Heinz Werner

Gier – Moderne Raubritter – Werte

Umgangssprachlich versteht man unter Gier oder Begierde ein übersteigertes Streben nach materiellem Besitz. Es beschreibt ein nahezu unstillbares Verlangen nach immer neuen Dingen und gilt im Katholizismus als eines der sieben Hauptlaster. Ich glaube, Gier ist jedoch umfassender. Man kann auch begierig sein nach Macht, nach Einfluss, nach Dominanz, nach Medienpräsenz oder einfach nach Vorteilsnahme - in jeder Beziehung und ohne irgendwelche Rücksichten. Wo auch immer wir hinsehen, wir begegnen diesem modernen Raubrittertum. Überall und in allen Bevölkerungsschichten. Unsere Gesellschaft scheint durchdrungen von dieser Gier, vor allem da, wo es um viel Geld, besonders aber um viel Macht, um Machterhalt und Einfluss geht. Speziell die Eliten – wirkliche oder selbsternannte – sind davon befallen. Da beobachten wir Politiker, die an ihren Sitzen kleben, ihre Einfluss- und Machtbasis vehement verteidigen und laufend angebliche rote Linien verschieben, nur um dann zu behaupten “wir haben schon immer gesagt“. Da wird getrickst und intrigiert, Entscheidungen werden auf Zeiten nach Wahlen verschoben, nur um unangenehme Fakten nicht vorher offenlegen zu müssen. Es wird mit Halbwahrheiten gearbeitet, Tatsachen werden so hingebogen, dass sie passen, Wahrheiten sind nicht mehr wichtig, sondern Strömungen und Mainstream-Tendenzen sind der Maßstab. Gesichtswahrung und Außenwirkung zählen mehr. Die Realität wird ausgeblendet, falsche Entscheidungen werden als alternativlos verkauft. Postfaktisch eben oder einfach gierig – nach Machterhalt und Einfluss, auf unverdiente Privilegien. Mir wird speiübel, wenn ich daran denke. Gleiches trifft auch auf viele andere Berufsgruppen zu. Extrem hoch bezahlte Manager wirtschaften ihre Unternehmen in den Ruin und werden dafür nicht zur Verantwortung gezogen, sondern oft noch mit einem „goldenen Handschlag“, also mit euroschweren Abfindungen verabschiedet. Obwohl diese „Elite“ teilweise Milliardenverluste produzierte, haben die Herren keine Skrupel, Millionenboni zu verlangen oder gar einzuklagen. Sie meinen, auf Verträge pochen zu können, die unter völlig anderen Voraussetzungen und Annahmen geschlossen wurden und voraussetzten, dass die Unternehmen erfolgreich und ethisch angemessen geführt würden und nicht in den Untergang. Schlimm ist, wenn dieselben Personen nur wenige später auf ebenso einflussreichen Positionen auftauchen und so tun, als wäre nichts gewesen und sie seien noch immer die Größten. Wie fern der Wirklichkeit und wie verkommen und abgehoben muss man sein, um so zu handeln und das gesellschaftliche Umfeld und die Zeichen der Zeit so falsch zu deuten! Wie gierig auf Geld, vor allem auf Macht und Status können Menschen sein, wie sehr die soziale Balance aus den Augen verlieren? Es wird Zeit, hier Grenzen zu ziehen, die Arroganz und maßlose Selbstüberschätzung deutlich zu beschneiden und die Akteure wieder auf den Boden zu holen. Warum ist das so? Sicher liegt es an einem mangelnden oder einem überhaupt nicht vorhandenen Verantwortungsgefühl. Es fehlt an Werten, wie sie früher gelehrt und meist auch beachtet wurden. Diese Tugenden vermittelt bei uns heutzutage niemand mehr, weder das Elternhaus, noch die Schule. Bei ausschließlich auf Leistung und Durchsetzungsvermögen trainierten sogenannten Leistungsträgern ist für Werte oder moralische Grundprinzipien kein Platz. Nicht-Leistungsträger haben andere Sorgen oder sind nicht genügend relevant oder laut genug. Auch andere angebliche Vorbilder sind nicht besser. Mit welcher Berechtigung kassieren gewisse Spitzensportler Millionen, werden von der Gesellschaft hofiert und als Helden verehrt, pflegen aber einen Lebensstil, der alles andere als vorbildlich ist und stellen ihre Millionen oft auf perverse Art zur Schau? Wieso tolerieren wir Spitzenfunktionäre in großen Sportverbänden, die die Falschen bestrafen und wenig Interesse daran haben, Korruption und Doping zu bekämpfen? Leute, die sich vorwiegend damit beschäftigen, zu kungeln, ihre gutbezahlten Posten zu verteidigen und Macht und Einfluss zu mehren und über ethische Werte nur müde lächeln. Gier und Raubritter wohin man schaut. Es läuft fast überall so. Zumindest überall dort, wo viel Geld im Spiel ist und einflussreiche Positionen zu besetzen sind – Positionen, die Status und öffentlichkeitswirksame Medienpräsenz garantieren. Dasselbe gilt für Verbände und große, öffentliche Organisationen. Auch hier werden Spitzenämter meist nach politischen Kriterien und im Rahmen bestehender Beziehungsgeflechte besetzt. Ein Großteil der Zeit wird dann damit verbracht, die Stellung zu verteidigen und die Machtbasis zu festigen oder auszuweiten.
Muss es so sein, wie kann man das ändern? Vielleicht indem wir uns wieder erlauben, Gutes gut zu nennen und Schlechtes und Böses als das zu bezeichnen was es ist. Wahrscheinlich dadurch, dass bereits im Kindergarten gelehrt wird, dass man manches tut und vieles eben nicht. Dass Schule und vor allem Elternhaus sich nicht scheuen, Werte zu vermitteln und moralische Grundprinzipien lehren. Dass es nicht kleinbürgerlich und doof ist, von Religion zu reden oder bestimmte Regeln zu befolgen und uns allen etwas Demut guttun würde. Sicher würde es helfen, wenn in Schulen weniger dogmatisch experimentiert und weniger Genderpolitik und ideologiefokussierte Parteipolitik betrieben würden. Wenn statt Dogmatismus und Ideologie wieder mehr gesunder Menschenverstand einkehrte und praxiserprobte und bildungsfördernde Methoden größeren Stellenwert erhielten (gegenüber der bevorzugten Vermittlung alternativer Lebens- und Verhaltensformen von Minderheiten). Wenn die Gesellschaft – also wir alle – akzeptierte, dass eine Gemeinschaft ohne positive moralische Grundüberzeugungen, ohne Werte also, langfristig kaum überlebensfähig sein wird.

Heinz Werner
Jan. 2017

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.01.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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