Manfred Bieschke-Behm

Tausche Salamander gegen Schlittschuhe



Tausche Salamander gegen Schlittschuhe –
Eine Weihnachts(wunsch)geschichte 
 
Melanie hofft, dass es bald Weihnachten ist. Sie wünscht sie sich        nichts sehnlicher als Schlittschuhe. Melanie glaubt ganz fest daran, dass sich ihr Wunsch erfüllen wird. Ihre Oma ist der Meinung, dass Weihnachtswünsche eher in Erfüllung gehen, wenn dem Weihnachtsmann ein Wunschzettelbrief geschrieben wird. Melanie ist froh, dass ihre Oma sie aufgeklärt hat und schreibt an den Weihnachtsmann:
 

An den Weihnachtsmann in Himmelsfort.
Lieber Weihnachtsmann,
ich wünsche mir nichts sehnlicher als Schlittschuhe. Deshalb bitte ich Dich ein Paar Schlittschuhe für mich, in Deinen Geschenkesack zu packen. Bitte tue das gleich, damit Du es nicht vergisst.
 
Ich habe dich ganz doll lieb und ich hoffe, dass du mich auch ganz doll lieb hast.
Liebe Grüße
Deine Melanie
 
PS: Wenn Du einen Wunsch hast, den ich Dir erfüllen kann, kannst Du mir ja schreiben.

 
Die Tage bis zum Heiligen Abend wollten einfach nicht vergehen. Jeden Tag, fast jeder Stunde dachte Melanie an den Weihnachtsmann, an ihren Wunschzettel und die Schlittschuhe.
Endlich war der da, der 24. Dezember! Melanie konnte an diesem Tag vor Aufregung weder essen noch ruhig sitzen. Laufend lief sie hin und her und auch oft zur Wohnungseingangstür. Immer in der Hoffnung den Weihnachtsmann würde kommen.
Endlich klopfte es. Melanies Mutter öffnete die Wohnungstür. Melanie blieb im Türrahmen des Wohnzimmers stehen. Sie sah auf einen freundlich dreinblickenden alten Mann. Er hatte einem langen weißen Rauschebart und warm eingepackt in einem roten bodenlangen Mantel, der mit einer weißen Pelzbordüre einfasst, war. Genau so stand er auf dem Treppenflur.
„Wohnt hier ein Mädchen mit dem wunderschönen Namen Melanie?“, erkundigte sich der Weihnachtsmann mit tiefer Stimme.
Melanie hielt es vor Aufregung kaum aus. Vorsichtig wagte sich Melanie ein paar Schritte hin zur Tür. Sie wollte möglichst schnell ihre Schlittschuhe in Empfang nehmen.
Die Mutter bestätigte, dass ihre Tochter Melanie heißt, und bat den schwer beladenen Gabenbringer näher zu treten. Melanie schaute sich den näherkommenden Gast voller Ehrfurcht und mit weit aufgerissenen Augen von oben bis unten an und war mächtig erschrocken, als sie von ihm angesprochen wurde: „Du bist also die kleine Melanie?“
Melanie konnte vor lauter Aufgeregtheit nicht sprechen. Sie konnte nur zustimmend mit dem Kopf nicken.
Der Weihnachtsmann betrat das weihnachtlich geschmückte Wohnzimmer und beendete Melanies Ungeduld, indem er vorsichtig ein Paket aus dem Geschenkesack zog, und es ihr übergab. Melanie bedankte sich mit einem angedeuteten Knicks. Sprechen konnte sie noch immer nicht.
Der Weihnachtsmann wünschte allen „Frohe Weihnachten“, drehte sich um und verließ die Wohnung. Jetzt war es an der Zeit die Schlittschuhe auszupacken. Hastig entfernte sie das Glanzpapier, in dem das Paket liebevoll eingewickelt war. Voller Vorfreude öffnete sie einen durchlöcherten Karton und sah hinein. Was sie sah, waren keine Schlittschuhe, sondern ein großäugiger schwarzer mit gelben Flecken versehender Salamander der Melanie verängstig anschaute.
      Melanie hielt die Luft an und riss ihre Augen ganz weit auf. Sie waren jetzt fast so groß wie die Augen des Salamanders.
“Was soll das?“, fragt sie nach Fassung ringend und schaut erst ihren Vater entsetzt an, dann ihre Mutter und letztendlich ihre Oma. „Das sind doch keine Schlittschuhe!?“.
Melanie trägt den Salamander-Karton weit vor sich hintragend hinüber zu den erstaunt dreinblickenden Gesichtern ihrer Eltern und Großmutter, die in der Nähe des Weihnachtsbaumes Platz genommen hatten.
„Nee Kind, das sind keine Schlittschuhe“, erklärte die Großmutter, nachdem sie nur ganz kurz in den Karton gesehen hatte und gleich danach ein Handzeichen gab, dass mehr Ansicht nicht von Nöten sei. Melanies Mutter und Vater waren ratlos. Sie wussten nicht, was hätte helfen können Melanies Enttäuschung zu mildern.
„Da liegen doch noch mehr Geschenke unter dem Tannenbaum“, erwähnte Melanies Mutter und hoffte ihre Tochter damit ablenken zu können. Melanie ließ sich nicht ablenken. Sie war stinkig, wütend und noch viel mehr.
Melanie stellte den Karton mit dem Salamander auf die Erde und verließ enttäuscht das Zimmern. Durch die geschlossene Wohnzimmertür war Melanies Schluchzen zu hören. Ihre Mutter folgte ihrer Tochter und erlebte Melanie zusammengekauert in einer der Dielenecken hocken und bitterlich weinen.
„Ach Melanie nimm es doch nicht so tragisch“, bat sie ihre Tochter. „Der Salamander ist doch niedlich. Und ganz bestimmt freut er sich hier bei dir, sein zu dürfen.“
„Ich will keinen blöden Salamander. Ich will Schlittschuhe und sonst nichts“ plärrt Melanie und schnäuzt erneut in ihr Taschentuch. „Blöde Weihnachten“, sagte sie und: „Meinetwegen braucht es nächstes Jahr und alle Jahre danach gar keine Weihnachten mehr geben.“ Melanie schaut ihre Mutter mit tränennassen Augen an und sagt schluchzend: „Sollte ich irgendwann und irgendwo den Weihnachtsmann treffen, werde ich ihm meine Meinung sagen. Und er soll gar nicht auf die Idee kommen mir gegenüber einen Wunsch zu äußern ....“
„Ist gut Melanie. Wisch dir die Tränen aus dem Gesicht, schnäuz dich noch einmal richtig aus und dann gehen wir zum Vater und zur Oma. – Einverstanden?“
„Zu Papa und zur Oma ja aber nicht zum Salamander“, erklärte Melanie und folgte den Anweisungen ihrer Mutter.
Im Wohnzimmer angekommen erlebte Melanie sowie ihre Mutter, dass die im Ohrensessel sitzende Oma eingeschlafen war und leichte Schnarch Geräusche von sich gab. Der Vater beschäftigte sich mit der Gebrauchsanweisung seines neuen Handys. Melanies schräger Blick in Richtung Salamander-Karton ließ zunächst aufschrecken und gleich anschließend erfreut dreinblicken. Der Salamander war nicht mehr im Karton. ‚Gut so’, dachte Melanie und teilte ihrer Mutter das Erfreuliche mit.“
„Wieso ist der Salamander nicht mehr in seinem Karton“, fragte Melanies Mutter stimmlich etwas überhöht, lautstark. Erschrocken wachte die Großmutter auf. Der Vater ließ entgeistert die Gebrauchsanweisung fallen und nahm seine Lesebrille ab. Jetzt starrten alle in den leeren Salamander-Karton. Wie lange alle in den leeren Karton starten, ist nicht überliefert, aber was man weiß, ist, dass es an der Wohnungstür geklingelt hatte.
„Erwarten wir Besuch?“, erkundigte sich der Vatter etwas desorientiert.
„Nicht dass ich wüsste“, sagte die Mutter und die Großmutter fügte hinzu: Vielleicht kommt der Weihnachtsmann ein zweites Mal, um die Schlittschuhe abzugeben?“
„Der Weihnachtsmann kommt nur einmal“, erklärte Melanies Mutter und ging zur Wohnungstür. Davor standen der Nachbar und dessen Sohn Felix, der traurig dreinblickte. Der Vater von Felix hielt einen nicht mehr verpackten Schuhkarton bei sich und erkundigte sich, ob der Weihnachtsmann schon da gewesen wäre. Melanies Mutter bejahte die Frage und machte Handbewegungen, die andeuten sollten, dass etwas schief gelaufen war.
 „Bei uns war der Weihnachtsmann auch und hat meinem Sohn ein Geschenk überreicht, mit dem er nichts anzufangen weiß. Was er weiß ist, dass sich ihre Tochter Schlittschuhe wünscht – Melanie wird hellhörig und bewegt sich in Richtung Wohnungseingangstür – „und in dem Karton“, Felix Vater öffnet den Karton - „liegen niegelnagelneuen Schlittschuhe.“
Jetzt ist Melanie nicht mehr zu halten. Die Mutter freute sich, der Vater von Felix freute sich und auch Melanies Freude war nicht zu übersehen. Nur Felix blickte traurig drein.
„Warum bist du so traurig?, erkundigte sich Melanies Mutter.
„Er hat sich so sehr einen großäugigen schwarzen mit gelben Flecken versehenden Salamander gewünscht“, erklärt der Vater, „er hat von seinem Taschengeld ein Terrarium angeschafft, es gut ausgestattet, alles war vorbereitet und nun ....“
„Ich glaube ich könnte helfen“, sagte Melanie überschwänglich. „Ich glaube ich könne helfen, wenn da nicht ein Problem zu lösen wäre ...“,
„Was für ein Problem“, fragte Felix neugierig nach.
„Mir hat der Weihnachtsmann einen Salamander gebracht und nun ist er weg.“
„Wie weg? „, erkundigte sich Felix und ergänzte: „der Weihnachtsmann?“
„Ja der ist auch weg, aber weg ist auch der Salamander“, antwortete Melanie etwas naseweis.
„Hat der Weihnachtsmann den Salamander wieder mitgenommen?“, wollte Felix jetzt wissen und schaute ganz verängstig in die Runde.
„Nun kommen Sie doch erst einmal rein“, fordert Melanies Felix und seinen Vater auf. „Das können wir doch drinnen besprechen und nicht zwischen Tür und Angel.“
Gemeinsam betreten sie das Wohnzimmer und schauen erstaunt auf die Großmutter, die vor dem Weihnachtsbaum hockt.
„Was tust Du?“, erkundigt sich ihre Mutter.
„Ich betrachte die Krippe“, erklärt die Großmutter ohne aufzuschauen.
„Die steht doch jedes Jahr unter dem Weihnachtsbaum“, ergänzt ihr Schwiegersohn.
„Schon, schon“, sagt die Großmutter. „Aber in diesem Jahr gibt es etwas Besonderes zu beobachten.
„Was denn?“, will Melanies Mutter wissen.
„Zuwachs“, sagt die Großmutter und fing an leise zu lachen.
Neugierig geworden scheren sich alle um die Großmutter herum und staunten nicht schlecht, was sie sahen: Vor der Krippe hatte es sich der Salamander gemütlich gemacht. Er lag im Stroh und schlief.
„Leise, leise!“, ermahnte die Großmutter. „Er schläft wie das Jesuskind.“
Aus dem Radio ertönte: „Alle Jahre wieder“.
„Bitte nicht!“, sagte Melanie und hielt den Karton mit den Schlittschuhen ganz fest an ihren Körper gepresst. Felix indes hatte sich den durchlöcherten Karton geschnappt und wartete auf den Moment, wo er die Erlaubnis bekam, sich seinen Salamander zu schnappen, um ihn in das Terrarium umsetzen zu können.
Das Weihnachtslied im Radio war längst verklungen und es herrschte eine festlich-fröhliche Stimmung.
Letztendlich waren sie sich alle einig, dass noch einmal alles gut gegangen war und das Weihnachten auf keinen Fall abgeschafft gehört. Ein Grund für die Besinnung war die Tatsache, dass sich Melanies und der Wunsch von Felix erfüllt hatten und die Einsicht kam, dass der Weihnachtsmann auch nur ein Mensch ist und sich – nur nicht so oft – irren kann. 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.12.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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