Sven Eisenberger

Raum und Wort

Mit Worten bauen wir unsere Welt und im besten Fall auch unser Zuhause. So, wie Menschen mit Sprache umgehen, so wohnen und bauen sie auch: städtische Architektur, wie wir sie heute in Form von zahlreichen Investorenruinen erleben, ist tatsächlich nichts weniger als einbetonierte Wortlosigkeit und Spracharmut. Wahrhaft gute neue Architektur, hierzulande selten wie ein rosa Meerschweinchen, ist immer auch ein kraftvolles, wortgewaltiges Statement. Sie erstaunt und fasziniert, weil sie verunsichert, weil sie nicht so richtig hineinzupassen scheint in das sie Umgebende, ganz wie der rätselhafte Monolith in Kubricks “2001”. Sie zeigt auf, was in der Syntax des Bestehenden nicht stimmt. Am Anfang eines jeden Bauvorhabens sollte folglich ein Gedicht stehen: Fassaden werden aus Worten gemacht!

Es ist nicht das Kapital an sich, welches die sprachliche Einöde und Verwüstung hervorbringt – das Geld ist nur ein Medium. Vielmehr ist es die Ideenlosigkeit des Kapitals, die überall nur noch “Renditeobjekte” schafft. Doch wir sind nicht machtlos. Die Macht der Poesie wird hier als Gegengewicht um so wichtiger, je mehr Kreativitätsbrachen sichtbar werden. Sie beschränkt sich nicht auf den sogenannten “virtuellen Raum”, sondern greift über in den realen Raum unserer Lebenswelten, wenn wir Hässlichkeit, emotionale Kälte und Isolation, die Ausdruck ausschließlicher Funktionalität sind, als eben solche auch kenntlich machen. Es ist nicht so, dass der Zweite Weltkrieg in diesem Lande nie wirklich aufgehört hätte, wie man behaupten könnte, wenn man Architektur unter Generalverdacht stellt. Es gab hoffnungsvolle Ansätze in den 1950er und 60er Jahren, die jedoch schon 20 Jahre später ihr Ende fanden in einer katastrophalen Gleichmacherei auf unterster Zivilisations- und Ingenieursstufe. Im besten Fall vermag Architektur ein Gegenmodell zur Gesellschaft ihrer Zeit zu entwerfen, weil sie mutig Visionen von einem besseren Leben für alle anzudeuten oder gar zu verwirklichen im Stande ist. Leider fehlt vielen Architekten offenbar dieser Mut oder auch die Möglichkeit, sich gegen schwachsinnige, aber leider sehr vermögende Bauherren durchzusetzen, denn es geht nicht nur um bloßen Wohnraum, sondern um die ästhetische Gestaltung des öffentlichen Raums. Übernehmt endlich jenes Maß an Verantwortung, das eurem Berufsstand angemessen ist, denn schlechte Architektur kostet wahrscheinlich immer noch mehr Menschenleben als jede gute Tabakreklame! Ein Anfang wäre gemacht, wenn ihr euren neuen Mercedes gegen eine kleine Bibliothek von Lyrikbänden eintauschen würdet. Das sparte nicht nur Geld, sondern eröffnete auch neue kreative Räume, weil jeder herausragende Dichter euch lehren könnte, wie man gut gesetzte bildhafte Sprache zu bemerkens- und lebenswerter Architektur verdichtet. Und das Schöne ist: das letzte Wort ist nie gesprochen!

 

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