiner  Lattenzaun, so dass sie sich auf  vier Quadratmetern gut  bewegen konnte. Wenn  das Tor im Zaun und die große Glastür nach draußen  geöffnet waren, konnte sie sogar vom Wohnzimmer auf die große Terrasse hoppeln.  Sie war ein sehr großes  Kaninchen, ein deutscher Riese, über  acht Kilogramm schwer,  mit riesigen Ohren, geduldig und verfressen mit  einem  fast goldfarbenen, ganz  weichen Fell.
  Nur ein einziges Mal  in ihrem Leben hatte sie  den damals siebenjährigen  Ole mit den Vorderpfoten  gekratzt, weil der sie unablässig geärgert hatte. Blitzschnell war das gegangen und sie hatte  dabei  geknurrt. Sie hatte sich selbst so über sich sich erschrocken,  dass sie  anschließend zwei Tage nicht mehr aus ihrem Häuschen gekommen war, denn eigentlich war sie ja ein wirklich sanftmütiges Wesen. Ole hatte sich zuerst auch sehr erschrocken, hatte dann aber darüber gelacht und versucht sie  aus ihrem Haus zu locken. Aber sie wollte nicht. Seit ihr Partner gestorben war, lebte sie allein. Die Familie suchte noch  nach einem passenden Kaninchen, damit Goldi  bald  wieder Gesellschaft hätte und hatte Kontakt mit dem Tierheim aufgenommen. Goldi war  ihr richtiger Name, aber alle aus der Familie nannten sie nur Schatzi.

 Eines Abends verkündete  die Mutter, dass Schatzi  zum Tierarzt  muss.  Beide Augen waren entzündet und es lag Eiter auf den Lidspalten. Die Augenlieder waren dick geschwollen. Sie saß teilnahmslos im Stall,blinzelte und ließ den Kopf hängen. Vielleicht hatte sie sich  beim Putzen mit den Vorderpfoten Dreck in die Augen gewischt? Alle kamen und trösteten das  leidende Kaninchen  mit den sonst so großen, runden dunklen Kulleraugen. Sie wurde gestreichelt, bedauert, sie bekam Äpfelchen und  sogar Mändelchen. Sofia sang ihr alle Lieder vor, die sie kannte und sie kannte viele.    “ Weißt Du wieviel Sternlein stehen, ist Schatzis Lieblingslied“, verkündete sie der Familie selbstsicher. Gleich am nächsten Morgen wurde ein Termin bei der Tierärztin  vereinbart. Zu dritt brachten sie Schatzi  in die Praxis. Sie bekam Augensalbe und nach drei Tagen war vom Eiter nichts mehr zu sehen. Es kehrte wieder Ruhe in die Familie ein.

An den gleichen Tagen wurden anderswo in den Tierversuchslaboren tausende von Kaninchen dem Draize- Test unterzogen. Die Köpfe wurden stunden- und tage-lang in eine Art Pranger eingeklemmt. Die Tiere waren kaum fähig sich irgendwie zu bewegen. Menschen tropften ihnen giftige und ätzende Substanzen in die Augen. Sie zuckten zurück, sträubten sich und strampelten mit den Beinen hinter dem Klemmbrett mit dem sie fixiert waren, aber es half nichts, sie mussten die Schmerzen  hilflos erdulden, unfähig  sich die Substanzen selbst  aus den Augen wischen. Die entstehenden Rötungen, Schwellungen und Entzündungen der ihrer Augen  wurden tagelang protokolliert. Die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse  auf den Menschen ist  zwar sehr unzuverlässig, aber wir haben uns an den Draize Test gewöhnt- nein, wie sagt man, er hat sich bewährt. Der Öffentlichkeit zeigt man ihn nicht so gerne, denn die meisten Menschen fühlen  empathisch mit den Tieren und würden sich sonst   aufregen. Deshalb versteckt man die wunderschönen  Kaninchen, weiß wie Einhörner, hinter den verschlossenen Toren der Versuchslabore. Ein hochdotierter Tierarzt und Gutachter für tierexperimentelle  Fragen  versuchte vor dreißig Jahren der Öffentlichkeit und seinen Kollegen  zu vermitteln, dass  Labortiere, die in den Laboren gezüchtet werden nichts vermissen, weil sie nichts anderes kennen. Solche Tierärzte können wir nicht mehr gebrauchen für die Schatzis der Labore. Nein, eigentlich können wir keinem Tier zumuten sein Leben in einem Labor zu leben. Es ist Unrecht was  Kaninchen und Meerschweinchen , Mäusen, Ratten, Fischen,  Vögeln,  Hunden , Affen, Katzen und anderen Lebewesen dort angetan wird. Sie leiden. Aber  zwischen 1997 bis 2012  hat  sich die Anzahl der Tierversuche mehr als verdoppelt.

Schatzi  starb  im Oktober 2014. Gerade hatte das  örtliche Tierheim der Familie Neuhaus  ein weißes Kaninchen angeboten, ein ehemaliges Versuchskaninchen.  Ein Ehrenamtlicher hatte den Transport des Tieres vom  Max-Delbrück-Zentrum aus Berlin übernommen. Er war ein netter Kerl, er fuhr öfter für das Tierheim.
Schatzi hat  ein schönes Grab mit einem kleinen Grabstein bekommen.  

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