Manfred Bieschke-Behm

Auftrag erledigt


Walter schreckte erst auf, als Heinz den Motor abstellte: „Was ist jetzt ...?, wollte er wissen. “Warum wirkst du auf freier Strecke den Motor ab. Ausgerechnend hier in dieser gottverdammten Gegend wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen?! “ Er hatte so ein komisches Gefühl, als würde in den nächsten Minuten irgendwas passieren. Schon während der Fahrt hatte Walter ein ungutes Gefühl. Sonst versuchten sie sich trotz des Motorenlärms während der Fahrt zu unterhalten. Diese Fahrt verlief sprachlos. Nachdem Heinz und Walter ihren Heimatort in rasanter Fahrt hinter sich gelassen hatten fuhren sie zunächst durch einen dichten undurchdringlich wirkenden Wald bis dieser sich endlich nach vorne hin öffnete und eine freie Sicht zuließ. Jetzt schossen rechts und links langgestreckte reife Getreidefelder an ihnen vorbei. Danach folgen Wiesen und in unregelmäßigen Abständen verkrüppelte Obstbäume. Weder kam ihnen ein Auto entgegen noch folgten ihnen irgendwelche Fahrzeuge. Das Wetter trug sicherlich dazu bei, dass auf der Landstraße so wenig los war. Es lag Gewitter in der Luft. Der Himmel sah wenig einladend aus. Wolken schoben sich zusammen und bäumten sich zu Ungetümen auf. Die Sonne verlor ihre Daseinsberechtigung, sie hatte den Kampf gegen die Urgewalt der Wolken verloren. Erste Regentropfen fielen. Erst zaghaft trafen die Tropfen Walter und Heinz, dann verstärkt. Heinz fuhr ungebremst weiter. Walter hatte das Gefühl, das Heinz das Tempo noch erhöhte. Die Sicht durch ihre Helmvisiere war durch das Regenwasser stark eingeschränkt. Walter fühlte sich auf dem Rücksitz merklich unwohler. Er versuchte Heinz noch fester zu umklammern, als er es ohnehin schon tat um ein bisschen mehr Sicherheit zu fühlen. Am liebsten hätte er seinen Freund gebeten wenigsten das Tempo zu verringern, noch besser eine Stelle anzufahren wo ein Unterschlupf möglich gewesen wäre. Warum er seinen Wunsch nicht äußerte, lässt sich mit Bestimmtheit nicht sagen. Vielleicht wollte er Heinz nicht verärgern. War er es doch stet derjenige der sagte: „Fahre ich oder du?“
Walter und Heinz sind seit vielen Jahren dicke Freunde. Kennengelernt haben sie sich auf der Baustelle auf der sie beide beschäftigt waren. Als sich kennen lernten waren beide ungebunden und genossen ihre Unabhängigkeiten. Sie verbrachten viele Stunden ihrer Freizeit gemeinsam. Unter anderem mit ausgedehnten Motoradtouren. Irgendwann hatte Heinz eine Frau kennen gelernt und sich in sie verliebt. Helga passte gut zu Heinz, wie Walter immer wieder neidvoll feststellte. Gelegentlich unternahmen sie etwas zu dritt und hatten viel Spaß dabei. Vor zwei Monaten besuchten sie gemeinsam einen Biergarten. Die Stimmung war gut. Bier und Schnäpse trugen dazu bei, dass Walter, Heinz und seine Helga immer ausgelassener wurden. Man prostete sich wiederholte Male zu was Helga zum Anlass nahm beiden Männern freundschaftliche Küsse zu geben. Heinz dachte sich nichts dabei. Walter schon. Er spürte wie sein Verlagen Helga näher kennen lernen zu wollen wuchs. Ihm war schon klar, das Helga Heinz gehörte und er sich zurückzuhalten hat, dennoch wuchs in ihn die Lust mit Helga zu schlafen. Helga machte es  Walter leicht seinem Wunsch näher zu kommen. Als Heinz sich bereit erklärte eine neue Runde Bier und Schnaps zu organisieren war sie bereit Walter leidenschaftlich zu küssen. Von dem Moment an wussten Walter und Heinz, dass der Kuss nicht alles gewesen war. Was folgte waren regelmäßige Treffs, die meist in Walters Wohnung stattfanden. Die Treffen zwischen Walter und Heinz wurden dagegen weniger. Meist war es Walter der Ausreden fand um Zusammenkünfte zu verhindern. Aber auch Heinz hatte sich mehr und mehr zurückgezogen. Gründe hierfür suchte Walter nicht. Ihm war es recht. Die wenigen Treffen die zwischen den beiden Männern stattfaden waren überschattet von Unsicherheit, Angst vor Auseinandersetzungen und Rechtfertigungen. ‚Weiß Heinz von dem Verhältnis zwischen ihm und Helga?’, überlegte Walter nicht nur wenn er mit seinem Freund zusammen war. ‚Und wenn ja, warum stellt Heinz ihn dann nicht zur Rede?’, überlegte er. Nicht das sich Walter danach sehnte, dennoch würde er es verstehen können. Heinz begründete seinen Rückzug mit Helga, für die er gerne und viel Zeit investiert und Walter erklärte, dass er jemanden kennengelernt hat über die er noch nicht sprechen möchte.
 „Hast du Lust auf eine Motoradtour“ wurde Walter am Telefon gefragt als er gerade dabei war sich zu rasieren.
„Bei dem Wetter? – Schau doch Mal aus dem Fenster“?
„Komm schon. – Wir sind doch keinen Warmduscher. Oder? – Vielleicht meint es der Himmel gut mit uns und wir fahren der Sonne entgegen.“  Mit diesen Worten überzeugte Heinz Walter.
„OK. Hole mich in einer halben Stunde ab.“
Bevor Walter vor die Haustür tritt ging er zum Briefkasten. Einen Brief von Helga steckte er ungeöffnet in seine Lederjacke.
„Wir können doch nicht mitten auf der regennassen Landstraße stehen bleiben“, bemerkte Walter. „Bleib ruhig mein Freund“, sagte Heinz. Walter schaute indes beunruhigt um sich. „Alles wird gut“, beschwichtig Heinz seinen Freund mit einem Unterton der alles andere als ermutigend klang.
„Warum hast du den Motor überhaupt abgestellt?“, will Walter wissen und spürt ein ständiges Augenlidzucken was Unruhe und Nervosität signalisiert.
Walter, der inzwischen vom Motorrad abgestiegen war und sich vor Walter gestellt hatte wollte wissen, was Walter vor hat.
„Ich will dich loswerden.“
„Wie loswerden? – Warum hast du mich denn mitgenommen, wenn du mich loswerden willst?“
„Halt die Fresse du Schwein“, brüllt Heinz, für Walter völlig unvorbereitet, an. „Warum musstest du mit meiner Helga in die Kiste steigen? Es gibt genug andere Weiber, die du besteigen kannst. Warum ausgerechnet Helga?“
Walter wusste nicht wohin er sehen sollte. Wie versteinern stand er vor Heinz und sucht nach Worten, die ihm nicht einfielen. Was sollte er auch sagen.? Tatsache war, dass er hinter dem Rücken seines Freundes ein Verhältnis mit Helga angefangen hatte das bis heute anhielt.
Bevor Heinz und Walter feststellten, dass es aufgehört hatte zu regnen, fing er wieder an. Ein gleichmäßiger Regen perlte an der Lederkluft der beiden Männer ab. Auf der Fahrbahn bildeten sich kleine Rinnsale, die rechts und links von der Straße im Sand versickerten. Heinz, der noch immer auf seinem Motorrad saß, öffnet seine zu Fäusten geballten Hände, mit denen er am liebsten zugeschlagen hätte. Er umklammerte die Griffe vom Lenker und schaute auf seine Armbanduhr. Er wusste, dass er in dieser Minute wegfahren musste. Noch einmal hörte Walter Heinz brüllen: „Du riesengroßes Schwein“ und: „Das hat Folgen.“ Anschließend vernahm er aufbrausendes Motorengeräusch. Walter sah fassungslos und entgeistert durch den Regen hindurch dem Motorrad hinterher. Als es außer Sichtweit war drehte er sich orientierungslos um und sah in weiter Ferne zwei Scheinwerferlichter die sich ihm unaufhaltsam näherten. Jetzt konnte Walter bereits die Konturen erkennen. Gewagt stellte er sich fast auf die Mitte der Straße. Mit beiden Armen winkte der Hilfesuchende um auf sich aufmerksam zu machen. Die Scheinwerfer, vor denen der Regen wie wild tanzte, fingen an Walter zu blenden. Das Auto, von dem Walter glaubte dass es halten würde, fuhr ungebremst auf ihn zu.
 
Heinz sitzt vor dem Fernseher. Er hört Nachrichten: Tödlicher Unfall mit Fahrerflucht. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Walter B. wurde auf regennasser Landstraße von einem Auto überfahren. Der Getötete trug übliche Motoradkluft. Weder ein Motoradführerschein noch ein Motorrad wurden am Unfallort gefunden. Aus einem Brief, den Walter B. mit sich führte geht hervor, dass eine Frau H. Schluss mit ihm machen will. Die Polizei fragt: „Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Briefinhalt?“
Die Kripo befindet sich noch ganz am Anfang ihrer Ermittlungen und ist auf sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen ...
 
Das Telefon das klingelt lenkt Heinz vom Nachrichten hören ab.
„Ja bitte!“
„Auftrag erledigt.“
„Scheiße!“
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.11.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Humorvoll schreibt der Autor über eine Kindheit im Jahr 1949 in einem kleinen Dorf in der damaligen "Ostzone".
Armut ist allgegenwärtig und der Hunger ein ständiger Begleiter. Für den 11 jährigen Walter, mit der Mutter aus Schlesien vertrieben, ist es eine Zeit des Wandels, der Entdeckungen. Einfallsreichtum und Erfindungsgabe gehören zum Alltag.

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