Sven Eisenberger

Schiefgänger (1994)

Ich entscheide mich für den Kauf eines schönen Stückchens Baumkuchen, ohne größere Beschädigungen, nahezu krümelfrei in Plastikfolie abgepackt. An der Kasse fällt es mir unversehens herunter und sieht jetzt krümeliger aus als all jene Exemplare, die ich wegen ihres makelhaften Zustandes wieder ins Regal zurückgelegt hatte. Wenn das mit “Loslassen” gemeint war, dann habe ich es inzwischen zu meinem persönlichen Leidwesen glanzvoll perfektioniert.

Nichts Ungewöhnliches aus Sicht von Murphyanern, doch in letzter Zeit steigt die Kumulationsgeschwindigkeit dieserlei „Missgeschicks“ und alle Unfalldaten sprechen für einen chronischen Schiefgang. Doch nicht ich, sondern die Dinge um mich herum scheinen „auf die schiefe Bahn“ zu geraten. Hier hilft kein Präventionsplan für meinen Alltag, sondern nur gelassenes Akzeptieren des Schicksalsgefälles. Ist bestimmt nur eine kurze Phase geballten Unglücks! So etwas kommt vor, ist schon den Glücklichsten unter uns passiert. Eine Verschwörung kann es definitiv nicht sein, dafür bin ich viel zu unbedeutend. Die Möglichkeit, es könne sich um eine von Gottes makabren Prüfungen handeln, denen er bekennende Zweifler gerne einmal unterzieht, scheidet ebenfalls aus, weiß er doch längst, dass ich regelmäßig durch jede seiner Prüfungen falle. Opfer eines Hexenfluchs geworden zu sein, halte ich für unwahrscheinlich (wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen), da alle maliziösen und schuldhaft beendeten Beziehungen schon eine ganze Weile zurück liegen. Oder gibt es da eine unerklärliche Zeitverzögerung, bis in die Welt gesetzte Verwünschungen doch ihr Ziel erreichen? An so etwas muss man gleuben, und in Glaubensfragen stehe ich ja stets ganz hinten in der Warteschlange. Wäre ja bereit, für verursachtes Unglück geradezustehen, wenn ich wüsste, worum es sich denn genau handelt. Einstweilen versuche ich einfach, gerade zu stehen inmitten des schrägen Geschehens und die Dinge gediegen schiefgehen zu lassen.

 

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