Irene Beddies

Der Unfall


Berta war heute zu Hause geblieben, der Kindergarten hatte wegen eines Streiks geschlossen.  Deshalb war Opa gekommen, um ihr Gesellschaft zu leisten und auf sie aufzupassen. Beide hatten zuerst „Mensch ärgere dich nicht“ gespielt, dann hatte Opa ihr Kakao gemacht. Als die Sonne herausgekommen war, waren sie in den Garten gegangen. Berta hatte ihm stolz ihr kleines Beet gezeigt, auf dem drei Erbsenpflanzen an Stöckchen rankten und eine Reihe Petersilie üppig in die Höhe schoss.

Opa hatte entdeckt, dass an dem Gewächshaus die Dachluke nicht ordentlich befestigt war. Klaus hatte sie nur notdürftig mit einem Stück Holz offen gehalten. Das war nun eine schöne Aufgabe für Opa. Er holte aus der Garage das nötige Werkzeug und machte sich an die Arbeit. Berta lief ins Haus zurück. Sie wollte ihre Puppe holen, die auch zuschauen sollte.

Als sie wieder in den Garten kam, hörte sie schon an der Regentonne einen Schrei. Das war Opas Stimme. Schnell rannte sie zum Gewächshaus. Da saß Opa gekrümmt auf der Trittleiter und hielt sich den Arm. Er stöhnte ganz fürchterlich. „Opa! Opa, was hast du?“ „Ich bin mit einem Werkzeug ausgerutscht und habe mir den Finger verletzt.“ „Komm runter, Opa, ich helfe dir!“ „Ich kann nicht. Ich weiß nicht, wie ich mich festhalten soll."
  „Opa, du blutest ganz doll!“  „Berta, lauf schnell in die Küche und hole ein sauberes Handtuch aus der Schublade. Und bring mein Telefon mit!“

Berta rannte, so schnell sie konnte, ins Haus und griff sich die verlangten Dinge. Dann sauste sie zu Opa zurück. Opa legte sich das Handtuch auf die verletzte Hand und drückte gegen die Wunde. „Ruf den Rettungsdienst !"  „Wie mach ich das, ich kann mit dem Telefon nicht umgehen.“                                                                                                     „Drück auf den Knopf mit der grünen Figur, dann siehst du Zahlen. Die Eins kennst du ja, die musst du dreimal drücken, dann meldet sich wer. . .“

Weiter kam Opa nicht, er verlor das Bewusstsein und fiel von der Leiter. Zitternd tat Berta das, was ihr Opa erklärt hatte. Der Rettungsdienst meldete sich. Eine freundliche Frau fragte sie, warum sie angerufen hatte.

„Opa blutet ganz doll an der Hand und ist von der Leiter gefallen. Er sagt nichts mehr.“ „Gut, das habe ich verstanden. Wo wohnst du denn? Kannst du mir die Straße sagen?“ „Die weiß ich nicht.“ „Wie heißt du denn? Wenn ich das weiß, kann ich beim Amt nachfragen.“ „Ich heiße Berta. Bitte komm schnell!“ „Und dein Nachname? Wie heißt du weiter?“ „Kröger. Meine Mama heiß Greta und mein Papa Klaus. Mein Bruder. . .“

„Das haben wir gleich. Wir schicken dir einen Rettungswagen. Bleib bei deinem Opa und rede mit ihm, auch wenn er dich nicht zu hören scheint.“

Berta setzte sich neben Opa, obwohl ihr seine Stummheit und Bewegungslosigkeit Angst machten. Aber er lebte noch, denn seine Brust bewegte sich regelmäßig. Sie rief erst leise, dann erzählte sie, was ihr gerade in den Sinn kam.
 Da hörte sie schon die Sirenen des Rettungswagens. Zwei Männer in orangenen Anzügen stürmten in den Garten. Sie hatten dicke Taschen dabei.
Als sie Opa und Berta entdeckten, öffneten sie die Taschen.  Zuerst fühlten sie an Opas Hals, nickten zufrieden. Dann klopften sie ihm ins Gesicht und riefen immer wieder: “Hören Sie mich?“ Plötzlich öffnete Opa die Augen. „Wir sind vom Rettungsdienst und helfen Ihnen. Alles wird gut.“                                                  
Opa versuchte zu lächeln, aber er verlor wieder das Bewusstsein.

Nun ging alles sehr schnell. Die Sanitäter maßen den Blutdruck, horchten an seiner Brust, tasteten seinen Bauch ab. Um die Wunde kümmerten sie sich auch und stachen ihm eine Nadel in den Arm. Daran schlossen sie eine Flasche mit Flüssigkeit an.
Plötzlich stand Mama neben Berta. Sie schloss ihr Kind in den Arm und streichelte ihm über das Haar. Berta wurde es gar nicht so recht gewahr, denn sie beobachtete immer noch staunend und neugierig, was mit Opa geschah. Nun, da Erwachsene da waren, die wussten, was zu tun war, hatte sie keine Angst mehr.

Opa wurde wenig später auf eine Trage gelegt und in den Rettungswagen geschoben. Mama und Berta durften mit ins Krankenhaus fahren. Hier durfte Berta aber nicht zugucken, wie Opas Hand behandelt wurde. 
Sie durfte ihn aber noch am selben Tag besuchen, nachdem alle Untersuchungen abgeschlossen waren.

Opa lag in einem befremdlichen Nachthemd im Bett. Seine Hand war dick verbunden. Aber auch sein Fuß steckte in einem Verband. „Hast du deinen Fuß gebrochen,Opilein?“ „Nein, der ist nur verstaucht, als ich von der Leiter fiel. - Du hast das alles großartig gemacht. Die Mama hat mir erzählt, dass du mich gerettet hast.“ „Woher weiß sie denn davon?“

„Na, sie hat sich mit dem Rettungsdienst unterhalten und erfahren, wie die nette Frau am Telefon herausgefunden hat, wo ihr wohnt. Die  Namen von Mama und Papa hat sie schnell in einem Computer bei einem Amt nachgesehen.  So hat sie auch Mama anrufen können.“

© I. Beddies

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.02.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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