Tobi Prel

König der Schwachsinnigen

 

Bruno sah aus dem Fenster hinunter zur Strasse. Gegenüber auf der anderen Seite stand ein leicht marodes rotes Backsteingebäude mit zwei großen Schaufenstern. Über dem Eingang stand mit dicken weißen Lettern das Wort Tierheim geschrieben. Jeden Tag fielen seine Blicke auf das Gemäuer und jeden Tag fragte er sich, ob sie dort wohl eine bestimmte Katze für ihn hätten. Bruno mochte Katzen, vor allem die schottische Faltohrkatze, er hatte in seinen Büchern und dem Internet alles über sie gelesen und fand sie unheimlich niedlich. Jedoch verbot seine Betreuerin ihm eine Katze zu adoptieren. „Du kannst kaum für dich selber sorgen, wie willst du da für ein Haustier sorgen?“ Das war die Erklärung die Sabine ihm, seit er vor ein paar Wochen diese fixe Idee ausgebrütet hatte, immer wieder aufs Neue vorhielt. Doch Bruno wusste genau, eine Katze würde der neue Mittelpunkt seiner Existenz werden. Jemand auf den er ein Auge werfen könnte, jemand zum schmusen, jemand zum drum kümmern.
Aber du bist behindert, mit deinem kaputten Kopf lassen sie dich niemals auf eine Katze aufpassen. Deswegen wurdest du doch hierhin abgeschoben.“ Die Stimme in seinem Kopf machte Bruno verrückt und sein bestes Mittel dagegen war, sie einfach zu ignorieren. Bruno blieb ruhig und murmelte nur Zähne knirschend zurück, „Ich habe echte Fortschritte gemacht, das weißt du doch. Und Sabine meint wenn ich an der Aggressionstherapie dran bleibe, könnte ich irgendwann einen Haustier haben.“ Die Stimme in seinem Kopf erwiderte, „Ja einen Hamster vielleicht, was für Kinder aber du, du bist ein Spasti!“ Bruno schloss seine Augen und schüttelte seinen ganzen Oberkörper  vor Wut. Es brach es aus ihm heraus, „ICH BIN KEIN SPASTI!“ Als er wieder zu sich kam, stand eine leicht erschrockene Sabine mit einer offenen Tablettendosette vor ihm. „Na Bruno, hast du wieder einen Zwist mit ***? Ich dachte du hättest das mittlerweile besser im Griff?“ Bruno grinste Sabine verlegen an, ließ sich die Tabletten auf die Handfläche geben und schluckte sie mit einer schnellen Kopf-in-den-Nacken Bewegung. Allerdings war er nicht so geschickt darin, wie er dachte und eine der Tabletten blieb in seinem Rachen liegen. So stotterte und hustet er, nach Luft ringend die Worte, „Das tut mir leid, es war nur ein Ausrutscher.“ Sabine, die sich das Spektakel besorgt an sah, reichte ihm ein Glas Wasser, das sie ebenfalls bereit gestellt hatte. „Bruno, jedesmal sage ich dir du sollst nicht so schlingen und jedesmal vergisst du das Wasser zu nehmen.“  Brunos Hand streckte sich gen Wasserglas und mit einem kräftigen Schluck konnte er die Störenfriede in seinem Hals endlich herunter spülen. Sabine schüttelte mit einem großen freundlichen Grinsen den Kopf. „Bruno Bruno, denk daran, wenn es schlimmer wird, kannst du noch deine Bedarfstablette nehmen.“ Sie reichte ihm eine verschlossene Dosette in der sich eine halbe braune Chlorpromazin Tablette befand. Bruno steckt das Behältnis hastig in seine Hosentasche. Er wusste, dass die Tabletten erst nach einer gewissen Zeit anfingen würden zu wirken und er wusste, dass sie *** nicht gänzlich aus seinem Kopf verbannen können, sondern im besten Fall nur ein Zeit lang unterdrückten. Doch das war immerhin ein Anfang.
Sabine war zurück in den Flur gegangen und bog ab nach links weiter zur nächsten Zimmertür. Bruno schlich ihr verlegen hinter, er klammerte sich an den Türrahmen und linste um die Ecke. Sabine war grade daran an Pauls Tür zu klopfen. Bruno nutzte die Gelegenheit und schlich sich ins Gemeinschaftszimmer. „Was machst du da? Sie wird dich erwischen und dann bekommst du wieder Ärger!“ Bruno schüttelte sich und versuchte *** zu ignorieren. „Du wirst wieder den Küchendienst übernehmen müssen, wenn du Nachmittags nicht in deinem Zimmer bleibst!“ „Halt die Klappe!“, nuschelte Bruno der Stimme in seinem Kopf zu. Er sammelte sich einen Moment und sah sich um. Ein paar seiner Mitbewohner hatten es sich bequem gemacht und versuchten ihrem sonst so monotonen Alltag zu entfliehen. Nora saß auf ihrem Rollstuhl dicht an einer großen Doppelglastür und war sehr beeindruckt davon, wie der leichte Nieselregen gegen die Scheiben klopfte und das Wasser seine Bahnen hinunter gen Boden zog. Allerdings schien sie gleichzeitig mit der Müdigkeit zu kämpfen. Ab und zu nickte fielen ihre Augen zu und sie schüttelte sich daraufhin kurz, um dem drohenden Einschlafen entgegen zu wirken.  Ihre Aktionsschleife wurde ab und zu nur mit einem sanften „Oh, kleiner Regentropfen wie schön.“  begleitet. Auf der anderen Seite des Raumes saß Teo an einem der Tische. Teo redete nur äußerst selten und wenn, dann nur sehr kurz angebunden mit „Ja“ oder „Nein“ samt der entsprechenden Kopfbewegung. Außerdem musste er ein Hörgerät tragen, damit er überhaupt etwas verstand. Sabine meinte das liege an seiner Krankheit. Er sei Authentiker oder sowas. Jedenfalls war er sehr eigen und zog meist alleine seine Bahnen im Wohnhaus. So auch heute, denn er hatte sich ganz alleine an seinen Essensplatz gesetzt und war dabei den Rest Kaffee aus seiner Tasse zu trinken. Mit dem letzten Schluck begann er breit zu Grinsen, dann stand er auf und ging leicht hektisch aber konsequent und mit einer unverwechselbaren Gelassenheit in Richtung der Küche, um sich die Tasse neu mit dem warmen schwarzen Getränk auf zu füllen. Bruno fragte sich immer, warum Teo nicht gleich die ganze Kanne mit an seinen Platz nahm, denn er trank sie sowieso alleine am Tag leer, aber naja.
La la la la la la la la”, *** begann nach Brunos Aufmerksamkeit zu fischen und wiederholte nur von kurzen Atempausen unterbrochen seine monotone  Lautkette. Bruno ließ sich dadurch jedoch nicht beirren und durchquerte ruhig das Foyer, vorbei am Glaskastenbüro der Betreuer. Sabine war immer noch damit beschäftigt den anderen Bewohnern die Tabletten zu bringen, also war dies seine Chance das Wohnhaus zu verlassen. *** war genervt davon ignoriert zu werden und begann nun ausdruckstark und ohne Vorwahrnung los zu schreien. „Ah, Aaaaahhhh, aaaaaaaaahhhhhhhh!“, schepperte es durch Brunos Kopf. Dieser hielt es nicht mehr aus, blieb kurzerhand stehen und brüllte zurück, „Was ist?!“ *** war leicht perplex aufgrund von Brunos Reaktion, „Ähm, Nichts. Ich wollte nur wissen ob du noch da bist!“ Bruno war genervt, „Kannst du nicht einmal nur an dich denken und etwas nützlich sein? Wir sind schließlich zusammen hier drin, irgendwie.“ Die Schiebetüren des Haupteingangs schlossen sich hinter ihm, nur um sich anschließend mit einem hellen Glockenklingeln wieder zu öffnen. Bruno sah sich um und trat aus dem Bereich des Türbewegungsmeders. „Ich hoffe die Tabletten wirken bald.“, nuschelte er in *** Richtung und ging den Parkplatz entlang zur Strasse.
 
Am Bürgersteig blieb er stehen. „Oh nein, geht das schon wieder los?“ *** rollte mit den Augen, jedenfalls stellte Bruno es sich so vor. „Nur einen Augenblick, nur kurz warten.“ Bruno war wie gefesselt. Er hatte Angst vor der Strasse. Sie war laut und gefährlich und im Sekundentakt rasten diese schnellen Autos an ihm vorüber. Er hielt kurz inne. Minuten vergangen in denen er regungslos hinunter auf die Fahrbahnmarkierung starrte und mit seinem Körper auf und ab wippte. Die Geräuschkulisse versetzte Bruno in ungeheueren Stress. Dann, nach einigen Momenten schüttelte er sich, fasste all seinen Mut zusammen und begann ohne weiter darüber nach zu denken auf die Fahrbahn zu rennen. *** war in Panik, „Was tust du denn? Willst du dich nicht umsehen, bevor du uns so in Gefahr bringst?“ Bruno hatte die Augen fest geschlossen und lief weiter, als er sie wieder öffnete stand er direkt vor dem Schaufenster des Tierheims. Beruhigt wischte er sich den Schweiß von der Stirn und drehte sich hektisch in die Richtung aus der er gekommen war. Er wollte sich versichern, dass niemand durch seinen Affektlauf zu Schaden gekommen war. Doch die Ampeln an der Strasse waren in beiden Richtungen auf rot geschaltet und weit und breit kein Auto in Sicht. Bruno war erleichtert. Er zuckte kurz mit den Schultern, kratzte sich am Kopt und warf *** einen imaginären 'ich-hatte-recht' Blick zu, dann betrat er den Laden.    
 
Ein dichtes Gemisch aus Raunen, Surren, Knurren und Fiepen breitete sich vor Bruno aus. In den Regalen, die sich rechts und links vor ihm erstreckten, war von knuffeligen Mäusen über krächtzende Kanarienvögel bis hin zum wuscheligen Streunerhund alles was das Tierliebhaberherz begehrt zu finden. Die Größe von Brunos Augen wurde nur von  seiner innerlichen Zufriedenheit übertroffen und ein leichter Seufzer drang aus ihm hervor. Zwar waren kaum andere Personen in dem Laden, doch außer den Tieren konnte man noch die ein oder adere menschliche Stimmen hinter den verschachtelten Regalen hervordringen hören. Das Zentrum des Geschehens war jedoch Joe.
Joe war seit ein paar Wochen als Verkäufer Aushilfe hier angestellt und saß Kaugummi kauend, mit den Beinen auf der Theke liegend hinter dem Empfangstresen, versunken in ein Sudoku Heft. Als er das Gebimmel des Glockenspiels, welches durch das Öffnen der Eingangstür unweigerlich ausgelöst wurde vernahm, wanderte sein Blick ohne eine Mine zu verziehen, geschweige denn den Rest seines Körpers aus der entspannten Haltung zu lösen in Richtung Bruno. Ein seichtes „Uh, du schon wieder.“, entfläuchte ihm, als sich Bruno näherte. „Was darf‘s denn heute sein? Lass mich raten, du suchst nach einer Katze?“, Joe kam dem etwas tölpelig dreinschauenden Bruno zuvor. Dennoch ließ er sich beim lösen seines Sudokus nicht durch dessen Anwesenheit beirren und malte eine weitere Zahl auf sein Papier. Bruno atmete tief ein, um über die Spitze des Angestellten hinweg zu sehen und folgte weiter seinem Vorhaben. „Ich bin auf der Suche nach einer schottischen Faltohrkatze. Habt ihr heute welche da?“ Genervt löste sich Joe aus seiner Haltung und beugte sich leicht über die Theke zum wartenden Bruno. „Du kommst jeden Tag in der Woche her und fragst mich nach dieser Katzenrasse. Jeden Tag sage ich dir, dass wir diese Art schon eine Ewigkeit nicht mehr auf Lager hatten, falls wir sie überhaupt jemals angeboten haben. Wie wäre es stattdessen wenn du erst einmal mit etwas nicht so anspruchsvollem anfängst. Was hältst du von einem Hamster? Davon haben wir reichlich.“ *** begann innerlich zu lachen, „Den Typen mag ich!“ Joe beugte sich zurück ohne Brunos Antwort abzuwarten, dann drehte er seinen Bleistift um und radierte die zuvor eingetragene Zahl wieder aus seinem Sudoku. „Hab ich es dir nicht gesagt, Spastis wie du bekommen niemals eine Katze!“, fing *** wieder an zu nerven, „Wahrscheinlich gibt es diese Katzenrasse gar nicht und du bildest sie dir nur ein, wie du dir mich einbildest. Nimm lieber den Hamster!“ Bruno hielt es nicht mehr aus, schloss seine Augen und wurde wütend. „Schottische Faltohrkatzen sind viel intelligenter, anhänglicher, niedlicher und daher um einiges besser als diese dämmlichen Hamster. Sie haben diese knuffigen kleinen Ohren und ich bilde sie mir nicht ein, die gibt es wirklich, dass kannst du im Internet nachlesen!“ Joe verschluckte überrascht seinen Kaugummi und sah dem Selbstgespräch mit einem dicken Grinsen verblüfft zu. Bruno wurde indes wieder Herr seiner selbst. „Oh Verzeihung, ich wollte nicht rumschreien. Das tut mir leid, Entschuldigen Sie. Ich komm einfach morgen wieder, vielleicht haben sie dann ja ein paar neue Katzen.“ Sein Blick war voller Scham auf den Boden gerichtet, dann drehte er sich um und brach zur Eingangstür auf. Joe schüttelte den Kopf. Er beschloss, dass es den Stress nicht wert war sich darauf einzugehen und widmete sich wieder seinem Sudoku. „Warum wirken die Tabletten denn heute nicht so stark wie sonst? Du gehst mir echt auf den Keks ***.“ Bruno war immer noch aufgebracht vom Verhalten seiner imaginären Stimme. „Schon mal was vom Gewöhnungseffekt gehört?“, stichelte *** zurück. Leicht deprimiert wandelte Bruno vorbei am tierischen Gewusel durch den Laden. Ein Regal voller Katzen fesselte seinen Blick, doch es waren nur die standardmäßigen europäischen Kurzhaarkatzen zu finden.
 
Aua, pass doch auf wo du hingehst. Was ist denn mit dir los?“, fuhr es Bruno an. „Oh, Verzeihung.“, entgegnete er zurück. Sein Kopf schmerzte von dem unglücklichen Aufprall. „Wieso rammst du mir denn einfach deinen Quadratschädel gegen die Stirn? Sowas macht man doch nicht.“, fuhr die weibliche Stimme fort. „Es war ein versehen, ich war, ich ... in Gedanken und kurz abgelenkt. Es tut mir, tut mir leid.“ Bruno stand einem Mädchen mit kurzen braunen Haaren gegenüber, die sich schmerzverzehrt den Kopf hielt. „Mein Name ist Bruno und ich, ich bin auf der Suche nach einer schottischen Faltohrkatze!“ „Oh was für ein Zufall und ich bin Tila, ich bin auch wegen einem Schmusetiger hier. Also du weißt schon, eine Katze meine ich. Fansi und ich wollen uns einen kleinen pelzigen Mitbewohner zulegen. Trotzdem ist das kein Grund mich einfach anzurempeln.“ „Ich hab mich doch schon entschuldigt.“, entgegnete Bruno erneut. „Willst du es nicht nochmal sagen? Das Entschuldigen kommt bestimmt gut an bei ihr!“, *** konnte es sich nicht verkneifen. Bruno hielt kurz inne, er bemerkte, dass Tilas linkes Bein und ihr linker Fuss merkwürdig verdreht waren. Ansonsten schien sie aber ganz normal zu sein. „Hast du das grade wirklich gedacht?“, unterbrach *** Brunos Gedanken. „Ist dir nicht aufgefallen, dass sie außerdem sehr schnell und sehr viel redet? Dass würde ich nicht als norm …“ Bruno konzentrierte sich auf das Mädchen gegenüber. „Ja Katzen sind schon tolle Tiere.“ Unangenehmes Schweigen betrat den Raum und beide nickten sich bejahend zu. „Warte mal. Ich glaub, ich habe sie schon mal gesehen.“, unterbrach *** „Ja ich glaube wir haben sie schon mal in der Werkstatt getroffen.“ „Bist du dir sicher?“, entgegnete Bruno. „Ja, sie war vor ein paar Monaten auch in der Musikgruppe.“, fuhr ***fort. „Du meinst die von Kai, die an Langweiligkeit kaum zu überbieten war? Wie kannst du dir da sicher sein? Ich kann mich kaum noch daran erinnern.“ Bruno kam ins Grübeln „Hör mal, ich bin Teil deines Unterbewusstseins und kram die ganzen Sachen hervor, die du verdrängst oder sowas, also ja ich bin mir sicher!“ *** war leicht entsetzt aufgrund des mangelhaften Vertrauens von Bruno.  „Nur weil Sabine, dass mal so erklärt hat, heißt es nicht das du generell mit allem recht hast.“, rechtfertigte dieser sich.
Tila sah besorgt aus, sie wartete seit Minuten auf eine Antwort von Bruno und sah nur wie dieser reglos dastand und offenbar etwas mit sich selbst auszumachte?
Alles in Ordnung mit dir?“, sagte sie schließlich. „Ja wieso?“, erwiderte Bruno. „Nun ja, ich hatte dich gefragt, ob du nicht auch in die Werkstatt 'Talberg' gehst. Ich glaub wir waren beide mal in dem Musiktherapiekurs von Kai.“ Tila lächelte. „Oder ist es wegen meinen Beinen?“ „Nein, natürlich nicht.“, sagte Bruno, während *** zeitgleich dachte „Ja, natürlich deswegen.“ „Es ist nur so“, fuhr Bruno weiter fort, „ich habe da so einen Freund. Wir sind uns sehr nah und verbringen viel Zeit miteinander, doch er denkt meistens nur an sich selbst. Trotzdem geht mir einfach nicht aus dem Kopf.“ Brunos Aussage blieb von *** nicht unbemerkt, welcher nur mit einem kurzen „Ey! Diese Beschreibung wird unserer besonderen Beziehung nicht mal ansatzweise gerecht.“, reagierte. „Ach das kenn ich, ich habe auch so eine besondere Person.“, Tila versuchte Bruno zu beruhigen, „Fansi, er  ist mein Freund und mit mir hier, um nach einem kuscheligen Fellknäuel Ausschau zu halten.“ Bruno sah sich im Tierhiem um, doch er konnte niemand anderen außer Joe an seiner Theke und den vielen in verschiedenen Tieraufbewahrungsboxen eingeschlossenen Tieren, erblicken.
Die alte ist ein Psychofall! Hier ist doch niemand.“, ergriff *** das Wort. „Bemerkst du eigentlich den Sarkasmus in deiner Aussage?“, schoss Bruno zurück, doch *** versuchte sich zu weiter rechtfertigen. „Hey, ich bin hier um das auszudrücken was du denkst, aber nicht zugeben willst. Jedenfalls manchmal! Meistens macht es einfach nur Spaß dich zu ärgern!“ Bruno versuchte erneut seine innere Stimme auszublenden und murmelte drohend zurück, „Wenn du dich nicht mal etwas mehr zusammen reißt werf ich die Bedarfstablette ein.“ Dann wandte er sich wieder an Tila. „Wie wäre es, wenn ich dir als Entschuldigung ein Eis ausgeben würde? Die Strasse herunter befindet sich eine Eisdiele.“ „Oh das wäre toll, das wäre wirklich super! Wir müssen aber später zurückkommen und Fansi abholen! Er ist sich wohl gerade umschauen …“, antwortete Tila auf Brunos Angebot. Er nickte ihr zu und ging zur Tür, um diese für das Mädchen aufzuhalten. Tila lächelte ihm dankend zu und humpelte hinkend hinaus.
 
Die Tür fiel ins Schloss und Bruno wurde leicht nervös. Die Strasse, sein größter Gegner auf dem täglichen Weg zum Tierheim war direkt vor ihm und forderte ihn erneut heraus. Die Aufregung stieg im Sekundentakt und innerlich vernahm Bruno leise die hämisch lachende Stimme seines ungewöhnlichen Gefährten. „Hey, wir müssen hier rechts entlang. Wieso starrst du denn so angespannt auf die Strasse, du komischer Vogel?“ Tila wackelte an Bruno vorbei und folgte dem Verlauf des Bürgersteigs.  Bruno versuchte seine Angespanntheit abzuschütteln, doch so richtig locker wurde er immer noch nicht. „Ja ich weiß.“, entgegnete er leicht trotzig und schloss zu Tila auf. Etliche Meter vergingen und die beiden streiften eine Menge Passanten, die sie mit neugierigen Blicken löcherten. Bruno gefiel es nicht so angeglotzt zu werden und er fühlte sich unwohl. Doch wer konnte es den Leuten verdenken, schließlich waren der schweiß-gebadete Bruno, der sich durch genuschelte Selbstgespräche zu beruhigen versuchte und die sonderliche Gehweise von Tila, welche nach jedem Schritt ihr verkrümmtes Gehgliedmaß ähnlich einem Pirat mit Holzbein hinterzog, ein ungewöhnlicher Anblick und ein bizarr niedliches Pärchen. „Stört dich das eigentlich nicht Tila?“, versuchte Bruno das Gespräch erneut aufzugreifen. „Was denn?“, reagierte Tila. „Na das die Leute dich so anstarren?“ „Ach was, die starren doch dich an!“ Bruno war wieder etwas angespannter, „Wieso mich, was wer … wo. Aber …“ Tila begann zu kichern. „Sie hat recht. Gott bist du ein Freak!“, meldete sich *** zu Wort. „Das ist nicht hilfreich.“, murmelte Bruno zurück. „Ach komm  schon, so ein Häufchen Elend wie du, lässt sich von hier drinnen noch viel weniger ertragen als von da draußen.“, hakte *** nach. „Ich geb doch schon mein bestes. Außerdem wieso mischt du dich eigentlich schon wieder ein? Für einen kurzen Augenblick hatte ich gehofft du würdest schlafen oder sowas.“, Bruno war genervt. „Ich denke, ja ich denke die Tabletten haben ihre Wirkung nun komplett verloren.“, entgegnete *** darauf. „Du bist ein lustiger Kauz!“ Tila hatte das Gespräch wohl mitbekommen, „Aber irgendwie ist deine Verwirrtheit süß.“ Bruno lächelte leicht verlegen zurück. „Sieh da vorne ist die Eisdiele, wir haben es gleich geschafft.“ Bruno fragte Tila nach ihrer Lieblingssorte, es war Himbeereis. Er ging zu der Bude und gab eine Bestellung auf. Für sich und *** je eine Kugel Vanille und Schoko zusammen in einem einzelnen Becher und für Tila eine Himbeereis Kugel in einer Waffel. Es hatte fast Brunos gesamte Überwindungskraft gekostet auf den fremden Eismann zuzugehen, aber Tilas Dank machte die Anstrengung wieder wett.  Nun saßen die beiden sehr unterschiedlichen Figuren auf einer Bank und futterten gemächlich ihre kalte Süßigkeit. Minuten vergingen bis das mampfende Schweigen unterbrochen wurde. „Also dieser Fansi wartet im Tierheim auf dich?“, begann Bruno. „Jepp“,  reagierte Tila fix. „Ist er denn sowas wie dein Freund?“, hakte Bruno nach. „Jepp, mein ältester Gefährte und ich kann mit ihm über alles und jeden reden. Er ist super.“ Irgendwie wurde Bruno durch Tilas Aussage ein wenig traurig, denn er fand Tila sympathischund hatte so jemanden nicht. „Ja ja ja, wenn interessierts. Küss sie!“, schaltete sich *** ein. „WAS?!“, fragte Bruno aufgeregt. „KÜSS SIE!“ Bruno schüttelte sich, um die Fassung zu wahren. „Danke für das Eis.“, entgegnete Tila schließlich, „Und was ist das mit dir und diesen Selbstgesprächen?“ „Ach das hat mit einer bipolarbären Störung oder so etwas zu tun, meint meine Betreuerin Sabine. Ich habe da jemanden in meinem Kopf der die ganze Zeit mit mir spricht, dass bin aber nicht ich.“, erzählte Bruno unbeschwert ohne darüber weitere Gedanken zu machen. „Ach so, ist bestimmt nicht einfach.“, Tila versuchte Bruno ein Wenig Verständnis entgegen zu bringen. „Naja, die anderen halten mich für komisch, auch meine Eltern. Aber ich glaube es ist wohl so ähnlich wie mit deinem Fansi.“, fuhr Bruno fort. Tila zog eine Augenbraue nach oben. Sie verstand das nicht und Bruno fühlte sich plötzlich verlegen. „Wie meinst du das?“, entgegnete Tila schließlich. „Naja, meinen *** können andere nun mal nicht sehen, so wie bei deinem Fansi.“, Bruno fühlte sich in Rechtfertigungsnot. „Soll das heißen ich bilde mir den nur ein?“. Tila war entsetzt. „Nun ja, ja. Im Tierheim warst du schließlich alleine. Außer uns war nur noch Joe der Verkäufer da!“, führte Bruno weiter aus. „Zu deiner Information, Fansi und ich sind schon seit gut einem Jahr zusammen und andere sehen ihn auch!“, Tila war eingeschnappt. „Da hast du es, jetzt ist sie sauer!“, auch *** gab seinen Senf dazu. „Entschuldigung ich wollte dir nicht zu nahe treten. Auf jeden Fall sagt meine Betreuerin ich darf erst ein Haustier haben wenn ich das in den Griff bekomme!“ Tila antwortete nicht, doch Bruno ließ sich nicht beirren und redete weiter. „Sie meint zwar ich habe schon Fortschritte gemacht, aber sie will mir nur einen Hamster andrehen! Ich such aber nach einer ganz speziellen Tierart. Wieso versteht sie das denn nicht?“ Tila löste ihre Eingeschnapptheit etwas. „Gibt es diese besondere Tierart überhaupt? Ich meine vorhin im Tierheim hast du dich ja ganz schön aufgeregt deswegen.“ „Na klar und es ist übrigens eine schottische Faltohrkatze, sehr intelligent und anhänglich. Du kannst es im Internet nachlesen!“ Tila rückte ein wenig an Bruno heran und nahm freundschaftlich seine Hand. „Ich glaube dir, aber sehen Katzen nicht sowieso alle gleich aus?“ „Oh, sie ist gut!“, *** lauschte zurückhaltend und neugierig dem Gespräch. „Vielleicht solltest du erstmal eine ganz gewöhnliche Katze ausprobieren?“, ergänzte Tila schließlich. „Ja, du hast wahrscheinlich recht?“, gab Bruno zu. Dann sprang Tila in einem Satz auf, „Na, dann lass uns zurück ins Tierheim gehen und mal sehen was die so da haben! Fansi vermisst mich bestimmt schon.“ Bruno musste grinsen wegen Tilas ansteckender Spontanität und trottete ihr munter hinterher.
 
Wieder im Tierheim hatte sich wenig verändert. Joe saß immer noch in seiner gelassenen Haltung hinter der Theke und versuchte verzweifelt sein Sudoku zu lösen. Beim Eintreten hatte er die beiden nicht einmal eines Blickes gewürdigt. Auch die Besucherschaft war seit dem Ausflug von Bruno und Tila nicht angestiegen. Bruno widmete sich dem Regal mit den Katzen, doch keine mochte ihm so wirklich gefallen „Nimm den Hamster!“ stichelte ***.  „Vorsicht!“, murmelte Bruno zurück. Deprimiert wandte er sich Tila zu. „Hör mal, die anderen Tiere sind ja ganz nett, aber sie sind eben keine schottische Faltohrkatze. Ich denke ich werde jetzt nach Hause gehen und es morgen wieder versuchen.“ „Ach Schade.“, entgegnete Tila, aber vielleicht klappt es ja ein andermal.“ „Ja da bin ich sicher.“ Bruno grinste Tila fröhlich zu. „Außerdem hab ich es ja nicht weit, mein Wohnhaus ist direkt dort auf der anderen Strassenseite.“ „Oh, dann komm ich dich demnächst mal mit Fansi besuchen und bringe einen Kuchen mit.“ Bruno war sichtlich erfreut über Tilas Aussage. „Ja das wäre toll, bis bald Tila und grüß Fansi von mir.“ „Ja bis bald.“, verabschiedete sich Tila. Bruno verließ den Laden, doch mit dem Schließen der Tür wurde er etwas trauriger. „Dieser Fansi scheint ja ein sehr toller Typ zu sein und einen kleinen niedlichen Freund, der der neue Mittelpunkt meines Lebens sein sollte hab ich auch nicht gefunden.“ murmelte er in sich hinein. Sein Blick wandte sich fragend gen Boden. „Auf jeden Fall scheint er besser als du zu sein.“, *** konnte es nicht lassen. „Glaubt du Tila wird uns wirklich besuchen kommen oder hat sie das nur aus Höflichkeit gesagt? So wie, du weißt schon, meine Eltern? Sie haben auch immer wieder versprochen mich zu besuchen, sind aber nie hier gewesen.“ „Naja , du bist halt ein Psycho, daher hast du dir doch die Antwort gerade selbst gegeben. Aber sieh es doch mal positiv Bruno, jetzt haben wir wieder uns und können an-was-denk-ich-gerade spielen.“  Der halbherzige Versuch seines imaginären Ichs Bruno aufzuheitern blieb ohne Erfolg „Ach nein lass mal, da gewinnst du ja immer.“, seufzte er leise hervor. Selbst die Strasse, sein schlimmster Albtraum, schien Bruno in diesem Moment kalt zu lassen. Denn er fühlte sich so einsam wie nie zu vor. Er trat an die Kante des Bürgersteigs, sah sich rechts und links nach Fahrzeugen um und überquerte mit gesenktem Haupt die Fahrbahn. Im Wohnhaus traf er auf Sabine, die ihn mit ihrer charmanten Fröhlichkeit empfing. „Na Bruno bist du wieder Spazieren gegangen? Wie war es im Tierheim? Hast du heute Erfolg gehabt?“ Bruno bemühte sich ein sanftes Lächeln in Sabines Richtung zu werfen, doch er antwortete nur kurz angebunden mit einem „Leider nicht.“ Dann ließ er die, über die Gelassenheit des sonst so phlegmatischen Bruno, staunende Sabine hinter sich und ging die Treppe hoch in sein Zimmer. Er legte sich in sein Bett und versuchte einzuschlafen, doch es fiel ihm schwer, denn aus seinem Nachbarzimmer drang laute Musik durch die Wand. Paul schien wach zu sein und sang in brünstig die Lieder einer  elektro-metal Band mit. Bruno blickte an die Decke und grübelte über den Nachmittag mit Tila, selbst *** konnte war komplett ausgeblendet. Nach ein paar Stunden schließlich schlief er schließlich ein.
 
Es klopfte an die Tür. „Bruno bist du wach?“, es war Sabines Stimme. „Och nö, lass uns noch ein Weilchen schlafen.“, murmelte ***. Doch Bruno antwortete lautstark mit „Ja“. Die Tür öffnete sich und Sabine betrat mit einer kleinen grauen Katze auf dem Arm das Zimmer. „Miau, miau“, drang in das halbschlafende Gehör von Bruno.  Er rieb sich die Augen und blickte in Sabines Richtung. Seine Müdigkeit war schlagartig verschwunden. „Sieh mal wenn ich hier habe.“, lächelte Sabine fröhlich in Brunos Richtung, „Eine kleine niedliche schottische Faltohrkatze.“ Bruno konnte es kaum fassen. Mit einem Satz sprang er aus dem Bett und nahm das Pelzknäuel auf seinen Arm. „Was ist denn los?“, murmelte ***. „Sieh mal hier, wie toll und niedlich!“, entgegnete Bruno. „Toll, kann ich jetzt weiter schlafen?“, murrte *** uninteressiert zurück. Glücklich und voller Begeisterung streichelte Bruno das kleine Kätzchen und freute sich über die winzigen abgeknickten Öhrchen. Sabine strahlte ihn ebenfalls an. „Wo hast du sie gefunden?“, fragte Bruno schließlich. „Ach eine Freundin hat mir geholfen.“ Bruno war etwas überfordert mit der Situation und formte ein Fragezeichen auf seinem Gesicht. „Außerdem hat se einen Kuchen mit gebracht und wartet im Gemeinschaftszimmer darauf ihn mit uns zu teilen.“ Bruno ließ Sabine perplex im Zimmer zurück und lief mit der Katze auf dem Arm in den Flur. Er konnte schon Teos lachende Stimme hören, die durch das Gemäuer schalte. Als er das Gemeinschaftszimmer schließlich betrat saß dort Tila, die Teo gerade ein Stück Kuchen auf den Teller ablud. „Hallo Tila.“, rief Bruno ihr fröhlich entgegen. „Ah, da bist du ja endlich, ich dachte schon Teo isst den ganzen Kuchen alleine auf.“, rief Tila zurück. „Du hast Fansi also endlich kennen gelernt.“ Bruno verstand nicht und stotterte ein „Was?“ heraus. „Na Fansi, du hältst ihn doch auf deinem Arm.“ Bruno sah an sich herunter und begann zu grinsen. Er hatte verstanden und rief, „Ja, du hast recht Fansi ist wirklich was Besonderes.“ Tila strahlte Bruno an, „Ja meine Betreuerin hat ihn mir vor knapp einem Jahr geschenkt, aber ich glaube er fühlt sich einsam, deswegen durchstreife ich mit ihm derzeit die Tierheime.“ Bruno lauschte aufmerksam Tilas Worten. „Offenbar hat sie keine Ahnung, was für eine Rasse diese Katze ist.“, *** sprach mal wieder aus, was Bruno durch den Kopf ging. Doch dieser hatte nicht vor sich darauf einzulassen. Er setzte sich zu Tila an den Tisch, nahm sich ein Stück von dem Kuchen auf seine Gabel und biss herzhaft hinein.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.01.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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