Jörn Meyer

Bang, you´re dead

Das selbe wie an jedem verdammten Freitagabend. Dutzende von hirnlosen Idioten, die im brutalen Bassrhythmus zucken, sich hin und her werfen. Die Szenerie halb erleuchtet, halb nicht, durch das Aufblenden des Stroboskoplichts im Takt, eine Atmosphäre der Künstlichkeit. Wie unecht. Wie ferngesteuert. Die Luft kaum zu Atmen zustande. Weniger Sauerstoff als vielmehr künstlicher Qualm der Nebelmaschine, Nikotinrauch, Schweissgeruch. Sex liegt in der Luft, bis eben noch Unbekanntheit, jetzt Hand am Hintern und Zunge im Hals, Darfichdireinendrinkausgeben und Bistduöftershier. Nur ich nicht.
Ich lehne verkrampft-lässig an der Wand und rauche in kurzen, harten Zügen. Lasse meine Augen durch die durchzuckte Halbdunkelheit wandern, bleibe hängen an den ein oder anderen paar Brüsten, langen, endlos scheinenden Beinen, kaum verdeckt durch Jeans oder Leder. Dann und wann verlagere ich mein Gewicht, wechsele das Standbein. Oder drehe mich ein Stück, so dass meine Hand wie zufällig den Hintern eines vorbeiziehenden Mädchens streift. Sie guckt hin, ich weg. Ansonsten höre ich der Musik zu, warte darauf, dass sich meine Atmung, Herzschlag, mit den über hundertzwanzig Schlägen pro Minute in Einklang bringt. Üblicherweise bis zwei Uhr, dann Taxi, Porno, Masturbation. Nicht heute, heute nicht.
Nächster Zug, Geschmack am Gaumen, Rauch in der Lunge. Hast du Feuer? fragt ein Mädchen. Kurzer Funke, dann Gasflamme. Und sie geht. Ich beobachte den Tanga, der sich unter ihrem Jeansrock abzeichnet, als sie geht. Nächster Zug. Angelangt auf dem Filter. Ich schmeiße die Zigarette auf den Boden. Trete darauf und zerquetsche sie unter dem Absatz.
Dann plötzlich: nächstes Lied / und / Tilt. / und / Slow Motion.
Ich weiß selbst nicht wieso, ist aber auch egal. Ich greife in eine Tasche meines Mantels. Magnum .45. Geladen. Entsichert. Der Türsteher zu unaufmerksam.
1. Schuss / Ich feuere mitten in die Menge. Ich ziele nicht einmal. Sowieso unmöglich, durch Blitzlichtgewitter des Stroboskops. Der Schmerzensschrei des Mädchens war sogar lauter als der Krach aus den Boxen. Irgendwo in die Schulterregion. Blut über die bierverklebte Tanzfläche. Alle im Club fahren herum. Sehen nach dem Schmerzensschrei.
2. Schuss / Verfehlt. Verdammtes Licht. Querschläger an der Wand und wirkungslos in den Raum. Fluche auf mich selbst. Drehe mich ein wenig um, um mal wen anders zu treffen.
3. Schuss / Diesmal ziele ich auf die Discokugel. Splitterhagel, als die Kugel hindurchschlägt. Sie verliert den Halt und fällt zu Boden. Krach. Das Stroboskoplicht bricht sich in tausend Glassplittern.
4. Schuss / Wieder in die Menge, drückt sich von mir weg an die Wand, rennt panisch zum Ausgang. Geschrei, Chaos, Pandämonium. Treffe irgendwo in die Magenregion, wahrscheinlich tödlich.
5. Schuss / Die Lautsprecherbox. Endlich Schluss mit diesem schrecklichen Lied. Nur noch die Entsetzensschreie nerven mich. Eine Hand plötzlich auf meiner Schulter.
6. Schuss / Ich feuere an meinem Kopf vorbei hinter mich, ohne zu zielen. Ekliges Geräusch, habe getroffen. Es war der Türsteher. Zu erkennen nur noch an der Kleidung. Dadurch macht er seinen Fehler auch nicht wieder wett. Jemand weint um Gnade.
7. Schuss / Kopfschuss, Blut, sofort tot. Ruhe im Karton. Meine Augen wandern über die Gäste, suchend. Gefunden.
8. Schuss / Die Schlampe, die mich nach Feuer gefragt hat. Wenn ich ihren Arsch schon nicht haben kann. Plötzlich ein weiterer Gedanke.
9.Schuss / Der DJ schreit vor Schmerzen, als sich meine Kugel in seinen Unterleib bohrt. Geschieht ihm Recht. Scheiß Musik. Mache mich auf, raus aus dem Club. Heute wohl keine Pornos. Krach, als das leere Magazin auf die Erde fällt. Gehe zur Garderobe. Hole meinen Mantel. Neues Magazin in der Innentasche. Trete auf die Strasse. Ein Polizeiwagen kommt mit quietschenden Reifen zum Stehen. Die zwei Beamten springen heraus, doch ich bin schneller.
10. Schuss / Durch das Fenster der Tür hindurch. Der Bulle geht zu Boden.
11. Schuss / Nur um sicher zu gehen. Lassen sie die Waffe fallen, ruft der zweite. Als ob er mich jetzt noch davonkommen lassen würde. Schmerz im Handgelenk. Wegen dem Rückstoß.
12. Schuss / Der zweite Beamte. Ein Glück, dass ich so schnell zielen kann. Knapp unter seiner hässlichen Dienstmütze, direkt zwischen die Augen. Ich steige in den Wagen. Setze rückwärts, der erste Polizist schreit noch einmal, als ich drüberfahre. Hat wohl noch gelebt. Ich lenke den Wagen mit knapp hundert Sachen durch die Innenstatt. Geschwindigkeitsrausch. Ich ziele. Nein, heute nacht wirklich keine Pornos.
13. Schuss

-Jörn C. Meyer
04.03.2003

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.06.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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