Corinna König

Josie - Mein Leben und ich TEIL 4

Zuhause angekommen, lässt mich die Aktion im Keller noch immer nicht los. Ich packe also geistesabwesend irgendwelche Badesachen ein, als Linda in mein Zimmer gerannt kommt, um meine Meinung zu ihren zwei neuen Bikinis zu hören. Dass ich mich dabei – heute ja schon zum zweiten Mal – fast zu Tode erschrecke, kümmert sie dabei scheinbar wenig: „Sag mal: Welchen findest du besser? Den mit den Nieten oder den mit den Blümchen?“ „Was? Oh, ich weiß nicht! Ähm… die Blümchen!“ „Echt?! Okay, dann nehm ich den!“ Sie dreht sich um und da klingelt es auch schon an der Tür. „Das wird wohl Dave sein! Ich mach schon auf!“ Natürlich hatten wir nicht damit gerechnet, dass Dave nicht mal 20 Minuten braucht, bis er vor der Tür steht und eilen wie zwei Verrückte durch die Wohnung. „Wir habens gleich! Wir habens gleich!“ Er muss lachen und meint, er würde unten im Auto warten. Als wir total abgehetzt unten ankommen, bemerke ich, dass Ben noch gar nicht da ist! „Ben fehlt ja noch! Na dann hätten wir uns ja gar nicht so hetzen müssen!“, stelle ich altklug, mit dem Finger in der Luft fest. „Naja, wir haben ja ausgemacht, dass ich zuerst euch und dann ihn abhole. Er wollte doch noch duschen, weißt du nicht mehr?!“ „Ach ja stimmt…“, seufze ich. Und nochmal schweifen meine Gedanken ab. Ben… Unter der Dusche… Das heiße Wasser prasselt auf seinen Körper… Er seift sich langsam ein… Tropfen für Tropfen läuft über seine Brust nach unten über seinen Bauch bis hin zu… „JOOOSIIIEE!!!“, mault Linda mich ungeduldig an. „Na los, steig ein jetzt!“


Auf dem Weg zu Bens Wohnung werde ich zunehmend neugieriger, wie sie wohl eingerichtet ist. Er öffnet uns also die Tür und seine Wohnung ist… klein! Und etwas sanierungsbedürftig! „Wow, du hast es hier ja echt… gemütlich… richtig urig!“, versuche ich gequält grinsend, die Wohnung schönzureden. „Also ich finds ehrlich gesagt ne ziemliche Bruchbude!“, posaunt Linda ohne nachzudenken raus. „LINDA!! Halt doch die Klappe! Das kannst du doch nicht sagen!“, kloppe ich ihr auf dem Hirn rum, während Dave sich schlapp lacht. „Ja, ich weiß schon, hier ist noch Einiges zu machen! Aber die Wohnung gehört meinem Opa und bisher hab ich einfach meine ganze Zeit in die Bar gesteckt. Seht euch am besten nicht zu genau um. Ich bin sowieso schon fertig. Wir können los.“, drängelt Ben uns zur Tür. Wir wollen gerade gehen, da sehe ich in der Ecke etwas gegen die Wand lehnen: „Du hast ne Gitarre? Kannst du denn auch spielen?“, will ich wissen. „Wooow, die ist ja toll.“, gibt Linda auch noch ihren Senf dazu – ob sie damit nicht nur ihr schlechtes Gewissen wegen der >Bruchbude< besänftigen will, sei dahingestellt. Mir scheint, als hätte ich da ein heikles Thema angesprochen. Ben und Dave starren nämlich unruhig zuckend auf den Boden und stottern herum. „Naja, also weißt du, ich konnte mal spielen… aber… das ist schon Ewigkeiten her! Ich konnte mich nur nicht von ihr trennen! Von der Gitarre!“ „Ja das stimmt. Ben spielt richtig gut! Aber… das ist schon ewig her!“ Es herrscht ein paar Sekunden betretenes Schweigen, ehe Dave uns auffordert, uns auf den Weg zu machen! Linda ist die Situation auch aufgefallen, was ich daran erkenne, dass sie mir einen entsprechenden Blick zuwirft.


Kaum sitzen wir im Auto, kann Linda ihre Neugier nicht mehr verbergen und fragt nach: „Wieso spielst du denn nicht mehr Gitarre, Ben?“ Ben starrt aus dem Fenster, er atmet schwer. Gerade als ich das Gefühl habe, dass er antworten will, grätscht Dave dazwischen: „Weißt du Linda, ich spiele Schlagzeug!“ „Aaach Quatsch!!“, zappelt Linda mit herzförmigen Augen auf dem Rücksitz rum. „Boah ich steh doch total auf Schlagzeuger!“, flüstert sie mir zu – etwas sehr laut! „Naja, also eigentlich sind wir beide allgemein ziemlich musikalisch, wisst ihr!“ Linda traut ihren Ohren nicht: „Eeecht?! Was könnt ihr denn noch alles??“ „Naja also ich spiele Schlagzeug, Gitarre und Bassgitarre und Ben spielt Gitarre, Klavier und hat auch ne ziemlich gute Stimm…“ „Da sind wir ja schon! Auf geht’s oder?“, fällt Ben ihm ins Wort. Erneut schweigen wir vier uns an. Langsam aber sicher werde ich auch immer neugieriger, was es wohl mit der Gitarre und der Musik auf sich hat. Doch bevor Ben noch sauer wird, lass ich es lieber auf sich beruhen. Ich werds schon irgendwann erfahren.


Am See angekommen packen die Jungs erstmal ihren mitgebrachten Sixpack Bier aus. Linda und ich breiten derweil die Decke aus und schlüpfen zögerlich aus unseren Shirts. Die Jungs geifern natürlich um die Wette. Ben und Dave beschließen, gleich ins Wasser zu springen, während Linda und ich uns lieber erstmal in die Sonne legen. Als Ben sein Shirt auszieht, entdecke ich ein Tattoo seitlich an seinen Rippen. Von mir selbst unbemerkt starre ich ununterbrochen darauf, ehe Linda mich dabei stört: „Boah, hast du gesehen, wie trainiert Dave ist?! Mmmmh… ich mag sowas ja so gerne!“, schwärmt sie von Daves Muckies. Kurze Zeit später kommen die Jungs zurück – dass Dave Linda nass spritzt, war natürlich klar. Man spürt förmlich die Funken fliegen, wenn die zwei sich anschauen. Und noch etwas spüre ich: Bens Blicke! Schon die ganze Zeit grinst er mich so dämlich an. Anfangs versuche ich, sie nach Möglichkeit zu ignorieren, doch nach einer gefühlten Ewigkeit kann ich nicht mehr an mich halten und blöke ihn an: „Was guggst du denn so?!“ „Ich gugg doch gar nicht!“ „Doooch! Und du lachst! Ist irgendwas?! Hab ich was im Gesicht?!“ „Nein!! Nicht im Gesicht!“ „Hä?!“ „Naja, du… ach is ja auch egal!“, winkt er – immer noch dreckig grinsend – ab. „Jetz sag schon!“ „Willst… willst du das wirklich hören?!“ „Spucks aus!!“ „Du hast ja richtig Möpse! Die sieht man in deinen Klamotten sonst gar nicht so!“ Hätte ich mal lieber die Klappe gehalten. Mit der Antwort konnte ich ja nun wirklich nicht rechnen! Ben fängt lauthals zu lachen an! Dave schämt sich für Ben in Grund und Boden! Tja und meine beste Freundin? Meine beste Freundin, die ich seit dem Kindergarten kenne und für die ich immer da bin? – Sie muss sich den Bauch halten vor lachen! Danke an dieser Stelle! „Du bist ein richtiger Arsch! Weißt du das?!“, boxe ich Ben mit hochrotem Kopf. „Au aaau! Hey! Ich sag doch nur die Wahrheit!!“


Nachdem Linda und Ben sich die Tränen aus den Augen gewischt haben und ich wieder eine einigermaßen normale Gesichtsfarbe angenommen hab, fragt Linda – vermutlich zur Ablenkung -, ob wir nicht Volleyball spielen wollen. „Aaach neee! Das kann ich nicht! Und ich mags auch nicht unbedingt!“, winke ich ab. Dass die Jungs hellauf begeistert sind, ändert an meiner Meinung auch nichts. Doch als Ben mich auch noch anstichelt und meint, ich wäre eine „Spaßbremse“, ist es genug der Nettigkeiten! „Pff, dich mach ich noch lange fertig!“, stehe ich siegessicher auf! „Los, Mädels gegen Jungs!“, fordert Dave uns auf. Einige Male geht die ganze Sache auch gut, wir machen sogar einen Punkt. Langsam macht es richtig an, Spaß zu machen – bis ich Aufschlag habe. Ich werfe den Ball also in die Luft, strecke den Arm nach oben aus, springe auch hoch, knalle den Ball ins gegnerische Feld, wo er – unbeabsichtigter Weise – genau in Bens Schritt landet. Brüllend wie ein angeschossener Bär geht er zu Boden, sein Gesicht ist schmerzverzerrt, seine Augen fallen halbwegs aus ihren Höhlen. Linda hält sich die Hand vors Gesicht: „Oh Gott!“ Dave zuckt bei dem Anblick zusammen. Ich starre Ben an, der sich auf dem heißen Sand windet und bekomme nicht mehr als ein „Ups!“ raus. Doch nach dem ersten Schock-Moment gehört der nächste Lacher mir. Dave, Linda und ich kringeln uns vor Lachen, was Ben leider gar nicht so witzig findet. „Hahahaha, ich hab doch gesagt, dass ich dich noch lange fertig mache!“, beuge ich mich lachend über ihn. Er versucht langsam und sachte aufzustehen. „Tja, das war wohl die Retourkutsche für deinen doofen Spruch vorhin!“, ergänzt Linda. Als ich jedoch sehe, dass er wirklich etwas… naja breitbeinig zur Decke zurückhinkt, meldet sich doch irgendwo ganz tief in mir ein schlechtes Gewissen und ich schlage vor, für jeden ein Eis zu holen. Als ich damit wieder zurück bin, zwinkere ich Ben zu, setze mich neben ihn, reiche ihm sein Eis und schmunzle: „Hier, geht auf mich! Kleine Entschuldigung für den K.O.-Schlag!“ Er nimmt natürlich dankend an.


Kurze Zeit später – Linda und ich waren ewig in unsere Frauenzeitschriften vertieft – fällt mir auf, dass Ben scheinbar neben mir eingeschlafen ist. Er liegt auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Zeit, mir den Typen mal etwas genauer anzuschauen: Also so stark trainiert wie Dave ist er nicht, aber das mag ich. Er ist gebräunt, das mag ich. Er ist nicht sehr stark behaart, das mag ich. Er ist… - meine Augen schweifen etwas nach unten – tätowiert, das mag ich! Aber was… was ist denn das, was da auf seinen Rippen prangt?! Ich versuche unbemerkt, über meine Sonnenbrille zu schauen. Dass ich dabei den Kopf merkwürdig verdrehe, fällt mir indessen gar nicht auf. Ich kann ein S erkennen und ganz viele Schnörkel und ein C und… Ich verdrehe den Kopf weiter und weiter! Ich bin so vertieft in mein Vorhaben, rauszufinden, was das denn nun heißt, dass ich gar nicht wirklich mitbekomme, dass mein Finger gefährlich nahe an das Tattoo gerät. Und im nächsten Moment ist es schon so weit: Mein Zeigefinger lehnt an Bens Tattoo! Er wird ruckartig wach, starrt mich an, als wär ich eine Bekloppte – womit er gerade auch Recht hat – und fragt: „Was machst du denn da?“ In Windeseile haue ich ihm volle Möhre mit der flachen Hand auf die Rippen! „AUAA!! Sag mal spinnst du? Du hast mich doch heute schon genug demoliert!“ „Äh… da war ne Mücke!!“, versuche ich mit Händen und Füßen zu erklären! „Ne Mücke?!“ „Ja! Ne Stechmücke!“ Er schaut mich ungläubig an. Ich piekse also Linda in die Rippen, die immer noch in Ihrer Zeitschrift blättert. „Du hast sie doch auch gesehen, Linda! Stimmts?“ „Was?!“ Als sie meinen Blick sieht, weiß sie sofort, was zu tun ist! „Oh ja stimmt! Die war RIESIG!“ Natürlich blickt Ben, dass wir nur Schwachsinn reden, doch Gott sei Dank fragt er nicht weiter nach. Was mich betrifft, macht Not nämlich wirklich alles andere als erfinderisch! ;)


Als Dave zuerst Ben bei sich in der Wohnung absetzt und mit uns beiden weiterfährt, schneidet Linda nochmal das Thema mit Bens Wohnung an. „Sag mal Dave, wieso haust Ben denn so?! Das denkt man gar nicht von ihm!“ Er erzählt uns mit gedeckter Stimme, dass Ben die Wohnung von seinem Opa bekommen hat, zu dem er ein wahnsinnig inniges Verhältnis hat. „Sein Opa ist ziemlich krank geworden. Man dachte, man müsste die Wohnung verkaufen, weil er sich selbst nicht mehr darum kümmern konnte. Er hat vor einigen Jahrzehnten in dieser Wohnung gelebt. Doch die letzten Jahre war er nur hin wieder hier. Er liebt diese Wohnung und wollte sie nicht an jemand fremdes verkaufen. Also hat Ben gesagt, dass er sie nehmen würde. Das hat natürlich gepasst, weil gerade zu dem Zeitpunkt die Pläne mit unserer Bar konkret wurden.“ „Wie geht es seinem Opa denn jetzt?“, will ich wissen. „Es geht ihm schon wieder besser, aber so lange Reisen sind einfach nichts mehr für ihn.“ Verständnisvoll nickend fragt Linda nach: „Aber wieso hat er sich die Wohnung denn nicht ein bisschen hergerichtet oder zumindest gestrichen!“ „Stimmt! Die Küche ist ja noch relativ neu!“ „Ja, die Wohnung wurde erst vor ein paar Jahren etwas renoviert, da gabs ne neue Küche und ein neues Badezimmer. Aber Ben verbringt die meiste Zeit in der Bar und wenn er mal frei hat, fährt er meistens zu seinem Opa, wenn der nicht gerade irgendwelche Arzttermine hat.“ „Achsooo…“, tönen Linda und ich im Chor.


Kurzerhand beschließen wir also, dass wir einfach still und heimlich die Wohnung etwas aufpeppen! „Was hältst du davon, Dave?“, rüttelt Linda am Fahrersitz. „Naja, eigentlich ne gute Idee!“ „Naja also nur streichen, ein paar Teppiche und Vorhänge kaufen. Vielleicht neue Lampen, ein paar Pflänzchen – von mir aus auch unechte!“, schlage ich vor. „Ja stimmt, unsere sind ja auch fast alle unecht!“, muss Linda lachen. „Also gut! Dann arrangiere ich das so, dass Ben seine Schicht in der Bar tauschen muss und wir drei treffen uns dann die Tage bei ihm. Ihr besorgt die Pflanzen, Teppiche und Vorhänge, ich besorge die Farbe, Leitern, Pinsel und das ganze Zeug!“ „Alles klar!“, freuen wir uns. Da habe ich untypischerweise einen Geistesblitz: „Aber wie willst du denn den Schlüssel besorgen, dass wir überhaupt reinkommen?!“ „Naja, ich hab Bens Zweitschlüssel. Den hat er mir gegeben, als er eingezogen ist!“ „Aaaah… so ist das!“, erwidern Linda und ich nickend.


Einige Tage später landen Linda und ich nach der Arbeit tatsächlich im Baumarkt. Ein paar Deko-Artikel fürs Bad, ein paar unechte Pflanzen und zwei runter gesetzte Teppiche in den Einkaufswagen geworfen erspähen wir noch Vorhänge: „Oooh, schau mal Linda: Die sind auch runter gesetzt! Und die passen farblich so toll zu dem kleineren Teppich.“ „Ja stimmt! Dann hätten wir ja genug für Bens Wohnzimmer! Können wir dann zur Kasse? Ich hab Hunger!“ „Nein, ich dachte eigentlich den größeren dunkelgrauen Teppich ins Wohnzimmer und den kleinen beigefarbenen Teppich zusammen mit den bräunlichen Vorhängen ins Schlafzimmer. Mit den paar goldenen Streifen da drin, wacht man bestimmt gerne auf, wenn die Sonne da durchscheint!“, gerate ich ins Träumen, was nur zu Lindas Belustigung beiträgt: „Tzzz… ich glaube, du würdest auch ganz ohne Vorhänge gern mal dort aufwachen, was?!“ „Ach, jetzt spinn nicht rum! Los gehen wir, ich dachte du hast Hunger!“ „Jaaa, Hunger!“, springt sie wie eine Fünfjährige um den Einkaufswagen.


Am darauffolgenden Wochenende verabreden wir uns also mit Dave vor Bens Wohnung. Er lässt uns einige Minuten warten, und somit auch zittern, ob auch wirklich alles geklappt hat. „Hey, da bist du ja! Wir hatten schon Sorge, dass aus der ganzen Sache nichts wird.“ „Hey Mädels! Nein, nein, alles gut gelaufen! Ben muss bis Ende arbeiten und fährt dann anschließend direkt zu seinem Opa, also haben wir bis morgen Abend sturmfrei!“ „Das ist ja klasse!“, freut sich Linda. Ich hingegen erkundige mich vorbildlicher Weise gleich nach seinem Opa: „Geht es Bens Opa wohl nicht gut? Ich meine, weil er nachts noch zu ihm fährt.“ „Nein, das macht er öfter mal! Nachts ist es für ihn einfach angenehmer zu fahren! Nicht so viel Verkehr und so…“ „Aaaah, okay, dann bin ich ja beruhigt!“, atme ich auf. Wir betreten also unseren Arbeitsplatz für den restlichen Tag – und wahrscheinlich auch die halbe Nacht. „Das wäre echt Verschwendung, wenn wir die Wohnung nicht etwas wohnlicher gestalten könnten. Die neue Küche und die schöne Aufteilung. Das neue Bad… das Schlafzimmer oben in der Galerie. Echt ne schöne Wohnung – nur etwas lieblos eingerichtet.“ „Zeitmangel!“, grätscht Dave mir ins Wort.


Eine halbe Stunde später sind wir bereits voll in Aktion. Während Dave im Wohnraum die Wände streicht und Linda die Pflanzen verteilt, bin ich oben im Schlafzimmer mit dem kleinen beigefarbenen Teppich und den Vorhängen beschäftigt. Selbstverständlich sehe ich mich auch etwas um. Ich werfe einen kurzen Blick in seinen Kleiderschrank: sehr geschmackvoll gekleidet, der liebe Ben – aber das wusste ich ja auch vorher schon! Nachdem ich die Vorhänge aufgehängt habe, setze ich mich kurz aufs Bett um mein Werk zu betrachten. Dabei setze ich mich fast auf ein Shirt, das Ben auf sein Bett geworfen hat. Ich kann nicht anders und rieche kurz dran. „Hmm… man riecht ja fast nichts! Weiß nicht, wieso die Leute das in den Filmen immer machen!“, murmele ich vor mich hin. Ich schaue auf sein Nachttischchen. Und die Schublade des Nachttischchens. Ich lasse mich von der Neugier packen und kann nicht anders, als es zu öffnen: Taschentücher, Kopfschmerztabletten, Handyladekabel, Taschenlampe. Tja, was halt jeder in seinem Nachttischchen hat. Doch, plötzlich sehe ich etwas Rotes hervor blitzen. Ich beuge mich etwas nach rechts, um es besser zu erkennen. Noch ein bisschen weiter, noch ein bisschen weiter, ich greife zu und habe… ein Kondom in der Hand. Jetzt erst sehe ich, dass noch mehrere Kondome in seiner Schublade liegen. Das müssen so an die 20 Stück sein. Donnerwetter, das hätte ich nicht unbedingt erwartet… Ich bin so vertieft in meine „Arbeit“, dass ich Lindas Schritte auf den Treppenstufen gar nicht höre. Selbstverständlich vermittelt das Bild, das sich ihr bietet einen völlig falschen Eindruck: „Sag mal Josie: Liegst du da in Bens Bett?!“, fragt sie ungläubig und hämisch grinsend.


„Was?! Nein?! Natürlich nicht?!“, verharmlose ich die ganze Situation. „Hmm… also ich glaube schon!“, witzelt sie. „Aber da wir zwei uns da ja uneinig sind, kann ich gerne Dave fragen…“, ärgert sie mich regelrecht. Sie bemerkt meine immer größer und größer werdenden Augen und packt mich am Arm: „War natürlich nur ein Scherz! Los komm schon, Dave braucht Hilfe unten im Wohnzimmer!“


Bis tief in die Nacht bringen wir die Wohnung auf Vordermann. Der Pizzaservice hilft uns, während der schweißtreibenden Arbeit nicht zu verhungern. Dave sieht sich um: „Wow, also ich finde, in den paar Stunden haben wir viel geschafft.“ „Ja stimmt, wir haben wirklich Gas gegeben!“, sacken wir zufrieden mit der Pizza in der Hand zusammen. Plötzlich springt die Wohnungstüre auf und Ben kommt mit einem Besen bewaffnet hereingestürmt: „Ich hol die POLIZEEEEIII!!!!!!“ Vor Schreck fangen Linda und ich panisch an zu kreischen während Dave geschockt zu einer Vase greift, um den „Eindringling“ damit zu erschlagen. Stille. Ben sieht uns nacheinander – noch immer etwas zerstreut – an. Wir drei starren Ben an. Kein Ton. Einige Schrecksekunden später atmen wir alle tief durch – froh dass hier niemand irgendwo eingebrochen ist oder jemand anderen töten will. „Was macht ihr denn hier?“, will Ben nach wie vor schwer atmend wissen. Ich gehe einen Schritt zurück, hebe die Arme und säusele: „Überraschuuhuung!“ „Was machst du überhaupt hier? Ich dachte, du müsstest noch bis um zwei, halb 3 arbeiten und würdest dann zu deinem Opa fahren?!“, entgegnet Dave. „Ja so war der Plan!“ „Und dann?“, fragt Linda. „Bis meine Nachbarin von unten angerufen hat und gemeint hat, dass sie Stimmen aus meiner Wohnung hört, obwohl sie ja weiß, dass ich arbeiten muss. Ich hab mich ja vorhin noch von ihr verabschiedet.“ Ich muss schmunzeln: „Also dachtest du…“ „Ich dachte, dass hier Einbrecher zugange sind.“, unterbricht Ben mich wild mit den Armen wedelnd. Dave, Linda und ich brechen in schallerndem Gelächter aus. Seiner dunklen Miene nach kann Ben wohl gerade nicht so wirklich darüber lachen. Als wir drei uns wieder einigermaßen gefangen haben, fragt Dave also endlich nach: „Na sag schon: Wie findest du denn deine „neue“ Wohnung?“ Ben blickt sich um, ihm ist bei dem Einbrecher-Wahnsinn gar nicht aufgefallen, dass die Wohnung komplett anders aussieht. „Wart ihr das etwa?“, versichert er sich ungläubig. „Jap! Wir dachten, du würdest dich freuen.“, sage ich zu ihm. „Naja, ich hab den Mädels erzählt, dass du entweder in der Bar oder bei deinem Opa bist und deswegen die Wohnung auf der Strecke geblieben ist.“ „Und da renoviert ihr einfach mal so? Vorhänge? Teppiche? Grünzeug? Frisch gestrichene Wände?“ Seine Reaktion lässt bislang zu wünschen übrig. Er geht also langsam von Raum zu Raum – wir drei ihm immer dicht auf den Fersen. „Ihr habt ja überall dekoriert.“, stellt er im Bad fest. Wir können aus seinem Tonfall nicht heraushören, ob er sich nun freut oder nicht. Die Neugier bringt uns fast zum Platzen. In aller Ruhe schlendert Ben durch die ganze Wohnung. Er geht hoch ins Schlafzimmer. Oh Mist. Ich hab seine Schublade nicht mehr ganz geschlossen! Hoffentlich bemerkt er es nicht. „Hier habt ihr auch alles verändert!“ Langsam reichts Linda, sie will jetzt endlich wissen, wie er es findet! „Na looos! Jetzt sag doch schon! Wie findest du es? Spann uns doch nicht so auf die Folter!!! Beeeen! Looos!“, zappelt sie herum und zerrt an seinem Ärmel. „Also ich bin… total sprachlos!“ Nach wie vor kein eindeutig erkennbares Zeichen! Doch bevor Linda noch in Ohnmacht fällt, klärt er uns endlich auf: „Ihr seid ja total wahnsinnig! Das sieht hier alles so geil aus!“, freut er sich und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: „Endlich ist es hier richtig gemütlich! Die Farben, die Pflanzen… Das gibt’s ja gar nicht! Vielen vielen Dank!“, fällt er uns nacheinander in die Arme. „Für das Schlafzimmer war Josie verantwortlich! Ich hab das Bad übernommen und Dave das Wohnzimmer!“ Da klopft Dave ihm auf die Schulter: „Tja, jetzt ist es doch ein ganz anderes Gefühl, hier aufzuwachen! Bei den schönen Farben. Auch wenn du mal nen Übernachtungsgast hast.“ Erneut Stille! Linda, Dave und Ben glotzen mich an. Natürlich weiß ich genau, was sie meinen. Ich tu mal so, als würd ichs nicht wissen, starre auf den Boden und weise darauf hin, dass wir doch wieder runter gehen könnten, bevor die Pizza kalt wird. Ganz meinen Vorstellungen entsprechend, machen Linda und Dave sich auf den Weg. Ich will gerade hinterher gehen, als ich merke, dass Ben meine Hand festhält. Ich drehe mich also um und da grinst er mich hämisch an: „Du warst doch nicht etwa an meiner Schublade oder?!“ Ich spüre förmlich, wie die Röte in mir aufsteigt und blubbere irgendetwas vor mich hin, während ich mich wieder auf den Weg Richtung Wohnzimmer mache.


Wir vier setzen uns also auf den Wohnzimmerboden, mampfen unsere Pizza auf und trinken ein paar Bierchen. Die Stunden vergehen wie im Flug. Ben beginnt immer wieder von Neuem, sich umzusehen: „Also ihr habt echt ne Macke. Hier siehts echt so toll aus. Vorher war alles so steril und überhaupt nicht wohnlich. Und jetzt?!“ „Tja, wozu hast du so ne riesen Bude, Alter?! Wohl fühlen sollte man sich zuhause ja auch.“, meint Dave richtigerweise. Ben schaut in die Runde: „Und wie ihr alles ausseht. Ihr habt euch echt so ins Zeug gelegt.“ Da rutscht er etwas näher an mich ran und stupst mich aus heiterem Himmel am Schlüsselbein an. „Vor allem du hast dich richtig zugerichtet. Überall Farbe.“ „Naja, ich hab ja auch hart gearbeitet!!!“, spreche ich großkotzig auf. „Es kniiiisteeert…“, höre ich Linda in Daves Richtung säuseln. Da springe ich wie von der Tarantel gestochen auf und merke an, wie spät es denn geworden sei und dass wir alle langsam gehen sollten. Dave fragt Ben: „Fährst du denn jetzt noch zu deinem Opa?“ „Hmm… ich denke nicht. Bin jetzt doch recht müde, ich werd morgen Früh fahren.“ „Aber hier kannst du ja nicht schlafen! Die ganze Wohnung stinkt nach Farbe.“, grätscht Linda den Jungs dazwischen. „Ach das wird schon gehen!“, winkt Ben ab. Doch wir lassen uns so schnell nicht abwimmeln. „Das kommt ja überhaupt nicht in die Tüte! Du vergiftest dich! Was meinst du, mit was für Kopfschmerzen du morgen aufwachst?“, werfe ich mit Nachdruck ein. Dave schlägt also dankenswerterweise vor, dass Ben einfach bei ihm auf dem Sofa schlafen soll. „Ich will keine Umstände machen.“ „Quatsch! Los, pack ein paar Klamotten ein und dann hauen wir ab.“ Im Hausflur klärt Dave Ben allerdings noch auf, dass Lisa im Moment etwas kränkelt und deswegen nachts des Öfteren Halligalli angesagt ist. „Das werd ich schon aushalten!“, meint Ben nichtsahnend.


Nachdem Dave uns vor unserer Wohnung abgesetzt hat und wir hundemüde Stufe für Stufe den vierten Stock erklimmen, zieht Linda mich typischerweise noch auf: „Was hat er denn in seinem Nachttisch? Erzähl mal! Und wie bequem ist denn sein Bett so?! Erzähl mal!“ Eine Antwort hierauf bekommt sie allerdings nicht! Ich springe nur kurz unter die Dusche und dann ab ins Bett.


Ich liege noch einige Zeit wach und denke über Bens Wohnung nach. Ich finde es richtig süß, dass er sich so gefreut hat. Und ich finde es auch richtig süß, dass er so oft bei seinem Opa ist. Gerade hab ich mich in mein Kissen gekuschelt, da klingelt es tatsächlich. Wie von Sinnen schrecke ich auf und renne an die Tür. „Halloooo…“ Da steht doch tatsächlich Ben völlig verstrubbelt und mit klitzekleinen Augen im Flur. „Was ist denn jetzt los?“, frage ich völlig überrascht. „Ääh… du erinnerst dich, dass Dave gemeint hat, Lisa wäre krank und würde deswegen die Bude auseinander nehmen?!“ „Jap!“, muss ich schon richtig lachen! „Tja, das war noch völlig untertrieben! Die Kleine schreit aus vollen Leibeskräften! Durchgehend! Stunde für Stunde! Ohne Pause!“ „Und jetzt suchst du für heute Nacht nen Schlafplatz, hä?“ „Ja bitte!“, jammert er zappelnd. „Also gut, komm rein! Du kannst es dir auf der Couch bequem machen! Ich hol dir noch schnell ein richtiges Kissen. Ne Decke liegt schon bereit.“ „Aaaah, danke! Du bist ein Schatz!“ Gesagt – getan. Ich werfe ihm also ein Kissen hin und frage noch nach, ob er denn Dave wenigstens Bescheid gesagt hat. „Ja klar! Der hat mich genauso fies ausgelacht wie du auch…“, witzelt er rum. „Bist du etwa zu Fuß hier her gelaufen?“ „Klar! Sind ja nur ein paar Minuten! Und es ist ja nicht kalt draußen!“ „Ja stimmt! Wenn es dir zu warm wird, kannst du ja einfach ein Fenster oder die Balkontür öffnen! Im Dachgeschoss kühlt es nachts leider nicht besonders gut ab.“ „Wem sagst du das?“ „Wo das Bad ist, weißt du ja! Und Getränke stehen im Kühlschrank. Gute Nacht dann.“ „Schlaf gut, Josie. Und vielen Dank nochmal.“


Wieder kann ich nicht so recht einschlafen. Irgendwie macht mich der Gedanke, dass Ben nebenan liegt, nervös. Ich blicke auf die Uhr: „Oh Mann! Schon vier Uhr.“ Kurze Zeit später schlage ich doch langsam aber sicher die Augen zu. Plötzlich höre ich, wie sich meine Zimmertüre öffnet. Da wankt doch ernsthaft Ben total verschlafen in mein Zimmer und legt sich zu mir ins Bett. Ich bin mir nicht sicher, ob ich träume oder ob das tatsächlich passiert. „Ben?“ Er legt seine Arme um mich und lässt sich absolut nicht davon beeindrucken, dass ich immer wieder seinen Namen sage und ihn auf die Couch verweise. „Ben… Beeen, du… Ach herrje, du hast ja dein Shirt ausgezogen.“, stammle ich herum. Ganz leise und schlaftrunken meint er: „Lass mich doch hier schlafen!“ und legt seinen Kopf an meinen Nacken. Kurz mal seine Brust angefasst und über seine Oberarme gestreichelt, komme ich doch tatsächlich ins Überlegen. „Nein, nix da!“, sage ich eigentlich mehr zu mir selbst als zu ihm, „Los, ab aufs Sofa mit dir!“ Widerwillig und zögerlich rollt er sich aus dem Bett und trabt ins Wohnzimmer zurück. Dass ich dabei in der Dunkelheit seine Poritze aus dem verschobenen Short sehen konnte, lasse ich an dieser Stelle unkommentiert.


Am nächsten Morgen schläft er natürlich noch tief und fest, während Linda und ich den Frühstückstisch vorbereiten. „Und er hat wirklich geklingelt? Ich hab das echt nicht gehört!“, fragt Linda ungläubig nach. „Und das, obwohl dein Zimmer ja direkt neben der Wohnungstüre ist.“ „Also da hab ich aber gut geschlafen!“ „Linda, ich glaube, wenn irgendwann mal die Wohnung in Flammen steht und die Feuerwehr mit Sirene anrückt und deine Zimmertür eintritt, würdest du weiterschlafen!“ „Ja das kann natürlich gut sein!“, muss sie lachen.


Langsam aber sicher wird auch Ben von unserem Gelächter wach. „Guten Morgeeen, Schlafmützeee!“, brüllt Linda zu ihm rüber. Er bringt ein zögerliches „Guten Morgen“ über die Lippen, während er sich den Schlaf aus den Augen reibt. „Oooh, hier riechts schon nach Kaffee! Das ist gut!“, steht er auf und zeigt sich uns in voller Pracht. Während ich mich verschämt umdrehe, kann sich Linda ein „Huiuiui…“ nicht verkneifen. In Windeseile wirft Ben sich die Decke um und verschwindet im Bad. „Ich hab ne frische Zahnbürste für dich auf die Ablage gelegt.“, rufe ich ihm noch hinterher. „Dankeee.“, gähnt er.


„Und er hat sich in dein Bett gekuschelt??“, bohrt Linda bis ins kleinste Detail nach. „Pff… nicht nur in mein Bett! Er hat sich an mir festgeklammert wie ein Affe!“, lasse ich sie wissen. „Nein!“ „Doch!“ „NEIN!“ „DOCH!“ „So wie er ist? Nur mit Short?“ Ich nicke überschwänglich: „Aaallerdings!“ „Na Donnerwetter! Wie hast du ihn denn wieder auf die Couch bekommen?“ „Naja, ich hab ihm ungefähr 1000 mal gesagt, dass er wieder ins Wohnzimmer soll! Irgendwann ist er dann gegangen!“ „Und er war wirklich nur im Boxershort??“, vergewissert sie sich nochmal. „Aaallerdings!“ Ein kleines schmutziges Grinsen kann ich mir dabei nicht ganz verkneifen. „Aber… es gibt Schlimmeres oder?“, stichelt Linda. Mein Grinsen wird immer breiter… „Na Gott sei Dank bin ich kein Nacktschläfer, hä?!“, amüsiert sich Ben über unser Gespräch. „Wo kommst du denn plötzlich her?“, fragen wir erschrocken nach. Doch er winkt ab: „Keine Sorge, allzu viel hab ich von eurem Gequatsche nicht mitbekommen.“ und setzt sich zu uns an den Tisch.


Wir unterhalten und beim Frühstück nochmal über die Renovierung und Ben sagt uns nochmal, wie dankbar er ist und wie toll die Wohnung jetzt aussieht. Da greift er aus heiterem Himmel meinen Arm und blickt auf meine Armbanduhr: „Oh Mist, schon so spät! Ich muss noch meinen Opa anrufen und sagen, dass ich heute ausnahmsweise mal nicht komme. War doch etwas wenig Schlaf heute Nacht.“


Er springt also vom Tisch auf und geht mit seinem Handy in der Hand Richtung Couch. „Ja, hi Oma. Ich bins, Ben. Wie geht’s dir denn? … Na das hört sich doch gut an. Ist Opa auch in der Nähe? Gibst du ihn mir mal? … Danke Oma. Machs gut.“ Linda und ich zerfließen am Tisch quasi, weil Ben so süß mit seinen Großeltern umgeht. „Hey Opa! Na, alles fit? … Klar, immer doch! … Hör mal. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich heut nicht vorbeikommen. Hab etwas wenig Schlaf abbekommen diese Nacht! … Opa! Und das in deinem Alter!“, muss er während des Gesprächs schmunzeln. Wir meinen, dass Ben ein wenig rote Wangen bekommt! „Nein, Dave und die Mädels haben meine Wohnung renoviert! … Ja echt! … Und jedenfalls konnte ich ja wegen der Farbe nicht dort schlafen! Dann bin ich zuerst mit zu Dave, doch Lisa ist krank und hat die halbe Nacht geschrien. Also bin ich dann eben zu … Genau! … Nein! … Auf dem Sofa! … Darüber haben wir doch schon geredet Opa!“ Immer wieder schielt er in unsere Richtung. Man merkt, dass ihm das Gespräch mit seinem Opa zunehmend unangenehmer wird – zumindest mit Zuhörern! „Naja, jedenfalls wollte ich mich nur bei euch abmelden. Sag Oma noch nen schönen Gruß und machts gut ihr zwei! Ciao!“


Er setzt sich wieder zu uns und erstickt halbwegs an seinem Brötchen, als Linda ihn auszuquetschen versucht: „Na du bist ja immer immer leiser geworden! War dir das Gespräch etwa unangenehm?“ „Pff… wie kommstn darauf?“, lässt er den coolen Macker raushängen. „Mir war so, als hättest du deinem Opi schon mal von uns erzählt… - Zumindest von Jos…“ „Mag noch jemand die letzte Scheibe Käse?!“, unterbreche ich sie, um zu vermeiden, dass Ben und ich gleichermaßen leiden müssen.


Nach dem Frühstück macht Ben sich noch eben fertig, da verschwindet Linda zu ihrer Schwester. Während er sich sein Hemd zuknöpft, stellt er sich dicht vor mich: „Tut mir übrigens sehr leid, wenn ich dich heut Nacht in ne blöde Situation gebracht hab. Das wollte ich nicht.“ Ehe ich ihm antworten kann, fährt er fort: „Ich hab das ehrlich gesagt gar nicht so wirklich registriert. Ich hab Pipi gemacht und auf dem Weg vom Bad zurück einfach nicht weiter nachgedacht.“, entschuldigt er sich und fährt sich mit der Hand durchs Haar. Ich starre auf den Boden und entgegne: „Nix passiert.“ Er schnappt sich seine Tasche und verabschiedet sich. Da höre ich mich sagen: „Äääh, Ben? Was machst du denn jetzt den ganzen Tag, wenn du schon nicht zu deinen Großeltern fährst?“ Er grinst mich mit seinen tiefblauen Augen an: „Hmm… Keine Ahnung! Hast du vielleicht ne Idee?“, zwinkert er mir zu. Ich muss schmunzeln. Mit einer Gegenfrage hab ich allerdings nicht gerechnet. „Äääh…“ Da grätscht Ben mir dazwischen: „Also zuerst muss ich nach Hause und lüften und mich vielleicht kurz duschen, aber dann bin ich zu allen Schandtaten bereit. Was schwebt dir denn vor?“. Er sieht mich total erwartungsvoll an. Da muss ich jetzt mit ner echt guten Idee um die Ecke kommen. See? Shopping? Eis essen? Nee, alles blöd. Mann, ich überleg schon viel zu lange. Ben muss schon lachen: „Weißt du was? Ich geh jetzt erstmal zu mir, dusch mich kurz, zieh mich um und wir können uns ja in ner Stunde vor meiner Wohnung treffen. Vielleicht hast du ja bis dahin ne Idee. Und wenn nicht – mir wird schon was einfallen.“, meint er und klopft mir auf die Schulter. „O… okay.“


Kaum ist die Türe zu, rase ich ebenfalls ins Bad, um mich aufzuhübschen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, die ich vorm Schrank stehe und ein Top nach dem nächsten anprobiere. Nach dem gefühlten fünfhundertsten Versuch, hab ich dann doch eins gefunden, mit dem ich mich heute zufrieden gebe. Noch etwas MakeUp aufgelegt und die Haare nach hinten geflochten, mach ich mich also auf den Weg zu Bens Wohnung. Vor lauter Styling hab ich ganz vergessen, mir was zu überlegen, was wir unternehmen könnten. Plötzlich fängt meine Handtasche an zu vibrieren. Ein Anruf! „Oh, hoffentlich sagt Ben mir nicht ab.“, stammle ich wild in meiner Tasche kramend. Meine Mama. „Hey Mäuschen. Ich wollte dich nur fragen, ob es dich sehr stört, wenn du Anna nächste Woche von der Schule abholen könntest? Ich muss zum Zahnarzt und Joe hat Spätschicht. Er würde die Kleine dann nach der Arbeit bei dir einsammeln.“ „Hi, ja ist kein Problem. Kann ich machen.“ „Aaah, vielen Dank, Schatz. Anna freut sich schon so drauf.“ „Was hast du denn? Wenn du so oft zum Zahnarzt musst?“ „Aaach, ne ganz widerliche Wurzelbehandlung. Ist leider nicht mit einer Sitzung getan. Also dann holst du Anna immer um drei, halb vier ab, ja?“ „Ja. Ich werd dann gleich am Montag mal mit dem Chef reden und abklären, dass ich irgendwie früher gehen kann.“ „Das wär klasse. Vielen vielen Dank. Dann will ich dich auch gar nicht weiter aufhalten.“ „Machs gut, dann.“ „Ciao.“


Ich will gerade mein Handy wieder wegstecken, als ich gerade noch rechtzeitig bemerke, dass Ben mir geschrieben hat: >Hey Hey! Sorry, mir ist noch was dazwischen gekommen. Kannst dir ruhig Zeit lassen. Werd wohl ne halbe Stunde länger brauchen. Bis dann dann. :)< Oh Mist. Die Nachricht hat er mir schon vor ner halben Stunde geschrieben. Was mach ich denn jetzt? Die Leute, die mich gerade sehen, wie ich auf dem Gehweg um mich selbst kreise, meinen wahrscheinlich, dass ich irre bin. Naja, ehe ich jetzt ewig lang vor Bens Haus rumstehe, geh ich halt schon mal rauf. Kann ja auf dem Sofa warten, bis er fertig ist.


Also geh ich rauf und klingele. Keine Reaktion. Ich klingele nochmal. Wieder nichts. Da fällt mir ein, dass ich ja gestern Abend Bens Zweitschlüssel eingesteckt hab. Na so ein Glück. Ich gehe also in Bens Wohnung und höre die Dusche laufen. Ich rufe ihm zu, dass ich schon da bin, doch da ich keine Antwort bekomme, gehe ich davon aus, dass er mich nicht gehört hat. Ich schleiche also nochmal durch Bens Wohnung und bewundere, wie toll alles geworden ist. Plötzlich höre ich einen dumpfen Schlag aus dem Schlafzimmer. Ich überlege kurz, entschließe mich aber doch, nachzusehen. Langsam tapse ich also die paar Stufen hoch - die Dusche kann ich nach wie vor hören.


Oben angekommen dauert es nicht lange, ehe ich weiß, was für den Krach verantwortlich war. Scheinbar hat ein Windstoß das Fenster auf und ein neu mitgebrachtes Teelicht von der Fensterbank gestoßen. Gerade bin ich dabei, mich zu bücken, um es aufzuheben, steht aus dem Nichts Ben vor mir, wie Gott ihn schuf: splitterfasernackt! Ehe ich irgendwas erkennen kann, drehe ich mich erschrocken weg, knalle dabei noch mit dem Kopf gegen das Fenster, während Ben zu brüllen beginnt: „WOOOW! JOSIE! WAS MACHST DU DENN HIER?!“ Er bemerkt, dass ich mir den Kopf halte, hält sich sein Kopfkissen vor den Schritt und kommt auf mich zu. Noch immer zum Fenster gedreht und vor Scham halbtot stehe ich wie angewurzelt in Bens Schlafzimmer. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. „Hast du dir den Kopf gestoßen?“, höre ich ihn besorgt fragen. „Schon gut.“, antworte ich und gehe mit halb geschlossenen Augen wieder nach unten. Wie eine Wahnsinnige klammere ich mich dabei am Treppengeländer fest. „Hey, ist doch nix passiert. Bleib doch. Ich bin gleich fertig.“ Ben hält mich an der Hand fest und ich kann hören, dass er schmunzelt. „Wie bist du denn überhaupt hier rein gekommen?“, will er wissen – zurecht. „Ich hab noch… den Zweitschlüssel von Dave. Ich… ich geh jetzt!“, hetze ich aus der Wohnung. „Das war sowieso alles ne blöde Idee von mir. Tut mir leid.“ Ich lege den Schlüssel noch auf ein Schränken im Flur und verschwinde.


Eigentlich hatte ich irgendwie erwartet, dass Ben mich aufhalten würde, aber insgeheim bin ich froh, dass er es nicht tut. Ich will nur noch aus dieser peinlichen Situation raus und mich im Bett verkriechen.


Zuhause angekommen, bekomme ich eine Nachricht von Ben: >Hey Kleine, hättest nicht abhauen müssen. Hätte den Tag gern mit dir verbracht. :)< Okay: Zeit, mir die Decke über den


Wenige Tage später sitzen Linda und ich in unserer Mittagspause wie gewohnt in der Bar. Eigentlich ist mir diese Sache neulich in Bens Wohnung noch so unangenehm, dass ich ihn nicht unbedingt sehen möchte, doch ich bin so müde, dass ich kaum die Augen offen halten kann und mir im Grunde alles egal ist. Als Ben zu uns rüber kommt um die Bestellung aufzunehmen entgeht ihm meine Müdigkeit auch nicht: „Was ist denn mit dir passiert? Siehst ja total scheiße aus!“ Wie bitte? Spinnt der? „Na also sag mal!“, boxe ich ihn beleidigt auf den Arm, während Linda Tränen lacht. „Ich meine, du siehst total FERTIG aus! Besser?“, muss er auch mit lachen. Doch ich bin trotz meiner Müdigkeit schlagfertig unterwegs: „Bring mir mein Schinken-Sandwich und meine Cola und halt die Klappe!“ „Für mich bitte ein Salami-Sandwich und ne Cola!“, fällt Linda uns ins Wort. Noch immer grinsend verschwindet Ben hinter der Bar.


Kurze Zeit später taucht Dave an unserem Tisch auf. „Hi Mädels! Wo ist denn Sara?“ „Die hat Urlaub, die Glückliche…“, gähne ich. Dave rückt etwas näher an Linda ran, was sie natürlich innerlich völlig ausrasten lässt. „Sag mal, kennst du die Vibes?“ „Die Band? Ja, wieso?“ „Ich hab von meinem Cousin zwei Karten für morgen! Mein Cousin und seine Freundin können nicht hin, weil sie krank geworden ist. Hast du Lust mit mir hinzugehen?“ „Ist das dein Ernst?“, rastet sie jetzt auch äußerlich aus! „Was ist denn mit Ben?“ „Wieso Ben?“ „Naja, willst du nicht ihn zuerst fragen? Immerhin ist er dein bester Fr…“ „Aber wenn ich lieber mit dir da hin möchte?“, unterbricht Dave Lindas Gezeter. „Oh, du bist so süß! Natürlich will ich mit!“ Ich wette, wenn ich nicht genau gegenüber sitzen würde, würde sie ihn jetzt regelrecht abschlecken. Seit Längerem bekomme ich nur zu hören: >Wir lassen es ruhig angehen!<>Wir habens nicht eilig!<>Wir wollen nichts überstürzen!<


Da kommt Ben auch schon mit unseren Getränken zurück. „Was ist denn hier los?!“, schaut er Dave und Linda an, die sich ohne einen Ton einfach nur doof angrinsen! „Die hören dich grad nicht! Die sind wo ganz anders!“, kläre ich ihn netterweise auf und fange gleich wieder an zu gähnen. „Und das macht dich so müde? Dass die beiden sich so… anschmachten?“ „Nein, es ist nur… ich muss im Moment meine Schwester von der Schule abholen, weil sonst niemand kann. Und damit ich das schaffe, muss ich eineinhalb Stunden früher von der Arbeit verschwinden, und dafür eineinhalbstunden früher anfangen!“, gähne ich erneut. „Du hast ne Schwester?“, fragt Ben nochmal nach! „Ja?!“, antworte ich zögerlich. „Wie alt ist die denn?“ Der Typ will mich heute nur ärgern! „Zu jung!“ „Was heißt denn zu jung? Hör mal: DU bist ja vergeben, also erzähl doch mal!“ „Anna ist 9!“, starre ich ihn besserwisserisch an. „Oh, das ist echt jung!“ „Sag ich doch!“, weise ich ihn mit erhobenem Zeigefinger auf seine dumme Idee hin. „War doch sowieso nur ein Scherz!“, winkt er ab. „Aber sag mal, wieso lässt du denn dann nicht einfach die Mittagspause ausfallen, wenn es dir so schwer fällt, früher aufzustehen?“, hebt nun Ben den Zeigefinger. Da wacht aus heiterem Himmel Linda auch wieder aus ihrer Trance auf und mischt sich ein: „Naja, sonst würde sie dich ja nicht s… AUA!!!!“ Tja, ein Tritt unterm Tisch hat in so einer Situation noch nie geschadet. Da legt Ben wieder sein spitzbübisches Lächeln auf, lehnt sich über mich zu Linda und hakt nochmal ganz genau nach: „Was wolltest du sagen?“ Linda weiß nicht wie ihr geschieht. Doch als sie mich – von meinem Tritt immer noch schmerzverzerrt – ansieht, weiß sie, was zu tun ist: „Naja sonst würde sie dich ja nicht losschicken können, um ihr ihr Essen zu bringen!“ Nachdem ihr der Satz über die Lippen gekommen ist, schnauft sie erleichtert. „Apropos, wo bleibt denn unser Essen Ben? Husch Husch, wir haben Hunger!“, piekse ich ihm in die Rippen. „Bin ja schon unterwegs…“ „Also Mädels, ich muss auch mal wieder an die Arbeit. Linda, unser Date morgen steht?“ „Jap! Steht!“, gerät sie wieder ins Schmachten. Als wir unser Essen bezahlen wollen, meint Ben nur: „Schon gut!“ „Was?! Wieso das denn?“ „Naja, immerhin habt ihr mit Dave zusammen meine ganze Bude auf Vordermann gebracht. Da ist es doch das Mindeste, dass ich euch zum Essen einlade!“ Wir freuen uns über die Geste und machen uns wieder auf den Weg zur Kanzlei.


Am nächsten Tag hole ich Anna wieder von der Schule ab. „Hey Mäuschen! Da bist du ja!“. Anna freut sich immer wie ein Schnitzel, wenn ich sie von der Schule abhole. Da kann sie mit ihrer großen Schwester angeben, die schon „erwachsen“ ist – oder zumindest so aussieht, hihihi. „Hallo Josie! Was kochen wir denn heute?“ „Das kannst du dir aussuchen! Wir müssten sowieso gleich noch einkaufen gehen!“ „Oh… dann will ich… Eis!“ „Anna!“ „Mit Schokosauce!“ „Anna!“ „Und mit Zuckerperlen!“ „Anna, es gibt kein Eis zum Abendessen! Such dir was Richtiges aus! Was Deftiges!“ „Hmm… Dann Nudelauflauf! Aber so wie Mama den immer macht!“


Wir gehen also noch einkaufen und nachdem wir etwas Hackfleisch etwas Käse und etwas Sahne fürs Abendessen und ein Barbie-Kleid, eine Tafel Schokolade und zwei Stangen Kaugummi – den Rosafarbenen natürlich – für Anna gekauft haben, machen wir uns also auf dem Heimweg. Als wir gerade an der Panorama vorbei sind, höre ich, dass sich hinter uns die Tür öffnet und jemand meinen Namen ruft. Wir drehen uns also um und da steht Ben vor uns. „Ben, du bist es! Hi.“ „Halli Hallo!“ Anna schaut ihn mit großen Augen an. „Du musst bestimmt Anna sein, stimmts? Du bist ja genauso hübsch wie deine Schwester!“ Und in null-komma-nichts hat er sie um den Finger gewickelt. „Ich bin Ben.“ „Ha… Hallo Ben.“, stottert sie. „Was treibt ihr zwei denn?“ „Naja, wir waren grade fürs Abendessen einkaufen und bis Anna abgeholt wird, werden wir den restlichen Abend auf dem Sofa verbringen.“ „Was gibt’s denn Leckeres?“ Ich weiß genau, worauf er raus will. „Ach weißt du…“, druckse ich herum. „Nudelauflauf! Es gibt Nudelauflauf!“, prescht Anna vor. „Mmmh… Nudelauflauf mag ich auch gerne.“ Ich hole gerade Luft, um mich zu verabschieden, da tut Anna doch das Unaussprechliche: „Komm doch auch zum Essen!“ Lädt sie ihn tatsächlich zum Essen ein! „Hahaha, Anna! Ben muss bestimmt noch arbeiten! Tja wir wollen dich also nicht weiter aufhalten, tschüss dann…“, fuchtele ich wild mit den Armen. „Also eigentlich hab ich in ner Stunde aus! Heut ist doch Dienstag, da muss ich nur bis 5!“ „Aber… naja wir haben nicht genug für drei gekauft, weißt du?“ „Aaach, das wird schon reichen! Ich hab ja auch noch Schokolade!“, argumentiert Anna. Tja, gegen die beiden muss ich mich wohl geschlagen geben! „Also gut, dann komm einfach vorbei, wenn du mit der Arbeit fertig bist.“ „Alles klar! Bis dann!“, muss Ben über seinen Sieg schmunzeln. Wir sind noch nicht zuhause angekommen, hab ich schon ne Nachricht von Ben auf dem Handy: >Schuldest mir ja eh noch ein Date ;P<


Zuhause angekommen fege ich wie ein Wirbelwind durch die ganze WG. Auf Besuch war ich immerhin nicht eingestellt. Ich räume also sämtliche Klamotten in mein Zimmer, ordne die in der kompletten Wohnung verteilten Frauenzeitschriften penibel auf den Wohnzimmertisch und mache mich also ans Kochen, während Anna den Tisch auf dem Balkon deckt.


Der Auflauf ist grade zum Überbacken im Ofen, da klingelt Ben auch schon. „Hey Hey, das riecht ja hier schon total lecker! Ich hab euch was mitgebracht!“, meint er, während er eine DVD in die Luft streckt. „Was ist das? Ist das ein lustiger Film?“, springt Anna vom Sofa auf! „Jap, das ist ne Komödie. Wird euch bestimmt gefallen!“ Ich nehme ihm die DVD ab, um sie mir etwas genauer anzusehen. Nach einigen Sekunden kann ich Ben jedoch beruhigen und genehmige den Film, während Anna ihn mir wie wild geworden aus der Hand reißt: „Au, legen wir den gleich ein? Bitte, bitte.“ „Nix da! Zuerst essen wir am Tisch und danach können wir auf dem Sofa gern die DVD anschauen!“ „Ach menno!“, meckert die kleine Ziege herum. „Hey hey, du brauchst überhaupt keine Schnute ziehen. Es reicht, dass du uns schon zwei Sofakissen mit Tomatensauce ruiniert hast! Du weißt genau, dass wir seitdem nicht mehr auf der Couch essen.“ „Du bist aber streng!“, wundert sich Ben. „Tja, was muss, das muss. Und jetzt nimm den Salat mit und nimm draußen schon mal Platz. Ich bring gleich den Auflauf raus.“ „Eye Eye Sir!“, salutiert er widerstandslos und verschwindet auf den Balkon. „Los Anna, du auch.“


Bereits beim ersten Happen bricht Ben in Begeisterungsstürme aus. „Wow! Der Auflauf ist ja echt der Hammer, Josie.“ „Danke schön. Freut mich.“ „Im Ernst, du solltest öfter für mich kochen!“, zwinkert er mir zu und bringt Anna damit zum Lachen. Wir amüsieren uns gut auf dem Balkon. Anna und Ben verstehen sich wirklich gut. Und ruckizucki ist auch die ganze Auflaufform leer. Während Ben und ich den restlichen Abend lieber gemütlich mit einem Bier und einem Hugo auf dem Balkon verbringen würden, nötigt Anna uns mit ihrem piepsigen Gezeter, den Film anzusehen, den Ben mitgebracht hat.

Also kommen wir ihrem Wunsch netterweise nach und legen die DVD ein. „Fangt schon mal an, ich hol noch eben Chips und Schoki.“, meine ich, ohne mir etwas dabei zu denken. „Aber die mit den ganzen Nüssen drin, bitte!“, ruft Anna mir noch hinterher, während Bens Gesichtszüge zunehmend mehr entgleisen. „Was guggst du denn so?“, fragt Anna irritiert nach. „Das fragst du noch?! Wir haben grad ne riesen große Portion Auflauf mit einer riesen großen Schüssel Salat gegessen. Vor nicht mal… 10 Minuten! Und ihr haut euch jetzt ernsthaft im Wechsel Chips und Schokolade rein? Ihr seid ja irre!“, schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen. „Da brauchst du gar nicht mit den Augen zu rollen, Ben. Wir sind eben nicht die Sorte Frauen, die nach ner Tomate und dem Salatblatt satt sind.“, muss ich über seinen Gesichtsausdruck lachen. „Naja, dass du viel essen kannst, das weiß ich ja aus der Bar, aber das… Das haut mich um.“ Anna tadelt Ben: „Da hast du aber noch einiges über meine Schwester zu lernen!!“ Vor Lachen hören wir fast nicht, dass mein Handy klingelt. „Josie, das ist deins!“ „Oh, die Nummer kenn ich nicht.“ Ich gehe in mein Zimmer, telefoniere einige Minuten und komme – mit scheinbar versteinerter Miene – wieder zurück. „Was hast du denn?“, will Ben mit besorgter Stimme wissen, während Anna schon völlig vertieft in die DVD ist. „Ähm… das war das Reisebüro.“ „Das Reisebüro?“ „Ja! Dennis und ich wollten doch zusammen wegfahren. Sie haben verbummelt, dass wir… also, dass… Dennis storniert hat und… wollten fragen, wie der Kurzurlaub war.“, erkläre ich ihm. Dass meine Stimme dabei zittert, scheint ihm - seinem bohrenden Blick nach zu urteilen - nicht entgangen zu sein. Ganz einfühlsam fragt er: „Geht’s dir gut?“ „Äh… ja! Ich war nur nicht drauf gefasst, das ist alles!“, beschönige ich die Situation. Er will gerade Luft holen, um noch weiter darüber zu reden, da lenke ich ab und unterbreche ihn: „Hab ich was verpasst? Ist der Film gut?“ „Ähm… ich hab ehrlich gesagt nicht wirklich aufgepasst, muss ich gestehen.“, schmunzelt er. Da zischt Anna uns schon mit ner Handvoll Chips im Mund an: „Sssccchhht! Ich will den Film sehen!“


Eine gute Stunde, eine Flasche Sekt und mehrere ungewollte Seufzer meinerseits später, kann Ben nicht anders und will endlich seine Neugier befriedigen. „Vermisst du ihn?“, fragt er mich also aus heiterem Himmel. Leicht überrumpelt hake ich nach: „Wie bitte?“ „Vermisst du ihn?“, wiederholt er, ohne auch nur ein einziges Wörtchen mehr auszusprechen. „Also… ich…“, stammle ich vor mich hin. Bens Blick durchbohrt mich förmlich, sodass ich mich gezwungen sehe, ihm zu antworten: „Ich bin mir nicht sicher! Es ist alles so kompliziert. Ich bin so enttäuscht!“ „Meldet er sich denn ab und an mal?“ Ich muss einige Sekunden über meine Antwort nachdenken, quäle mir jedoch ein wahrheitsgemäßes „Alle paar Tage mal ne SMS!“ raus. Von Anna unbemerkt, nimmt er meine Hand, was ich richtig süß von ihm finde. Er hält sie fest, bis der Film schließlich zu Ende ist. „Oookay, sorry! Ich dachte, der Film ist besser!“, entschuldigt er sich. „Hahaha, Anna fand ihn scheinbar auch nicht besonders toll.“, erwähne ich, während ich mit dem Finger auf sie zeige. Ben ist schockiert und amüsiert zugleich: „Oh mein Gott. Sie ist sogar eingeschlafen?!“


Ich räume noch eben den Rest des Süßkrams und die Gläser weg und schalte die Spülmaschine an, da merke ich, dass ich besser nicht die ganze Flasche Sekt hätte trinken sollen. Im selben Moment klingelt auch schon Joe an der Tür. „Hey Süße, ich komm Anna abholen.“ „Hi Joe! Musstest du heut etwa länger arbeiten?! Ich hab dich schon vor 20 Minuten erwartet.“ „Aaach, frag lieber nicht.“ Er bleibt im Türrahmen stehen und starrt Ben an. Ben bleibt neben dem Kühlschrank stehen und starrt Joe an. Irgendwie ne blöde Situation. Soll ich die beiden einander vorstellen? Oder nicht? Oder doch? Im Handumdrehen nimmt Joe mir die Entscheidung ab: Er geht auf Ben zu, streckt seine Hand aus und meint: „Hey, ich bin Joe. Josies Stiefvater.“ „Hey, Hallo. Ich bin Ben, Josies Freund. Guter Freund. Also…“, verstrickt er sich in Widersprüche. Ehe die Situation noch unangenehmer wird, renne ich zur Couch und rüttle die Kleine wach. Joes dummes Grinsen entgeht mir dabei nicht. „Heeey Papi!“ „Jetzt wird’s aber Zeit fürs Bett, was? Du hast ja schon auf dem Sofa geschlafen. Danke fürs Abholen Josie. Morgen dann wieder genauso?“ „Alles klar. Bis morgen dann!“ Joe verabschiedet sich mit einem Küsschen auf meine Wange und verschwindet weiter grinsend. „Machs gut, Ben. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder.“, zwinkert er mir noch zu. „Ja, mal sehen. Tschüss.“ Joe und seine Sticheleien immer. Typisch.


Ben hat besagte Sticheleien natürlich auch bemerkt. „Naja, ich werd dann mal gehen. Ist echt spät geworden.“ „Ähm… ja. Wie du willst. Schön, dass du da warst.“ „Wo… wo hab ich denn meine Jacke?“, fragt er. „Ich glaube, du hast sie auf dem Balkon an deinen Stuhl gehängt.“ Ben geht auf den Balkon raus. Als ich bemerke, dass es ungewöhnlich lange dauert, bis er wieder reinkommt und beschließe, nachzusehen, wo er bleibt. Da steht er auf dem Balkon, auf das Geländer gelehnt und blickt in den Nachthimmel. „Was treibst du denn?“, frage ich nach. „Hier ist es so schön. Der Himmel ist selten so klar.“ „Ja. Ich stehe oft hier draußen und schaue in den Himmel. Schön, nicht?!“ Da stehen wir nun. Auf dem Balkon. Spätabends. Und schauen in die Nacht.


Wie von Sinnen lege ich meine Hand auf Bens und höre mich sagen: „Ich finde es übrigens lieb, dass du dir Sorgen um mich machst.“ „Naja… ich kann nicht anders.“, bringt er mich mit seiner Stimme zum schmelzen. Wir kommen uns näher und näher. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich kann an nichts anderes denken, als ihn zu küssen. Ben legt seine Hand in meinen Nacken. Die andere Hand legt er auf meine Hüfte und drückt mich an sich. Ich spüre deutlich die Wärme seines Körpers. Unsere Lippen berühren sich bereits ganz leicht, während ich plötzlich nicht mehr weiß, wie mir geschieht. Ben geht aus heiterem Himmel einen Schritt zurück, dreht seinen Kopf weg und meint: „Ähm… ich glaube… das ist ne schlechte Idee.“ Gott sei Dank spricht er gleich weiter, ohne dass er mich zu Wort kommen lässt. „Du… du hast noch was zu klären, denke ich. Und außerdem hast du vielleicht etwas viel Sekt erwischt. Da… ist das keine gute Idee, fürchte ich.“ Ohne, mir die Enttäuschung zu sehr anmerken zu lassen, stimme ich ihm zu: „Ja… du hast Recht. Das war… voll… daneeeben…“, höre ich mich stammeln. Er greift also nach seiner Jacke und verschwindet mit einem: „Gute Nacht, Josie.“ Ich stehe noch so lange auf dem Balkon, bis ich ihn unten nicht mehr laufen sehe. Langsam wanke ich wieder in die Wohnung, schließe die Balkontür und gehe in Gedanken versunken ins Bad, um mich fürs Bett fertig zu machen.


Ich kann nach dieser dämlichen Aktion natürlich erstmal nicht einschlafen und warte die ganze Zeit darauf, dass Linda endlich von dem Konzert mit Dave wieder zurück kommt. Ich brauche sie jetzt unbedingt als Seelentröster und wenn man so will: als Orakel! Die ganze Zeit mache ich mir einen Kopf darum, was Ben jetzt von mir denkt. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was ich ihm für einen Eindruck vermittelt hab. Da bin ich seit Jahren vergeben und kaum ist mein Freund mal im Ausland, fange ich an, wild in der Gegend rumzuknutschen. Das passt überhaupt nicht zu mir. Was ist denn nur los?


Plötzlich höre ich die Türklingel: Das muss Linda sein! ENDLICH! Ich stürme wie eine Irre zur Tür und da steht Ben vor mir. Er sieht mich an, murmelt: „Scheiß doch drauf!“ und küsst mich leidenschaftlich. Ehe ich ihn fragen kann, was er denn plötzlich hier macht, tänzeln wir ungeduldig in mein Zimmer und lassen uns auf mein Bett fallen. Es kommt mir so vor, als hätte er seine Hände überall. Ich genieße die Situation, bis er anfängt, wie ein Bekloppter an meinem Arm zu rütteln. Er schaut mich mit großen Augen an und ruft immer wieder meinen Namen.


„JOSIE!!!“ Ich öffne die Augen und da sitzt Linda auf meinem Bett. Keine Spur von Ben. Meine Klamotten hab ich auch noch allesamt an. Ich brauche einige Sekunden, bis ich begreife, dass ich die Sache mit Ben scheinbar nur geträumt habe. Jedoch war es so real, dass ich tatsächlich noch ziemlich verwirrt bin und mich nur teilweise auf Lindas Erzählungen konzentrieren kann. „Was guggst du denn so?“, will sie wissen. Ich richte mich auf und stottere: „Ähm… ach nichts. Ich hab nur… ich hab geträumt. Was wolltest du erzählen?“ „Irgendwas hast du doch! Das merke ich dir doch an! Denk dran Josie: MIR kannst du nichts vormachen! Also raus damit!“ „Nein, wirklich. Es ist nichts. Erzähl schon von dem Konzert!“ „Nix da! Erstmal sagst du mir, worüber du dir so nen Kopf machst. Sonst kannst du dich ja gar nicht auf das konzentrieren, was ich dir alles erzählen will.“, nötigt sie mich mit erhobenem Zeigefinger. Ich sehe keinen anderen Weg, also erzähle ich ihr, von dem Abend und meiner glorreichen Idee auf dem Balkon – immerhin hat sie ja Recht und ich könnte mich wirklich nicht auf ihre Erzählungen konzentrieren.


„Und dann hast du ihn geküsst???“ Sie sieht mich mit offenstehendem Mund an. „Naja, weißt du, meinen Plan, ihn zu küssen, hat er mit seinem knallharten Korb leider vereitelt!“ „Was ist denn in dich gefahren? Du wolltest ihn einfach aus heiterem Himmel küssen?“, vergewissert sie sich mit vorwurfsvoller Stimme. „Äääh…“, druckse ich herum. Doch bevor ich einen halbwegs sinnvollen Satz basteln kann, springt sie mir in die Arme und meint, wie stolz sie doch auf mich sei. „Linda! Ich hab nen Korb bekommen. Also woher der Stolz?“ „Naja also ich finde es zuerst mal total lobenswert, dass Ben nicht einfach mit dir rumschnullt, solange du noch in festen Händen bist.“ „Stimmt, da hast du Recht.“ „Und zweitens…“, läuft sie in meinem Zimmer auf und ab, „ist es total lobenswert, dass du dich endlich von Dennis trennst.“ Wie versteinert starre ich sie an. „Du hast doch vor, dich von Dennis zu trennen? Sonst hättest du doch nicht versucht, Ben zu küssen? Du hast dich doch in Ben verliebt?“ Fragen über Fragen, ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. „Linda! Es ist mitten in der Nacht. Ich hatte leider bislang noch nicht so wirklich die Zeit, über alles nachzudenken.“ Sie stimmt mir zu und meint, ich solle zuerst mal einen klaren Kopf kriegen, wofür ich ihr im Moment wirklich dankbar bin.


Sie will gerade mein Zimmer verlassen, als ich ihr hinterher brülle: „Was wolltest du denn jetzt eigentlich erzählen? Wie war das Konzert??“ „Ach ja stimmt!“, kommt sie kichernd zurück ins Zimmer, „Es war echt schön. Also die erste Hälfte des Konzerts war echt top. Wir sind richtig abgegangen.“ „Ja und die zweite Hälfte?“, frage ich – dumm wie ich bin – nach. „Von der zweiten Hälfte haben wir nicht mehr wirklich so viel mitbekommen.“, grinst sie über beide Ohren. Ich muss nicht nochmal nachfragen, da bekomme ich die Antwort schon mit einem noch breiteren Grinsen serviert: „Naja, ab der zweiten Hälfte haben wir nur noch… wie wild gewordene Teenies rumgeknutscht!“ Mann, muss die glücklich sein, so wie sie mitten in der Nacht durch mein Zimmer hoppelt. „ERZÄÄÄÄÄHL!!!“, fordere ich mit großen glitzernden Augen.

Nachdem sie mir zwei Stunden lang davon erzählt hat, wie Dennis bei einem ruhigen Song seinen Arm um Linda gelegt hat und dann total aufgeregt und mit zittriger Stimme zu ihr gemeint hat, dass er sich total in sie verliebt hat und gerne eine feste Beziehung mit ihr hätte, gelingt es mir doch endlich, Linda aus meinem Zimmer zu befördern. Ich drücke sie und geb ihr ein Küsschen auf die Wange und schiebe sie letztlich zur Tür. „Morgen kannst du mir den Rest erzählen. Wir haben schon fast 2 Uhr. Wir reden morgen.“ „Alles klar. Wir müssen ja morgen arbeiten. Also dann gute Nacht.“, kichert sie weiter vor sich hin. „Gute Nacht. Und Linda…“, sage ich im Türrahmen stehend: „Ich freu mich unglaublich für dich.“ Sie wirft mir ein Luftküsschen zu und verschwindet im Bad.


Der nächste Morgen beginnt in meinen Augen viel zu früh. Ich schlage gerade mal die Augen auf, da hämmert Linda schon an meine Tür. „Das Frühstück ist serviiieeert! Los aufstehen, Träumerin.“ Mühsam reibe ich mir den Schlaf aus den Augen und wanke in die Küche. „Mann, langsam muss dir vom vielen Grinsen doch das Gesicht einschlafen.“, meckere ich hundemüde herum. „Ach, pappalapapp! Trink erstmal deinen Milchkaffee, dann geht’s dir bestimmt besser.“ „Wieso bist du überhaupt schon wach? Immerhin muss ich doch heute wieder anderthalb Stunden früher anfangen. Du könntest noch ewig schlafen!“ „Ja könnte ich. Aber ich konnte nicht.“ Irgendwie find ich Lindas Verhalten wirklich süß. Wie eine 13-Jährige merkt sie – ob passend oder unpassend – an, dass Sie einen Freund hat. Kurz bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit mache: „Heut werd ich bestimmt nicht mit dem Bäckerssohn flirten. Ich hab immerhin einen FREUND!“ Kurz nachdem sie auch auf der Arbeit aufgetaucht ist: „Ich werd kurz meinem FREUND schreiben!“ Während der Arbeit: „Mensch, wenn Sara nächste Woche aus dem Urlaub zurückkommt, muss ich ihr gleich erzählen, dass Dave jetzt mein FREUND ist.“ Und schließlich in der Mittagspause singt sie vor sich hin: „Wir geeehen in die Baaar. Die Baaar von meinem FREEEUUUND! Lalalaaa…“


Nach meiner derart peinlichen Anmache Ben gegenüber, möchte ich eigentlich nicht wirklich gern in die Bar gehen. Ich könnte gut und gerne erstmal für zwei oder drei Jahre darauf verzichten, Ben über den Weg zu laufen. Aber ich will Linda natürlich die Freude lassen. Kurz bevor wir die PANORAMA erreicht haben, fällt Linda scheinbar mein grüblerisches und angstverzerrtes Gesicht auf. Sie bleibt kurz stehen, nimmt meine Hände und sagt zwei, drei aufbauende Worte zu mir: „Du musst dir wegen Ben gar keinen Kopf machen. Ich denke nicht, dass er dich damit aufziehen wird, dass du ihn küssen wolltest und er im letzten Moment nen Rückzieher gemacht hat.“ „Danke, dass du es nochmal ausgesprochen hast, Linda. Ich hätte es fast vergessen!“, lasse ich motzend die Schultern fallen. Sie blinzelt mich fragend an. „Hää?! Wie?! Naja, wie auch immer. Du kannst dich ja mit mir und meinem FREUND unterhalten, wenn Ben in die Nähe kommt.“


Unheimlich zögerlich betrete ich die PANORAMA. Bei jedem Schritt blicke ich in eine andere Richtung, um möglichst schnell Ben zu erspähen. Doch keine Spur von ihm. Mir fällt gar nicht so richtig auf, dass Dave und Linda sich mit einem fetten Zungenkuss begrüßen, als hätten sie sich Jahrzehnte nicht gesehen, so sehr bin ich in meine Detektiv-Tätigkeit vertieft. Nachdem Dave unsere Bestellung aufgenommen hat und wieder hinterm Tresen verschwunden ist, frage ich Linda, ob sie ihn vielleicht gesehen hat. „Hm… nein! Ich… ich hab ihn nicht gesehen.“ Eigentlich hätte ich mir die Frage sparen können – vermutlich hätte Linda Ben nur gesehen, wenn er in Daves Mund gesessen hätte. Ich sehe mich also gezwungen, Dave zu fragen, wo Ben steckt. Als er mit den Getränken wieder zu uns kommt, ergreife ich also die Chance und frage: „Sag mal Dave, ist denn… Ben heut gar nicht… da?!“, tue ich total gleichgültig und für Außenstehende wahrscheinlich übertrieben peinlich. Linda muss grinsen, als sie sieht, wie hektisch ich an meinen Haaren herumfummele. „Der kommt erst in ner guten Stunde wieder. Er hat gemeint, er muss dringend was erledigen. Weiß aber auch nicht, was.“ Es irritiert mich, dass Dave dabei so ein spitzbübisches Lächeln drauf hat. Doch mit dieser ungenauen Antwort kann ich mich jedoch erstmal zufrieden geben.


Ein paar Tage später klingelt es plötzlich abends an unserer Wohnungstür. Linda springt vom Sofa auf und meint, es sei ihr FREUND. Dass ich gerade mit Handtuch um die Haare und im Bademantel auf dem Sofa herumlungere, stört mich indessen wenig – immerhin übernachtet Dave sehr oft bei uns, seit die beiden offiziell ein Paar sind. Bis ich Bens Stimme höre. „Hey Mädels.“ Wie ein aufgeschrecktes Huhn bewerfe ich mich selbst mit Decken und Kissen, um meinen peinlichen Quietscheentchen-Bademantel zu bedecken. „Ich hoffe, ich störe nicht.“ Linda meint: „Nein, Quatsch. Gar nicht.“ Ich hingegen piepse völlig überdreht durch den ganzen Raum: „WAAAS? AAACH!! ÜBERHAUPT NIIIIICHT!!“ und wirbele meine Arme durch die Luft. „Naja, Dave hat erzählt, dass er zu euch kommt, da dachte ich, ich komme kurz mit und lade euch ein.“, grinst er uns an. „Wozu denn?“, will Linda wissen. „Ich hab vor, ne kleine Einweihungsfete zu machen. Donnerstag Abend. Immerhin ist meine Wohnung jetzt echt vorzeigbar. Habt ihr Lust?“ „Donnerstag? Unter der Woche?“ „Freitag ist doch Feiertag!“, grätscht Dave mir altklug ins Wort. Ich versuche, mir ein nicht allzu gequältes Lächeln über die Lippen kommen zu lassen. Seit meiner unrühmlichen Knutsch-Aktion konnte ich es vermeiden, ihn wiederzusehen. Aber immerhin kann ich mich ja nicht ewig verstecken. „Gut, wir kommen gern. Wann geht’s denn los?“, frage ich also putzmunter. „Naja, ich hab mir gedacht, so gegen acht!“ „Alles klar. Wir werden da sein.“ „Sehr schön! Wird nur ne kleinere Fete. In kleinerer Runde.“ „Wer kommt denn alles?“, möchte Linda wissen. „Naja, also ihr und Mike und Sandy, Sara, Sasha und meine engsten Freunde und Bekannten. Wahrscheinlich kennt ihr einige gar nicht.“, erklärt er, „Ich muss dann jetzt auch los. Wie gesagt, ich wollte euch nur kurz persönlich einladen. Machts gut!“ Kaum ist die Tür geschlossen, vibriert mein Handy, ne Nachricht von Ben: >Könntest ja am Donnerstag im Bademantel kommen! ;)< „Wieso läufst du denn jetzt knallrot an? Josie?“, bohrt Dave nach während Linda mich hetzt: „Beeil dich lieber mal mit anziehen und föhnen. Das Essen dauert nicht mehr lange. Husch, Husch!“ Auf dem Weg ins Bad muss ich immer noch über Bens Nachricht schmunzeln. So ein Idiot. Zieht mich bei jeder Gelegenheit auf.


Es dauert nicht lange, da ist der Tag angebrochen: Bens Einweihungsfete. Wir haben uns zwar inzwischen wieder des Öfteren in der Bar gesehen, wenn ich mit den Mädels dort zum Mittagessen war, aber trotzdem bin ich irgendwie aufgeregt. Wenigstens ist das Abend-Outfit schnell gefunden. Seit Bens Einladung hab ich mich schließlich jeden Tag mit dieser Frage beschäftigt. Gewonnen haben mein lederner schwarzer Minirock, meine neuen Stiefeletten, mein halbwegs durchsichtiges weißes Tanktop mit rotem Kussmund-Aufdruck und meine neue heiße Jeansjacke. Ich will sexy wirken, aber gleichzeitig lässig. Als hätte ich einfach in den Schrank gegriffen und mich spontan für das entschieden. Vollendet wird der Look noch mit Wallemähne und rotem Lippenstift.


Tja, mein Styling ist auch Linda nicht entgangen, wie sich an der Wohnungstüre heraushören lässt. „Heeey, du siehst ja toll aus. Sexy aber gleichzeitig lässig. Wenn ich nicht wüsste, dass du die Jeansjacke erst diese Woche gekauft hast, könnte man meinen, du hast einfach in den Schrank gegriffen und dich spontan für das Outfit entschieden.“ „Du kennst mich gut.“, muss ich über ihre Analyse lachen.


Als wir in Bens Wohnung ankommen, fällt mir gleich auf, dass er Linda und Sara zur Begrüßung umarmt, während ich dazu noch ein Küsschen auf die Wange bekomme. „Du siehst umwerfend aus.“, haucht er mir ins Ohr. Ehe mein Gesicht die gleiche Farbe wie mein Lippenstift annimmt, bedanke ich mich für das Kompliment und folge den anderen ins Wohnzimmer. „Sind wir etwa die Ersten?“ „Ja, aber die anderen müssten gleich kommen.“ Und so ist es auch. Nach und nach kommen immer mehr Leute, die ich noch nie gesehen hab. Natürlich entgeht mir nicht, dass Linda genauso wie ich jedes Mädel, das die Wohnung betritt genau mustert und darauf achtet, wie genau die Jungs von Ihnen begrüßt werden. Ganz besonders fällt uns hierbei ein Mädchen auf, das Dave besonders herzlich begrüßt. Natürlich kann Linda nicht sofort nachbohren, wer genau sie ist, sondern wartet erst eine halbe Stunde und quetscht Dave ganz „diskret“ aus. Zu unserem Erstaunen rückt Dave sofort mit der Sprache raus und erzählt uns, dass es sich um seine Exfreundin Liz handelt. Man hört förmlich den Dampf aus Lindas Ohren schießen. Dave bemerkt das natürlich, scheint sich aber ein Späßchen damit zu machen und denkt gar nicht dran, unsere Neugier zu befriedigen. Schlecht für Linda – die ist nämlich zu stolz, als dass sie auch nur eine einzige Frage stellt.


Als Dave auf die Toilette verschwindet, nimmt sie ihre Chance wahr und trägt mir auf, bei Ben nachzufragen, wie lange Dave mit dieser Tussi zusammen war, warum sie sich getrennt haben, wer von beiden sich getrennt hat, bla bla blaaa! „Also weißt du: Ich hab eigentlich nicht wirklich Lust, Ben über Daves Liebensleben…“, da stößt sie mir mit voller Wucht ihren Ellbogen in die Rippen, „AUAAA!! Verzeihung, ich meine natürlich Daves FRÜHERES Liebesleben auszuquetschen.“ „Bitte! Tu mir den Gefallen!“, fleht sie mich mit Bambi-Augen an. Schließlich stehe ich mit rollenden Augen auf und sehe nach, wo Ben steckt. „Also guuut…“


Da erspähe ich ihn an der Wohnungstür, mit einer weiteren jungen Frau um den Hals. „Oh, Josie. Darf ich dir meine Nachbarin vorstellen? Das ist Chrissi. Sie wohnt in der Wohnung unter mir.“ „Aaah, dir haben wir es also zu verdanken, dass Ben uns bei der Renovierung fast erschlagen hätte!“, scherze ich charmant. „Ich bin Josie. Freut mich.“ Mir ist, als würde sie mich nicht aus den Augen lassen wollen. Sie scannt mich von oben bis unten, krallt sich an Bens Arm fest und piepst ihn an, ob er ihr seine restlichen Freunde nicht auch noch vorstellen will. Hat sie mir etwa meinen Scherz übel genommen oder wieso führt sie sich so merkwürdig auf?! Naja, wie dem auch sei – das wars wohl mit meiner Chance, Ben über Liz zu interviewen.


Als Linda Ben an mir vorbeilaufen sieht, kommt sie wie eine Wahnsinnige auf mich zugestürmt: „Hast du ihn denn nicht gefragt?! Gar nichts?!“ „Tut mir leid! Ich war damit beschäftigt, mich nicht von Nachbarin Chrissis Blicken töten zu lassen.“ „Meinst du die, die an Bens Arm hängt?!“ „Ja genau!“ „Die kenn ich doch!“, meint Linda. „Ach echt?! Woher denn?“ „Aaaah, das ist die, die dauernd in der Panorama auftaucht.“ „Echt?! Also ich hab die noch nie gesehen.“ Da werde ich mit erhobenem Zeigefinger belehrt: „Doch doch. Ich bin mir ganz sicher. Die ist total oft in der PANORAMA und sitzt alleine an der Bar. Ich hab sie beobachtet. Ich dachte nämlich, dass sie auf Dave steht.“ Da kann Linda sich ein siegessicheres Grinsen nicht verkneifen: „Aber scheinbar hab ich mich geirrt.“ „Was grinst du denn so blöde?“, da fällt auch bei mir der Groschen: „Denkst du etwa, sie steht auf Ben???“ „Naja, also der Verdacht liegt auf jeden Fall nahe, wenn man sie sich mal so anschaut.“, stammelt sie herum. Und sie hat den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Sie hat Recht. Nachbarin Chrissi steht tatsächlich auf Ben.


Ich will mich gerade umdrehen und mir die beiden nochmal genauer anschauen, da steht plötzlich ein Kerl ganz dicht neben mir: „Hey! Ich bin Antonio! Nenn mich Toni!“ Bei seinem vor Schmalz triefenden Blick dreht sich mir fast der Magen um, doch ich gebe mir die größte Mühe, freundlich zu sein: „Hey, Hallo. Ich bin Josie.“ Hätte ich doch nur vorher gewusst, was ich mir da eingebrockt hab.


Einige Stunden später bin ich den komischen Kerl noch immer nicht losgeworden. Von außen muss das Bild ja wirklich lustig aussehen: Ganz rechts auf Bens riesiger Couch sitzt dieser schleimige Italiener, der mich mit Geschichten aus der Muckibude beeindrucken will, daneben – wie schon erwähnt – meine Wenigkeit vor Langeweile seufzend, neben mir Sara und Sasha, die sich schmachtend über ihren London-Trip unterhalten, daneben Linda, die Dave und Liz – ganz links auf der Couch – keine Sekunde aus den Augen lässt. Als Sara kurz ins Bad verschwinden will, setzt sich Linda eilig neben mich. Die Neugier scheint sie fast zum Platzen zu bringen. „Los, versuch doch bitte nochmal, mit Ben zu reden. Ich muss alles über diese Liz wissen!“ Tja, da mich der 1,60m große Möchtegern-Bodybuilder einfach nicht in Ruhe lassen will, kommt mir Lindas Hilferuf gerade recht. Ich drehe mich um und lasse meinen Blick durch die Wohnung schweifen. „Ich seh ihn grad nirgendwo.“ Da kommt auch Sara wieder zur Couch. „Wen suchst du denn?“ „Ben! Hast du ihn gesehen?“ „Ja, der ist im Moment im Bad, deswegen konnte ich jetzt auch nicht, was schlecht ist, weil ich wirklich dringend pinkeln muss.“, hoppelt sie vor uns auf und ab. Es dauert nicht lange, da kommt Ben aus dem Badezimmer. Er grinst und plötzlich kommt hinter ihm Nachbarin Chrissi aus dem Bad. Erst auf den zweiten Blick fällt mir auf, dass Ben seinen Gürtel noch zurecht rückt. Mir fällt die Kinnlade runter – Linda scheinbar auch: „Hast du das gesehen?“, flüstert sie mir mit Entsetzen zu. „Ähm, das war bestimmt nur… also…“ „Es wirkt als hätten sie auf dem Klo ge…“ Ich verbitte mir, dass Linda diesen Satz zu Ende bringt und falle ihr ins Wort: „SARA!!! Das Bad ist frei!“ Mein Gebrüll hört man scheinbar durch die ganze Wohnung. Ben sieht mich an. Er kommt rüber. Mit jedem Schritt, den er näher kommt, werde ich unruhiger. „Wie dummdreist diese Chrissi grinst…“, murmelt Linda mir noch ins Ohr, ehe Ben sich neben Muckibuden-Toni auf die Couch setzt.


„Na?! Amüsiert ihr euch?“ Während alle anderen stinknormal auf seine stinknormale Frage antwortet, puhle ich am Etikett meiner Bierflasche rum. Ben nimmt meine Hand und sieht mich an: „Hey, ich wollte dir gern noch ein paar Leute vorstellen. Kommst du mit?“ Mit einem beiläufigen Blick auf seine Gürtelschnalle antworte ich ihm in einem schnippischen Ton: „Tut mir leid, ich unterhalte mich grade. Vielleicht später.“


Einige Zeit später, nachdem Dave mit Linda die Runde gemacht hat und sie jedem als seine Freundin vorgestellt hat, nachdem Sara und Sasha sich mit ein paar von Bens und Daves Freunden unterhalten haben und ich nach wie vor von diesem Toni vollgelabert wurde, versucht Ben es erneut: „Hey Josie, würdest du mir mal kurz in der Küche helfen?!“ Selbstverständlich weiß ich, dass es in der Küche wahrscheinlich gar nichts zu helfen gibt, aber ich halte dieses Machogehabe einfach nicht mehr aus. Ich springe also vom Sofa auf und folge Ben in die Küche – scheinbar nicht schnell genug, weil er meine Hand am Handgelenk festhält.


In der Küche angekommen, bleibe ich fragend stehen und warte darauf, dass er anfängt, zu reden. Doch dem ist nicht so. Er rennt von Küchenschrank zu Küchenschrank und bittet mich tatsächlich, die bereitgelegten Chips und Süßigkeiten zu verteilen. „Das… das wars?!“ „Ja. Ich hatte vor, die Fressalien zu verteilen und dachte mir, du bist bestimmt dankbar, dass ich dich aus Tonis Fängen befreie. Tut mir übrigens leid. Keiner von uns mag ihn so wirklich, aber er ist nun mal Vanessas Bruder.“ „Vanessa ist die mit… dem braunen Halstuch, oder?!“ „Ja genau. Wir kennen uns alle noch aus der Schule. Ich wollte dir ja vorhin alle vorstellen aber du warst grade vertieft in… die Unterhaltung mit Mucki-Toni.“, muss er schmunzeln. Ich verteile also die Naschereien auf die Schälchen und Ben stellt sie auf den Ess- und auf den Wohnzimmertisch. Als er die letzten beiden Schälchen holt, stellt er sich vor mich. Er sucht meinen Blick, doch ich schaue verlegen zu Boden. „Du… du gehst mir doch nicht aus dem Weg, oder?!“, will er wissen. Ganz typisch fange ich mal wieder an, an meinen Haaren rumzuspielen. „Nein… wieso?!“, tue ich, als wüsste ich gar nicht, wovon er spricht. „Seit ich bei dir zum Essen war, haben wir uns nicht mehr gesehen. Meine Nachrichten werden auch nicht beantwortet. Also?? Was ist los?“ Ich will gerade antworten, als plötzlich Nachbarin Chrissi auf der Matte steht: „Ben?! Ich werd jetzt abhauen, ja? Meine Kopfschmerzen melden sich zurück.“ Erschrocken dreht er sich zu ihr um: „Was denn?! Jetzt schon?“ „Ja! Tut mir leid. Ich geh gleich schlafen. Viel Spaß im Urlaub dann.“ Urlaub?? Hab ich da Urlaub gehört?? Ben fährt in den Urlaub? Interessant, interessant. Vor allem sein ertappter Gesichtsausdruck ist interessant. „Aa… Also, ich bring dich noch zur Tür. Schön, dass du da warst.“


Während er Nachbarin Chrissi verabschiedet, hechte ich zu Linda: „Ben fährt in den Urlaub?!“ „Was? Wirklich? Wo fährt er denn hin?“ „Keine Ahnung.“ „Und wann?“ „Keine Ahnung.“ „Und woher weißt du das?“ „Das hat Nachbarin Chrissi gesagt!“ Vor lauter Diagnosen, die wir Mädels uns zusammenspinnen, fällt uns gar nicht auf, dass Dave dauernd vor sich hin grinst. Nachdem Ben Nachbarin Chrissi erfolgreich aus der Wohnung bekommen hat, kommt er zu uns. „Puuuh, das war knapp!“, flüstert Ben Dave zu – von Linda und mir natürlich nicht unbemerkt. „Was lachst du denn so dämlich?“, will Ben verdutzt wissen. Dave wisch sich zum Antworten die Tränen aus den Augen. „Ganz ehrlich?! Jetzt kannst du es gleich sagen!“ „Was meinst du?!“, macht Ben einen auf unwissend. Wir Mädels hingegen verstehen nur noch Bahnhof. „Los. Jetzt sags endlich! Die Mädels habens eh schon mitbekommen!“ Und wir staunen nicht schlecht, als Ben die Sache endlich aufklärt: „“Najaaa, als ich neulich bei dir zum Essen war, Josie… da kam dieser Anruf. Du warst so traurig wegen des geplatzten Urlaubs…“ Ich traue meinen Ohren nicht. „Du warst so traurig. Da kam mir die Idee, dass ich euch allen ja sowieso noch was schulde.“ Lindas Augen blitzen immer greller. „Wofür schuldest du uns denn noch was?“, frage ich mit schräg liegendem Kopf wie ein Hund. „Ssscccht, lass ihn ausreden!!!“, zischt Linda mich an. „Naja, weil ihr doch hier die Bude auf Vordermann gebracht habt. Das muss schweineteuer gewesen sein.“ „Ach, das ist doch…“ „SSSCCCHT!! Ben, sprich bitte weiter.“ Lindas Herzschlag wird schon fast sichtbar. „Naja, wie auch immer. Mir kam die Idee, dass wir ja zusammen wegfahren könnten.“, grinst er uns total charmant an. „Du hast doch wohl nicht…“, stottere ich herum, „Dave, der hat uns doch keinen Urlaub gebucht, oder?!“, hänge ich mich an Daves Hemdkragen! „Naja, fast.“, klärt Ben endgültig auf, „Meine Großeltern haben ein wahnsinnig tolles und riesengroßes Strandhaus. Und ich hab uns vier übers verlängerte Wochenende einquartiert.“ „Das ist doch nicht dein Ernst!!“, Linda und ich können es einfach nicht fassen. „Es sollte eigentlich ne Überraschung sein. Wir fahren ungefähr sechs Stunden, also wollen wir morgen frühspätestens um 7 los.“


Ab diesem Zeitpunkt ist meine Laune wieder ganz oben. Den restlichen Abend, haben wir noch viel Spaß. Bens und Daves Freunde sind wirklich nett. Und als Vanessa mein Top bewundert hat, war es sowieso um mich geschehen. Dass Bens Hand bei der ein oder anderen Erzählung auf meinem Rücken landet, hab ich ohne Gegenwehr geduldet. Es dauert natürlich nicht besonders lange, da prescht Linda mit einem leicht bissigen Blick Richtung Liz mit den Urlaubsplänen vor. Alle sind hellauf begeistert und kennen zu unserer Verwunderung das Strandhaus von Bens Großeltern: „Ooooh, wie oft wir da früher waren.“ Ein Raunen geht durch die Reihen. Scheinbar hat jeder etwas dazu zu erzählen: „Jaaa, das geile Essen auf dem Grill!“ „Und die Musiiik!“ „Ja, die Musik am Strand und auf der Terrasse war immer das Highlight!“ Man sieht förmlich in den Gesichtern, dass sie allesamt in der Vergangenheit schwelgen. Liz hält sich aber – vermutlich zu ihrem Besten – zurück und erzählt keinen Schwank aus ihrer Beziehung mit Dave oder sonstwas. „Ja, das ist echt schon ewig her! Und wir waren damals mehrere oder?“ „Naja, überleg mal… Kev und Stella sind weggezogen, Bea hat sich plötzlich von uns allen abgewandt, als sie mit diesem Öko-Fritzen zusammengekommen ist…“ Plötzlich quasselt Dave dazwischen: „Mag noch jemand Chips? Dann füll ich nach…“ Lindas Fragezeichen im Gesicht zufolge, weiß sie auch nicht, wieso er so komisch reagiert. Da meldet sich auch wieder Muskel-Toni zu Wort: „Aber wir waren doch noch mehr, oder?!“ Vanessa: „Toniii…“ „Was?! Da fehlt doch noch jemand!“ „Toniiiii…“ „Aaaah, ja! Mona und Steve waren früher noch dabei!“ Während Vanessa Toni regelrecht boxt, schauen alle anderen peinlich berührt auf den Boden und Dave rennt wie wild geworden mit drei Tüten Chips durch die Wohnung. Linda, Sara, Sasha und ich verstehen nur Bahnhof, wollen jedoch mit dummen Fragen nicht den schönen Abend kaputt machen – Muskel-Toni hat ja immerhin in diese Richtung unbeabsichtigt sein Bestes gegeben. Doch die Situation fängt sich zum Glück relativ schnell wieder und wir amüsieren uns noch etwas. Mich würde trotzdem brennend interessieren, was es mit diesem Steve und vor allem mit dieser Mona auf sich hat! Aber gut, das wird ich schon noch rauskriegen – und wenn nicht ich, dann eben Linda! ; )


Nachdem die letzten Gäste gegen halb zwei gegangen sind und Muckibuden-Toni mir „unauffällig“ seine Nummer in die Hand gedrückt hat, räumen wir die Wohnung noch auf. Zu meiner Beruhigung lässt Ben mich noch wissen, dass er vorhin beim Sekt öffnen sich und Nachbarin Chrissi mit Sekt bekleckert hat und er deshalb mit ihr im Bad verschwunden ist, um die Klamotten einigermaßen trocken zu kriegen. Tja, mit dieser letzten kleinen Information, schlafe ich heut Nacht bestimmt besser.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.08.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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