Meine erste große Tour durch Südamerika, in den 1980er Jahren. Ich fuhr mit dem Zug von Uruguay nach Argentinien. Wo ich am Nachmittag im ersten Ort hinter der Grenze, in Posadas, ankam. Leider hatte ich die Fehlinformation erhalten, dass der weiterführende Zug nach Buenos Aires am nächsten Morgen abfahren würde. So ging ich also in die Stadt und suchte mir ein Hotel. Dort erzählte man mir, dass ich nur eine Stunde am Bahnhof hätte warten müssen, der Zug in die Hauptstadt würde immer am Nachmittag fahren. Und das war gerade vor 10 Minuten gewesen.
Nun gut, eigentlich kein Beinbruch. Nur hatte ich jetzt ein Problem. Ich hatte kein argentinisches Geld, wie auch, ich kam ja aus Uruguay. Und dass dieser Tag hier ein Feiertag war, hatte ich auch nicht gewusst. Alle Banken und Wechselstuben hatten geschlossen. Ich fragte im Hotel nach, ob ich im hoteleigenen Restaurant einen Kaffee trinken und später zu Abend essen könne. Das ganze wollte ich am nächsten Tag, nachdem ich Geld gewechselt hatte, mit der Hotelrechnung bezahlen. Der ältere Rezeptionist meinte nur, das wäre absolut kein Problem.
So brachte ich mein Gepäck aufs Zimmer, lief ein bisschen durch den Ort – der sich aber eher durch Abwesenheit von interessanten Plätzen auszeichnete.
Zurück zum Hotel, ins Restaurant, ich bestellte mir Kaffee. Der kam – und der Kellner brachte auch gleich die Rechnung. So erklärte ich ihm, ich würde das morgen mit der Hotelrechnung bezahlen. Da wurde ich ziemlich grob angeschnauzt, dass das nicht ginge. Also wollte ich mit US-Dollar oder mit D-Mark bezahlen. Der Keller wurde noch ein bisschen unfreundlicher – das ginge auch nicht, wie ich denn auf diese absurde Idee käme. Packte den Kaffee und zog wieder damit ab.
Meine Laune war natürlich auf dem Tiefpunkt. Ich ging schnurstracks zur Rezeption und wollte nachfragen, was denn das jetzt solle. Leider war der ältere Rezeptionist nicht mehr im Dienst. Dafür standen zwei junge Kerle rum. Ich erklärte ihnen also, was mir gesagt worden war und was mir gerade im Restaurant passiert war. Die beiden zuckten nur die Achseln und schienen sich absolut nicht dafür zu interessieren.
Meine Geduld erreichte so langsam ihr Ende. Ich fragte, ob man mir ein paar Dollar wechseln könnte. Nein, geht nicht. So fragte ich, ob ich einen 100-Dollar-Schein als Sicherheit hinterlegen könne und dann im Restaurant essen. Nein, geht auch nicht.
So, jetzt war's mit meiner Geduld total vorbei. Ich begann zu brüllen. Was denn das für ein Scheißladen wäre? Und warum man mir dann diesen Stuss erzählt hätte? Die hätten schließlich auch noch mein ganzes Gepäck als Sicherheit – das sollte doch wohl zusammen mit einem großen Dollarschein reichen, um für einen Kaffee und ein Dinner zu bürgen. Hätte ich das gewusst, wäre ich in ein anderes Hotel gegangen. Und so weiter und so fort. Ich war wirklich verdammt sauer. Nie wieder in meinem Leben habe ich so fließend auf Spanisch geflucht. Die beiden Kerle hinter der Rezeption wurden immer kleiner, duckten sich hinter dem Tresen und versuchten nur noch, sich unsichtbar zu machen.
Dann ging eine Tür auf und eine etwas ältere Dame erschien. Was denn hier los sei und ob sie vielleicht helfen könne. Ich erzählte ihr, was los war. Und siehe da – kaum brüllt man eine Stunde, schon passiert was ... Die nette Dame gab mir die Adresse vom Schwarzmarkt, wo ich auch heute am Feiertag Geld wechseln konnte. Versicherte mir noch, dass das „buenos agentes“ wären, also gute, zuverlässige Leute.
Ich zog ab und fand die angegebene Adresse sofort. Das war ein Lederwarengeschäft. Ich guckte in die Schaufenster, die voller Taschen und Gürtel waren. Sah alles recht hübsch und geschmackvoll aus. Na, vielleicht konnte ich da gleich noch ein Schnäppchen machen ... Der Laden sah durch die Schaufenster wie vollgestopft mit Lederwaren aus.
Allerdings nur von außen – als ich ihn betrat, landete ich in einem riesigen, leeren Raum. Nur die Schaufenster waren dekoriert worden. Aber so geschickt, dass es von draußen wirklich den Eindruck eines sehr gut sortierten Shops machte. Drin war - außer den Verzierungen vor den Schaufenstern - nur noch ein großer Schreibtisch. An dem saß ein Typ, der mich freundlich empfing und mir mein Geld wechselte. Unkompliziert und sogar mit einem etwas besseren Kurs als auf der Bank.
Daher deckte ich mich ordentlich mit argentinischer Währung ein und verließ den Schwarzmarkt wieder. Von draußen schaute ich mir nochmal die Schaufenster an – das war echt perfekt gemacht. Kein Mensch hätte von da sehen können, dass das alles nur Attrappe war.
Und so konnte ich am Abend ordentlich essen, mir ein paar Gutenacht-Drinks gönnen und auch am nächsten Tag die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges nach Buenos Aires gut versorgt überstehen. Immer noch staune ich über die Aufmachung dieses Schwarzmarkt-Shops. Nie vorher und nie nachher habe ich wieder eine so kunstvolle Shop-Dekoration gesehen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.11.2016.
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