Manfred Bieschke-Behm

Das Hemd ist mir näher als der Rock oder Borgen bringt Sorgen


Das Hemd ist mir näher als der Rock“, was für ein blöder Spruch, ereifert sich Kutte, der zusammen mit seinem Freund Heini an der Theke einer Eckkneipe sitzt und dabei ist sein viertes Glas Bier zu leeren.
„Wie kommst Du denn darauf?“, erkundigt sich Heini, der sein halbleeres Bierglas mit beiden Händen festhält als würde er befürchten irgendwer könnte ihm sein Glas wegnehmen. Gleichzeitig beobachtet er den Anflug einer Fliege die, so scheint es, auf dem Glasrand versucht zu landen. 
„Diesen blöden Spruch hat mir meine Frau heute Morgen hinterhergerufen als ich die
Wohnung verließ“, erklärt Kutte der es schafft die Fliege, bevor sie ihr Ziel erreicht hat, mit der rechten Hand einzufangen und auf dem Tresen platt zu drücken.
Heini der dem Geschehen fasziniert zuschaut will wissen was die Frau seines Freundes ihm mit dem Spruch sagen wollte.
„Weiß ich doch nicht!“, sagt Kutte und wischt sich Schaumreste vom Bart.
„Na deine Alte wird dir doch nicht grundlos so einen Spruch hinterher rufen.“
„Frieda schon.“
Der Wirt sieht, dass die Gläser von Kutte und Heini leer sind und wittert eine Nachbestellung. Scheinheilig fragt er: „Noch mal zwei Frischgezapfte?“
Während Heini und Kutte auf ihre Biere warten starren sie stumm auf die tote Fliege die auf dem Rücken liegt und alle Füße von sich streckt.
Heini unterbricht die Totenstille weil er nicht begreifen kann, das jemand einen Spruch ablässt ohne zu wissen warum. „Deine Alte muss sich doch was dabei gedacht als sie dir... wie war noch mal der Spruch? ... nachrief.“
„Das Hemd ist mir näher als der Rock, hat sie gerufen.“
Endlich kommt das ersehnte Bier.
„Prost Kutte!“
„Ja Prost Heini“
Heini und Kutte prosten sich lautstark zu und schlucken voller Hingabe das Frischgezapfte. Fast gleichzeitig stellen sie die nur noch zu einem Drittel gefüllten Gläser ab und wirken zufrieden.
„Rülps! – Entschuldigung“
„Alles klar Heini, nur nicht so oft.“
„Trinken wir noch einen Kurzen?“, erkundigt sich Kutte.
„Ja einer geht noch“, stellt Heini für sich fest und fährt sich voller Vorfreude mit der Zunge über die feuchten Lippen.
„Herr Wirt! Zwei Klare und mach auch gleich noch zwei Bier fertig.“
„Das Hemd ist mir näher als der Rock“, brabbelt Kutte vor sich hin und kann es kaum erwarten, dass der Wirt die bestellten Getränke vor ihnen hinstellt.
„Nur hör doch mal auf mit deinem dämlichen Hemd und dem Rock“, schnauzt Heini seinen Freund an.
Kutte fühlt sich angegriffen und reagiert entsprechend: „Was heißt denn überhaupt hier dein Hemd und dein Rock? – Ich besitze keinen Rock oder glaubst Du, dass ich ...?“
„Ich glaube überhaupt nichts“, kontert Heini.
„Na dein Glück auch.“
„Prost!“
„Erst den Kurzen“, bestimmt Kutte
„Erst den Kurzen“, bestätigt Heini. „Runter damit.“
Bevor Beide zum frischen Bier greifen wischen sie sich mit ihren Handrücken ihre Münder trocken und setzen dann synchron die Biergläser an ihre Lippen.
Nach einer kurzen Genusspause ergreift Heini das Wort: „Ich glaube, ich weiß jetzt was deine Frieda dir mit dem Spruch sagen wollte.“
„Ja? Was denn?“
„Sie wollte dir sagen, dass ihre Interessen ihr wichtiger sind, als deine.“
„Was denn für Interessen?“, erkundigt sich Kutte und schüttelt en Kopf.
„Na weiß ich doch nicht“, ereifert sich Heini und leert sein Bierglas bis auf den letzten Tropen.
Kutte und Heini spüren, dass es keinen Sinn hat das Thema weiter zu vertiefen. Vielmehr beschließen sie noch eine Runde Bier zu bestellen. Wie verabredet rufen sie dem Wirt gemeinsam zu: „Noch zwei Bier bitte.“
„Also vier!?“, fragt der Wirt nach und lacht dabei.
„Ne lass mal gut sein. Nur zwei“, korrigiert Heini und zeigt zwei Finger zum besseren Verständnis.
Kutte kümmert sich nicht mehr um die Bestellung sondern schaut auf die Uhr die neben dem Tresen an der Wand hängt.
„Mensch schon nach acht“, stellt Kutte fest und fängt an unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu zappeln.
„Wat biste denn so unruhig? Hat dich eine Hummel gestochen?“, erkundigt sich Heini und äfft das Verhalten seines Freundes nach.
„Meine Alte hat es nicht so gerne wenn ich zu spät nach Hause komme. Deshalb wird es das letzte Bier sein, dass ich trinke.“
„Siehste Kutte, das meine ich wenn ich von Interesse spreche. Frieda will dass du bei ihr bist und deine Freizeit nicht in der Kneipe verbringst. Wahrscheinlich hat sie schon heute Morgen geahnt, dass du nach der Arbeit hier landen wirst“
Mit „lass mal gut sein Heini“ reagiert Kutte etwas unsanft und ruft den Wirt zum bezahlen.
„Zusammen oder getrennt?“, erkundigt der sich und stellt die letzte Bestellung von den Herren ab.
„Zusammen“, sagt Kutte gönnerhaft.
Vergeblich sucht er nach seiner Geldbörse. Kutte durchforstet alle Taschen und stellt fest, dass er kein Geld dabei hat. Die Situation ist ihm augenfällig peinlich. Kleinlaut fragt er seinen Freund ob er ihm dreißig Euro borgen würde. Heini macht einen auf Großzügig kann sich aber nicht verkneifen seinem Freund zu sagen: Denk daran ‚Borgen bringt Sorgen’.“ Heini greift in seine rechte Hosentasche. Da ist keine Geldbörse. Auch in der linken Hosentasche nicht und auch nicht in einer der Jackentaschen. Heinis Gesichtsfarbe wechselt von rot auf blassweiß. Der Wirt, der mitbekommt das beide Herren zahlungsunfähig sind erklärt beiden. „Wenn keiner der Herren die Zeche bezahlen kann muss einer jemanden anrufen um euch auszulösen.“
Heini und Kutte schauen sich verdattert an und wissen im Moment nicht wer was tuen und sagen soll. Der Wirt schaut beide an und sagt mit ernstem Gesichtsausdruck: „Ihr müsst wissen, dass mir mein Hemd näher ist, als der Rock.“
Erneut schauen sich die Freunde an und fangen ohne das der Wirt weiß warum und ohne, das sie es wollten, an zu lachen.
„Da ist er wieder, der Spruch von deiner Frieda“, sagt Heini.
 Kutte ignoriert das was sein Freund gerade sagte und holt sein Handy aus der Jackentasche.
„Hallo Frieda! - Kannst du eben mal schnell ins „Wartheeck“ kommen und mich und Heini auslösen?“
 
„Warum nicht?“
 
„Ach Frieda sei doch nicht so. Ich sitze hier mit Heini bei einem Glas Bier und diskutieren über den Sinn des Spruches den du mir heute Morgen nachgerufen hast.“
 
„Ja habe ich verstanden.“
 
„Ja ich weiß bescheid.“
 
Kutte schaut auf sein Handy und erklärt seinem Freund, dass Frieda einfach aufgelegt hat.
„Und nun?“, erkundigt sich Heini und hebt die Schultern als Zeichen von Unverständnis.
Im Moment der Ratlosigkeit betritt ihr Freund Hubert die Kneipe und entdeckt seine Kumpels am Tresen vor leeren Biergläsern sitzen. Er steuert auf sie zu. Er mustert beide und fragt: „Was seit ihr denn für zwei trübe Tassen?“
„Weil wir beide kein Geld dabei haben können wir die Zeche nicht bezahlen “, erklärt Heini die missliche Lage.
„Na wenn weiter nicht ist“, sagt Hubert und erklärt sich bereit die Zeche zu begleichen.
„Sehr großzügig von dir Hubert“, sagt Kutte und erklärt: „Selbstverständlich bekommst du dein Geld zurück.“
„Das will ich doch hoffen!“, scherzt Hubert und meint: „Ihr wisst doch ‚Borgen bring Sorgen’ und Sorgen haben wollen wir doch alle nicht oder?“
Heini nickt erst und schüttelt anschließend den Kopf und sagt: „Ich würde euch glatt zu einem Bier einladen. Aber wo nichts ist ...“, erklärt er und kehrt demonstrativ seine Hosentaschen von innen nach außen ... ist Nichts.“
Hubert, der hinter den beiden steht, umschließt beide Freunde mit seinen Armen und ruft dem Wirt zu „Drei Bier bitte!“
Der Wirt bringt drei Biere nach denen sofort gegriffen wird um sie in einem Zug zu leeren.
„Sag mal Hubert, kennst du den Spruch ‚Mein Hemd ist mir näher als mein Rock’“, erkundigt sich Kutte.
„Bitte nicht von vorne anfangen“, sagt Heini.
Hubert schaut beide an weil er nur Bahnhof versteht.
„Noch eine Runde Bier!“ ruft Hubert dem Wirt zu und bittet um Aufklärung.
 
Wie lange die Drei noch zusammengesessen haben und ob sie noch anderen Themen hatten als ‚Das Hemd ist mir näher, als der Rock oder Borgen bringt Sorgen’ ist nicht bekannt auch nicht wie und mit welchem Spruch Kutte von seiner Frieda empfangen wurde.
 

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