Kerstin Groh

frei.

Drei Freunde. Alex, Maya und Jan.
Alex schlendert am Main entlang, sie blickt aufs Wasser, ihr Blick ist voller Sehnsucht und Schmerz. Sie schließt die Augen. Erinnerungen. Erinnerungen an die Schule, besser gesagt an die Schule, in die sie meistens nicht gegangen ist. Sie erhält Mahnungen wegen zu hoher Fehlzeiten, bekommt nichts auf die Reihe, hat Streit mit den Eltern, will einfach nur weg. Aber sie ist hier.
Jan geht es ähnlich, er sitzt auf der Brücke, sein Handy in der Hand. Zig ungelesene Nachrichten von Freunden: „hey Jan, was machst du?“, „was geht am we??“, „seit gestern nix gehört, was los bei dir?“, „Ignorierst du mich??“, „ruf mal zurück“, „bist du heut abend auch im hafen??“, „was machst du gerade“, zig verpasste Anrufe.
Ohne eine Nachricht davon zu öffnen, steckt er sein Handy wieder ein. Genervt und verzweifelt vergräbt er sein Gesicht in seinen Armen. Wann hat das angefangen, dass man immer erreichbar sein muss, jede Scheiße von sich preisgeben muss?!
Maya sitzt auf der Fensterbank, ihr Gesicht ist tränenverschmiert. Sie schaut nach draußen, sieht die Lichter der Stadt. Ihr Handy klingelt. „Hey Mama – jaa, ich weiß. Natürlich bin ich fit für morgen – ja, ich weiß, ich freue mich über die Chancen – ja klar, das hat jetzt die nächsten Jahre Priorität, natürlich ich geh gleich ins Bett – Danke, ja ich bin super glücklich.“ Sie legt auf. Ihr Blick gleitet über ein Papier, welches auf dem Boden liegt. „Ausbildungsvertrag zur Bankkauffrau“, der Ausbildungsbeginn ist morgen. In ihrer Hand hält sie ein Buch, einen Reiseführer. Frustriert schmeißt sie ihn die Ecke, sie sinkt in sich zusammen und kann nicht mehr aufhören zu weinen.

„Warum tun wir uns das eigentlich an?“, fragt Alex. „Wie meinst du das?“, Jan blickt sie fragend an. Die drei sitzen am Ufer, den Blick aufs Wasser gerichtet. „Na die ganze Scheiße hier halt, das Leben.“ „Sie hat Recht, ich kann einfach nicht mehr. Ich hab das Gefühl ich leb‘ gar nicht für mich und die einzigen, die mir Halt geben seid ihr und euch geht’s auch scheiße.“, Maya wirft einen Stein ins Wasser. „Eben. Ich finde, wenn wir alle nur noch für die jeweils anderen leben, können wir es auch ganz lassen.“, Alex‘ Stimme klingt entschlossen. „Du meinst, wir sollten uns alle zusammen umbringen?“, fragt Jan, seine Stimme klingt fast hoffnungsvoll. „Ach keine Ahnung, ja. Ich hab keine Kraft mehr, hab keine Ahnung wie ich dieses scheiß Leben bewältigen soll.“ „Nein, du hast Recht. Ich hab ja auch schon lange keine Nerven mehr…“ „Ich finde auch, das ist ein befreiender Gedanke… wir könnten einfach alles beenden, zusammen.“, Maya lässt sich auf den Rücken fallen, schaut in den Himmel, dann schließt sie die Augen. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. „Angenommen wir machen ein Datum aus, sagen wir mal in einem Monat. Dann hätten wir noch etwas Zeit ein paar Sachen zu erledigen. Es gibt eigentlich einiges, was ich immer mal machen wollte. Und wenn wir dann eh bald tot sind, ist ja alles andere egal.“ „Ja, also ich will auf jeden Fall nochmal richtig viel essen!“, Jan legt sich neben sie. „Oh und ich schmeiß mein Handy weg, geb‘ niemandem Bescheid.“ „Ich kündige meine Ausbildung und sag meiner Mutter, dass mich das eh nie glücklich machen würde“ „Ich mache mit Tom Schluss, der hat mich die letzten beiden Jahre genug eingeengt.“, jetzt liegt auch Alex auf dem Rücken und schaut den vorbei ziehenden Wolken zu.! „ Ich glaub ich probier‘ es dann doch nochmal mit Ballettunterricht, ist ja egal wenn ich mich blamiere.“ „Meint ihr es rentiert sich in den paar Wochen nochmal nach Bali zu fliegen? Ich will eigentlich nicht sterben, ohne einmal richtig gereist zu sein“ „Ja klar, um dein Geld brauchst du dir ja jetzt keine Gedanken mehr machen ich kauf mir einfach auch die Gitarre, die ich schon so lange will.“ „Es wär blöd, wenn ich Lara nach nem Treffen frage, oder? Am Ende sagt sie ja und dann bin ich ne Woche später tot…“ „Hmm, ja das wär ärgerlich. Meint ihr, ich soll meine Mappe doch für das Kunststudium einreichen, was meine Eltern mir ausgeredet haben? Am Ende werd‘ ich genommen und lebe bei Studienbeginn gar nicht mehr.“

Keiner der drei hat sich umgebracht.
Sondern lieber angefangen, richtig zu leben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.03.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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