Sarah Hagemeister

Der Mann mit den dunklen Augen

Minutenlang schon bemerkte Letizia die Blicke des Mannes. Irgendwoher kannte sie ihn, es wollte Ihr jedoch nicht einfallen woher. Sie schaute Ihm direkt in die Augen, die ihr Angst machten. Sie musterte Ihn eine Weile und stellte fest, dass er sehr gut gekleidet war. Er musste Geld haben oder wollte zumindest den Eindruck erwecken, als hätte er welches. Sie atmete auf, endlich kam Ihre Haltestelle und sie konnte Aussteigen. Ihr war es unangenehm, denn dieser Mann ließ sie nicht aus den Augen, sie spürte noch so lange seinen Blick auf Ihr bis die Bahn, um eine Kurve verschwunden war. Wer war das? Sie wusste, sie kannte Ihn irgendwoher. Und wieso hatte er sie so angeschaut? Sie ging nach Hause in Ihr kleines Apartment, am Stadtrand und war froh, als sie die Tür hinter sich schließen konnte. Es war mal wieder ein anstrengender Tag gewesen und die Kinder haben Ihr den letzten Nerv geraubt. In solchen Momenten war Sie froh, dass sie wahrscheinlich nie welche bekommen würde. Denn eine Fehlgeburt in der Vierten Woche und deren Folgen waren so verheerend gewesen, dass es für sie schwer sein würde überhaupt schwanger zu werden und selbst wenn standen die Chancen, dass dieses Baby überleben würde nicht sehr hoch. Im nächsten Moment schämte sie sich für diesen Gedanken, denn auch wenn ihre 2-6 Jährigen Manchmal anstrengende kleine Biester waren, waren sie dennoch ein solcher Segen. Es Faszinierte sie immer wieder wie unbeschwert sie waren, keine Sorgen um Geld oder Zukunftsängste, manchmal wünschte sie sich auch wieder diese Unbeschwertheit zurück. Sie schüttelte diese Gedanken von sich und ließ sich im Bad eine heiße Wanne ein.
Dieses Bad hatte gut getan und jetzt freute sich die junge Frau nur noch auf ihr Bett. Sie hatte sich grade hingelegt, als es plötzlich an der Tür klopfte. Sie seufzte und stand wieder auf. Wie sie unerwartete Besuche hasste. „Wer ist das denn schon wieder?“ murmelte sie auf dem Weg durch den Flur vor sich hin. Und als sie durch den Spion schaute, sah sie ein kleines Mädchen vor Ihrer Tür stehen, sie runzelte verwirrt die Stirn Was zum Teufel? Letizia blickte auf die Uhr, es war kurz vor Mitternacht. Vorsichtig öffnete sie ihr und blickte das Kind fragend an. Sie schätze das Mädchen auf höchstens Zehn Jahre, ihre Dunkelbraunen Haare gingen ihr bis zur Schulter und umrahmten Ihr dürres Gesicht perfekt. Sie sah sie verängstigt und kreidebleich an, erst jetzt bemerkte sie, dass das Kind einen Umschlag in Ihren Händen hielt. „Was willst du?“ fragte die Frau, doch das Mädchen antwortete nicht, sondern drückte ihr nur den Brief in die Hand, dann rannte sie davon. Etwas perplex ließ sie die Tür hinter sich zufallen. Dann riss sie den Umschlag ungeduldig auf. Lediglich ein kleiner zusammengefalteter Zettel befand sich darin. Darauf standen Ihr Name, Ihr Geburtsdatum und das Datum des morgigen Tages. Weiter nichts. „Was soll das?“ fragte sie sich. Sie kam sich ziemlich verarscht vor. Beschloss es aber zu ignorieren, es war ihr sowieso ein Rätsel was das zu bedeuten hatte. Dann ging sie nur noch ins Bett, sie war Todmüde.
Sie erwachte von einem schmerz im Arm. Ihr Blick fiel auf den Wecker, es war vielleicht grade mal eine Stunde vergangen. Wenig später hörte sie die ersten Geräusche. Sie vermutete, dass sie sich das nur einbildete und versuchte weiter zu schlafen, doch die Geräusche wurden immer lauter. Ihr war, als würde sich jemand bei Ihr im Apartment befinden. Schlaftrunken stand sie auf und schlurfte zur Küche, aus der sie die Geräusche vermutete, doch als sie die Küche betrat fand sie diese wie immer vor. Sie blieb stehen und horchte, sie hörte es immer noch, nach und nach schaltete sie in allen Räumen die Lichter an, doch nichts. In Ihren Vier Wänden schien sich niemand weiter zu befinden. Doch es war so nah, dass sie das Gefühl hatte, es müsse aus ihrem Apartment kommen. Verwirrt knipste sie die Lichter wieder aus und kroch zurück in ihr Bett. Zwar hörte sie immer noch laute aus der Wohnung, aber da vor kurzem die Schlösser erneuert wurden, fühlte sie sich sicher. Schnell schlief sie wieder ein. Es dauerte nicht lange, da erwachte sie erneut. Sie öffnete die Augen und sah nur wenige Meter vor sich eine dunkle Gestalt. Wie erstarrt lag sie unter ihrer Bettdecke und wagte es kaum sich zu bewegen. Was sollte sie tun? Die angst war Ihr in die Glieder gefahren und Sie spürte ihren schnellen Herzschlag wie er laut gegen Ihre Rippen pochte. Das schien auch von Ihrem Besuch nicht unbemerkt geblieben zu sein, langsam Schritt es auf Ihr Bett zu. Die junge Frau tastete vorsichtig nach dem Lichtschalter, endlich fand sie ihn und drückte drauf, dann wurde es hell im Zimmer und  sie war allein. Ihr Herz raste immer noch. Eben war hier doch noch jemand gewesen. Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, kramte sie in ihrem Nachtschrank nach Ihrer Waffe und ging leise damit auf die Zimmertür zu. Es klang als würde jemand Ihr Apartment umräumen oder etwas suchen. Sie zwang sich ruhig zu atmen, doch das fiel ihr unheimlich schwer. Langsam drückte sie die Türklinke hinunter und trat in etwas Nasses. Erschrocken zog sie ihren Fuß zurück und tastete nach dem Lichtschalter. Das Licht ging an und sie musste einen Schrei unterdrücken, ihr gesamter Flur war übersät von Blut. Sie sah, dass sich in Ihrer Küche etwas bewegte, die Waffe fester umklammert ging sie darauf zu. Eigentlich wollte sie gar nicht wissen, wer oder was sich dort befand, aber die Neugier war größer als die angst. Die Geräusche hatten sich verändert aus gepolter war etwas geworden, dass sich anhörte, als würde jemand etwas zerhacken. Das Adrenalin wurde weiter in ihre Venen gepumpt und wie ein Magnet wurde sie Richtung Küche gezogen. Kurz davor blieb sie stehen und noch ehe sie einen Blick hinein werfen konnte wurde Ihr schwarz vor Augen und sie verlor das Bewusstsein.  Jemand beugte sich über sie und nahm ihr die Waffe aus der Hand. Langsam kam sie wieder zu sich, sie konnte sich nicht bewegen und ihre Augen bekam sie auch noch nicht auf, sie wollte schreien aber es ging nicht, sie hatte das Gefühl, als würde sie getragen werden. Sie wurde eine Treppe hinunter gebracht und auf eine Matte gelegt. Dann entfernten sich Schritte von ihr. Eine gefühlte Ewigkeit später erwachte sie. Sie erkannte schnell,  dass sie sich nicht in ihrer Wohnung befand. Panik stieg in ihr auf. Sie versuchte etwas zu erkennen doch es war stockfinster. Sie spürte einen Kloß im Hals, Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie bekam kaum Luft. Sie schloss wieder die Augen in der Hoffnung, dass sie wenn sie sie wieder öffnet, feststellen würde, dass alles nur ein böser Traum sein würde. Doch sie musste sich nach wenigen Minuten eingestehen, dass dies nicht der Fall war. Sie hörte wie ein Schlüssel in ein Schloss gesteckt wurde und das Geräusch einer Aufschließenden Tür. Dann erhellte sich der Raum, sie befand sich in einem Keller und an der Decke hing eine nackte Glühbirne herunter. Ansonsten befand sich in dem Raum eine Matte, auf der sie sich befand und an einer Wand lehnte und ein alter Holzstuhl. Und dann erkannte sie ihn wieder, den  der sie in der Bahn beobachtet hatte. Und jetzt wusste sie auch wieder wer er war, es war ein Mann, der sie in ihrer Jugend gestalked hatte, er war ein Arbeitskollege eines Freundes gewesen. Nach einigen Vorfällen musste er ins Gefängnis.  Aber sie bemerkte er hatte sich äußerlich verändert, unter anderem hatte er sich die Haare gefärbt. Abgesehen davon war das schon einige Jahre her und sie wusste nicht mal mehr genau wie er aussah. Er kam langsam auf sie zu, starrte sie unverwandt an, erst jetzt bemerkte sie, dass sie sich kaum bewegen konnte. Mit angsterfüllten Augen erwiderte sie seinen Blick. Er hockte sich neben sie, packte ihren Arm und stach einen Nadel hinein. Er ließ sie wieder los und sie fiel nach hinten auf die Matte. Er legte sein Mund an ihr Ohr und flüsterte:“ Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich bekomme. Ich habe dich unter Drogen gesetzt.“ Jetzt erinnerte sie sich auch wieder, seine Stimme hallte in ihrem Kopf wieder. Sie spürte wie ihre Gliedmaßen schwer wie Blei und sie immer müder wurde. Sie erinnerte sich an damals. Er hatte sie schon einmal entführt. Doch dieses Mal war es etwas anders, dieses Mal würde sie nicht wiederkehren, keiner würde sie rechtzeitig finden. Sie hoffte nur, dass  es bald ein Ende haben würde und sie schnell von diesen Erinnerungen erlöst würde. Er küsste sie und verschwand. „Leb wohl“ sagte er und schaltete das Licht aus. Dann schlief sie ein - für immer.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.11.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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