Klaus-Peter Behrens

Artefaktmagie, Teil 50

Das Donnern der Wellen war schon lange, bevor sie den Wald verließen, zu vernehmen. Übergangslos endete der Wald an einer steilen Böschung. Sieben Fuß tiefer lag ein ungefähr hundert Fuß breiter, schneeweißer Strand, an dessen Ufer sich die Wellen des tiefschwarzen Meeres brachen. Vor dem sternengesprenkelten Himmel hob sich am Horizont gerade noch sichtbar eine Insel als düstere Silhouette in den Himmel.

Die Insel der Magier.

Sie hatten ihr Ziel beinahe erreicht. Mit einer eleganten Bewegung schob sich der Bär die Böschung hinunter und stapfte durch den Sand. Die Gefährten folgten, wobei Michael das Gleichgewicht verlor und auf seinem Hosenboden den Abhang hinunter rutschte. Verärgert über seine Ungeschicklichkeit, folgte er der kichernden Glyfara zur Mitte des Strandes, wo die anderen bereits auf sie warteten. Das Donnern der Brandung kam ihm hier unten lauter vor. Ein bedrohliches Grollen, das sie vor den Gefahren warnte, die auf der Insel auf sie warteten. Zudem wirbelte ein kräftiger Wind Sand auf, der ihm ins Gesicht stach.

Der Wühler, der bereits vorausgeeilt war, warf ihm einen mitleidigen Blick zu, den Michael geflissentlich ignorierte.

„Geht doch nichts über einen Tag am Strand“, brummte er, wobei er die Augen mit der Hand beschattete und zusah, daß er in den Windschatten des Bären kam.

„Wir brauchen ein Boot!“

Glyfara dachte wie immer praktisch.

„Du willst bei Nacht über das Meer fahren?“, fragte Michael ungläubig.

„Die Zeit drängt! Schon in dieser Nacht wird die Bruderschaft erneut von den Schergen des Wandlers angegriffen werden. Auch wenn Sids Clan ihnen zuhilfe eilt, ist der Ausgang der Schlacht mehr als ungewiß. Wir können uns keine Verzögerung leisten. Der Bann muß gebrochen werden, auch wenn das für uns eine gefährliche Überfahrt bei Nacht bedeutet“, wies Gelon ihn mit ernster Stimme zurecht. „Natürlich können wir dich nicht zwingen, mitzukommen.“

Michael spürte, wie er rot wurde und war dankbar, daß es tiefe Nacht war.

„Natürlich komme ich mit“, verkündete er mit Nachdruck.

„Dann laßt uns aufbrechen. Eine halbe Wegstunde von hier liegt ein verlassenes Fischerdorf. Irgendeines der Boote dort wird schon noch zu gebrauchen sein. Ich bringe Euch dorthin. Danach werde ich mich auf den Rückweg machen und mit meinem Clan treffen. Schließlich kann die Garde wohl kaum ohne ihren Anführer in den Krieg ziehen“, sagte Sid und schnalzte mit der Zunge, worauf sich der Bär wieder in Bewegung setzte.

Michael, der plötzlich wieder dem beißenden Wind ausgesetzt war, mußte sich eingestehen, daß er den Bärenreiter falsch eingeschätzt hatte. Die Ernsthaftigkeit, mit der der junge Mann bereit war, Verantwortung zu übernehmen und in den Krieg zu ziehen, beeindruckte ihn wider Willen. Er fragte sich nur, was Glyfara, die mit einem verschlossenen Gesichtsausdruck neben ihm durch den tiefen Sand stapfte, davon hielt. Dann glitt sein Blick hinüber zu der düsteren Insel vor dem sternenübersäten Horizont.

Was würde ihn dort wohl erwarten?

 

Der Blick vom Mauerkranz war alles andere als aufbauend. Die Nacht war bereits über das Tal hereingebrochen und die ersten Sterne funkelten am wolkenklaren Himmel, als die feindliche Armee außerhalb der Pfeilschußreichweite wie eine dunkle Woge von allen Seiten über die Hügel quoll und die Festung der Bruderschaft wie ein wogender Ozean aus gepanzerten Kriegern mit stählernen Waffen umgab.

„In dieser Nacht wird es sich entscheiden“, meinte Grimmbart. Sein ohnehin flaues Gefühl im Magen verstärkte sich angesichts des erschreckenden Schauspiels zu Füßen der Festungsanlage, und das war ein untrügliches Zeichen.

„Viele Kämpfer werden die Sonne nicht mehr aufgehen sehen“, stimmte Grüneich ihm zu, der ebenfalls über die Brüstung spähte. Ein diabolisches Grinsen lag auf dem harten, wettergegerbten Gesicht des Trolls, das ihn zum Fürchten aussehen ließ.

„Aber die meisten davon, werden in den Reihen unserer Feinde zu finden sein“, ergänzte er mit einer Entschlossenheit, die Grimmbart nicht teilen konnte. Dazu hatte er an zu vielen Schlachten teilgenommen, so daß er die Unterlegenheit einer Situation einschätzen konnte. Und was das anbelangte, gab es keine zwei Meinungen. Sie waren dem Gegner hoffnungslos unterlegen. Es würde ihn wundern, wenn die Mauern nicht bereits beim ersten Sturmangriff fielen. Trotzdem ließ er sich seine wahren Gefühle nicht anmerken. Wer angesichts der Übermacht verzagte oder zweifelte hatte schon verloren. Ein Anführer mußte Stärke zeigen, selbst wenn die Situation noch so aussichtslos war. An diesen Rat hatte er sich ein Leben lang gehalten und war stets gut damit gefahren. Auch wenn es heute Nacht vielleicht zuende gehen sollte, hatte er nicht die Absicht, jetzt alte Traditionen über Bord zu werfen. Sein Bart teilte sich zu einem leichten Grinsen und seine Augen glitzerten eiskalt, als er zu dem Troll aufsah.

„Schicken wir sie dahin zurück, wo sie hergekommen sind!“

„Das ist die richtige Einstellung“, brummte Grüneich vergnügt.

 

Sid hatte nicht zu viel versprochen. Eine halbe Stunde später endete der feine Sandstrand an einem felsigen Einschnitt, auf dem sich eine Handvoll windschiefe Hütten um einen sichelförmigen Hafen schmiegten. Der rückwärtige Teil des Dorfes reichte bis zu dem bewaldeten Berghang, der sich schemenhaft gegen den Nachthimmel abzeichnete und wie eine drohende Festungsmauer aufragte. Eine frische Brise wehte vom Meer und vertrieb den Geruch von Moder und Fäulnis, der diesem Geisterdorf normalerweise anhaftete.

„Unheimlich“, brummte der Wühler mißmutig.

Michael stimmte ihm insgeheim zu. Die Fenster waren nur noch dunkle Höhlen, die anklagend in die Nacht starrten, und von irgendwo ertönte das Klappern eines im Wind hin und her schlagenden Fensterladens über das Rauschen der Brandung hinweg. Michael hatte mit der Vorstellung eines verlassenen Dorfes immer ein wenig Romantik in Verbindung gebracht. Die Realität hingegen sah anders aus. Das Dorf strahlte eine Trostlosigkeit aus, die ihn fast schwermütig werden ließ. Die Bewohner hatten diesen Ort schon vor langer Zeit verlassen, und zurückgeblieben war einer Mahnung gleich nur die Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens und den Tod.

Sein Blick fiel auf die verrotteten Piers, an denen längst vergessene Fischerboote vor sich hin dümpelten. Ein paar waren bereits dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen und wiesen starke Schlagseite auf. Hier und da ragten nur noch Masten aus dem schwarzen Wasser auf.

Es war eine trostlose Szenerie, die etwas ungemein Bedrückendes an sich hatte. Und über all dem lag der dunkle Nachthimmel, an dem der Mond mit den Sternen um die Wette funkelte und sich auf der schwarzen See widerspiegelte.

Ein plötzliches, tiefes Knurren des Bären ließ Michael zusammenzucken.

„Wir sollten aufpassen. Bors hat etwas gewittert.“

Am Rande des Dorfes ließ Sid seinen Bären anhalten, dann spähte er aufmerksam über die Ansammlung verlassener Hütten. Die Lage war geradezu ideal für einen Hinterhalt. Mit dem Bogen in der Hand gesellte sich Glyfara zu ihm. Ihre grünen Augen fixierten jede einzelne Hütte, erfaßten jedes Detail, ohne daß sie etwas Ungewöhnliches entdecken konnte. Schließlich gab sie es auf, zuckte mit den Achseln und hängte sich ihren Bogen wieder um.

„Ich kann nichts entdecken“, verkündete sie.

„Trotzdem sollten wir vorsichtig sein. Bors knurrt nur, wenn es dafür einen guten Grund gibt.“

„Fragen wir den Wühler“, schlug Glyfara vor und wandte sich an den pelzigen Gefährten. „Was hältst du von diesem Dorf?“

Der Wühler hob den Kopf und sog die Luft prüfend ein, bevor er antwortete:

„Fisch, alt.“

„Ganz meine Meinung. Dann laßt uns diesem einladenden Dorf einen Besuch abstatten“, sagte Glyfara, wobei ein schelmisches Lächeln auf ihrem Gesicht lag. Sid nickte.

„Einverstanden, aber wir sollten dicht zusammenbleiben. Ich kann es fühlen. Hier stimmt etwas nicht.“

Dann schnalzte er einmal mit der Zunge, worauf sich der mächtige Bär wieder in Bewegung setzte. Die kräftigen Pranken hinterließen deutlich sichtbare Spuren auf der Dorfstraße, die nur aus festgestampften Lehm bestand. Dicht auf folgten die Gefährten, sorgsam darauf bedacht, in der Nähe des Bären zu bleiben. Unter anderen Umständen hätte Michael das Erforschen eines verlassenen Dorfes begeistert, jetzt hingegen bedrückte ihn das Ganze nur.

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen sah er sich um.

Aus der Nähe betrachtet, wirkte das Dorf noch verfallener. Seine ohnehin überlastete Fantasie gaukelte ihm vor, daß die Geister längst verstorbener Fischer um die von der ewig feuchten Luft salzverkrusteten, verfallenen Gebäude zogen, auf Ewigkeit dazu verdammt, auf die nächste, nie mehr kommende Ausfahrt über das Meer zu warten. Über einem hölzernen Gerüst hing sogar noch ein oft geflicktes Fischernetz, das sachte im Wind hin und her schwang, als würde es auf seinen Einsatz warten.

Und es gab Spuren.

Pferdespuren von schwer beschlagenen Streitrößern, die zum Hafen hinunter führten, die das Lächeln von Glyfaras Gesicht wischten, als sie sich niederkniete, um sie zu untersuchen. Mit den Fingern fuhr sie über die Ränder der Vertiefungen.

„Keinen halben Tag alt“, sagte sie mit besorgtem Gesichtsausdruck. Langsam richtete sie sich wieder auf, wobei sie den Bogen von der Schulter nahm und einen Pfeil auf die Sehne legte.

Wurden sie bereits erwartet?

Hatte Sid Recht mit seiner Vermutung?

Sorgfältig glitt ihr Blick über die verfallenen Fassaden der windschiefen Hütten. Irgendwo klapperte noch immer ein Fensterladen. Das dumpfe

Dong,

Dong,

Dong,

zerrte an ihren Nerven. Dies war ein idealer Platz für einen Hinterhalt. Sollten in diesem Moment irgendwo in den tiefen Schatten der trostlosen Hütten Armbrüste auf sie angelegt werden, hätten sie nicht den Hauch einer Chance zu entkommen. Mit einem besorgten Ausdruck in den Augen wandte sie sich an Sid, der noch immer auf seinem Bären thronte und sich ganz auf dessen Instinkte verließ.

„Was meinst du?“

„Schwer zu sagen. Ich habe euch ja gewarnt. Irgend jemand, den Bors nicht mag, war jedenfalls vor kurzem hier. Soviel steht fest. Allerdings scheint uns momentan keine Gefahr zu drohen, sonst würde Bors sich anders verhalten. Er kann Gefahren auf eine Viertelmeile Entfernung riechen.“

„Nicht schlecht“, ließ sich der Wühler vernehmen, dessen Nase ihm ebenfalls verraten hatte, daß ihnen im Moment keine Gefahr drohte. Was allerdings nicht bedeuten mußte, daß sie gerade im Begriff waren, sich in eine zu begeben. Sids Gedanken gingen in eine ähnliche Richtung.

„Vielleicht werdet ihr auf der Insel bereits erwartet“, überlegte er, wobei sich seine Stirn in nachdenkliche Falten legte. „Allerdings müßten dann die Pferde hier noch irgendwo herumstehen.“

„Wir haben keine Zeit, uns mit dieser Frage länger zu beschäftigen. Bevor die Nacht herum ist, müssen wir auf der Insel das Artefakt aktiviert und die Grenze zwischen unserer und der Welt dieser Kreaturen wieder errichtet haben. Falls es dann nicht schon zu spät ist.“ Gelon Stimme nahm einen bitteren Klang an, als er an das Schicksal der Zurückgebliebenen dachte.

„Keine Sorge. Bevor die Mitte der Nacht vorbei ist, werden meine Kameraden und ich dem Feind in den Rücken fallen. Seht Ihr zu, daß Ihr Eure Aufgabe erledigt. Das Kämpfen übernehmen wir.“

„Dann laßt uns ein Boot auftreiben, das nicht gleich an der Hafenausfahrt sinkt und diese Sache zuende bringen“, knurrte Michael, der eifersüchtig registrierte, daß Glyfara dem Bärenreiter, der wie ein Feldherr auf seinem Bären thronte, einen bewundernden Blick zuwarf. Dieser gut aussehende Junge auf seinem pelzigen Koloß ging ihm allmählich auf die Nerven. Ohne weiter auf seine Gefährten zu achten, machte er sich daher auf den Weg zum Hafen hinunter.

Das Kämpfen übernehmen wir, wiederholte er dabei verärgert in Gedanken die selbstgefällige Ausdrucksweise seines Konkurrenten. Als wenn er bisher nicht gekämpft hätte! Aber wer konnte schon die Frauen verstehen?

„Mutiger Krieger“, brummte der Wühler anerkennend, der neben Michael einher trabte.

„Wer hat dich nach deiner Meinung gefragt?“

 

Eine gute weitere halbe Stunde angestrengten Wartens war inzwischen vergangen, während deren sich der Feind vor den Toren weit außerhalb ihrer Reichweite formiert hatte. Grimmbarts Zweckoptimismus war dabei von Minute zu Minute gesunken. Dann geschah das, was er bereits befürchtet hatte. Fackelträger erschienen im Westen auf den Hügelkuppen und entzündeten die hoch aufgeschichteten Holzstapel.

„Jetzt wird’s ungemütlich“, brummte Grüneich, als die ersten beißenden Rauchschwaden vom Wind zu ihnen herüber geweht wurden. Tatsächlich dauerte es nur wenige Minuten, bis die Umgebung im Westen in den Rauchschwaden versank. Der ätzende Rauch bewirkte auf den Wehrgängen akute Atemnot und Hustenanfälle bei den Verteidigern. Trotzdem blieb jeder auf seinem Posten und wartete auf den bevorstehenden Angriff.

„Glaubst du, sie werden sich nur auf den Rauch als Deckung verlassen?“, fragte Grüneich, dem der Anblick der wabernden Schwaden unangenehm an den Düsterwald erinnerte. Grimmbart schüttelte den Kopf.

„Nein, sie werden zusätzlich das Sperrfeuer eröffnen, damit wir die Köpfe unten halten und dann im Schutz des Rauches mit Kriegsleitern angreifen. Wenn wir dann hier so richtig beschäftigt sein werden, erfolgt wahrscheinlich der Angriff auf das Tor. Zumindest ist das die klassische Form der Kriegführung, wie ich sie kenne. Begib dich also besser schon mal zum Tor hinüber und sieh zu, daß deine Wunderwaffe im Ernstfall funktioniert. Ich werde hier dafür sorgen, daß unsere unerfahrenen Verteidiger nicht gleich beim ersten Angriff unterliegen.“

„Viel Glück.“

Mit einem kurzen Nicken verschwand der Troll den Wehrgang entlang, während Grimmbart die Hände vor dem Gesicht zu einem Trichter formte.

„Achtung! Haltet die Schilde hoch und geht hinter der Brüstung in Deckung! Der Feind wird jedem Moment das Sperrfeuer eröffnen. Wartet ab, bis es vorbei ist und späht zwischen die Schießscharten hindurch. Der Feind wird wie beim letzten Mal mit Kriegsleitern angreifen. Wartet, bis er nahe genug heran ist und ihr genug sehen könnt. Dann sucht euch einen Leiterträger aus und schickt ihn zu seinen Ahnen. Denkt daran: Die Leitern dürfen auf keinen Fall bis zu den Mauern gelangen. Falls doch, haltet die Gabelstöcke und das kochende Wasser bereit, und nun laßt uns diesen Krieg gewinnen.“

Ein vielstimmiges, zustimmendes Gebrüll schallte von den Mauern über die Brüstung bis zum Feind hinüber, der prompt mit einem Pfeilhagel antwortete. Hunderte von Pfeilen gingen plötzlich über die Brüstung nieder, bohrten sich in Schilde oder prallten harmlos von Mauern ab.

Doch hier und dort erklangen auch die Schreie der Verwundeten und Sterbenden. Während die Sanitäter mit über dem Kopf erhobenen Schilden auf den Wehrgängen todesmutig hin und her hasteten, um die Verwundeten zu bergen, spähte Grimmbart seitlich durch eine Lücke zwischen den Zinnen der Brustwehr. Wie vorausgesagt, wogten dutzende von Kriegsleitern durch die Nebelschwaden auf den Festungswall zu, und noch immer nahm der Pfeilhagel kein Ende. Entlang des Wehrgangs wurden Bögen gespannt und Armbrüste auf die Rauchschwaden angelegt. Aber noch war die Sicht zu schlecht, um mit einem gezielten Beschuß zu erwidern, und für Pfeile ins Blaue fehlte ihnen die Munition. Die Spannung war mit den Händen zu greifen.

Noch siebzig Fuß.

Alle Augen waren auf Wengor gerichtet. Mit hoch erhobener Hand beobachtete der Hauptmann das Näherrücken des Feindes.

Noch fünfzig Fuß.

Nach und nach waren nun die Infanteristen, die die Kriegsleitern trugen, deutlicher in den Rauchschwaden zu erkennen.

Vierzig Fuß.

Mit einem energischen Ruck senkte Wengor die Hand, worauf die Verteidiger ihre Gegner mit einem Hagel aus Pfeilen und Bolzen willkommen hießen, was insbesondere die Dämonen an den Kriegsleitern in arge Bedrängnis brachte.

Gleich reihenweise fielen sie dem unerbittlichen Beschuß zum Opfer. Das Schreien der Sterbenden mischte sich mit dem Kriegsgeheul der nachdrängenden Angreifer, die die Plätze der Gefallenen einnahmen und dem Triumphgebrüll ihrer Widersacher, die den Feind weiterhin gnadenlos unter Beschuß nahmen. Überall sanken Dutzende tödlich getroffen zu Boden, doch ungeachtet dieser Verluste gewannen die Angreifer weiter an Boden, grölten finstere Drohungen und waren wild und begierig darauf, ihre Gegner bis auf den letzten Mann niederzumachen. Der fanatische Glanz in den Augen der Unholde war selbst auf den Festungsmauern zu erkennen. Mit verkniffenem Gesichtsausdruck registrierte Grimmbart, daß etliche Leitern trotz des mörderischen Beschusses inzwischen bis zum Festungswall gelangt waren. Schwer bewaffnete Dämonen kletterten dort wieselflink nach oben und würden die Verteidiger schon bald in Schwierigkeiten bringen.

„Bringt das Wasser!“

Der Befehl Wengors erhob sich über das allgemeine Kampfgetümmel. Der Hauptmann stand inmitten des am ärgsten bedrängten Abschnitts und gab hektisch Anweisungen, während auf breiter Front die Soldaten mit langen Gabelstöcken versuchten, die Leitern von der Mauer abzustoßen. Gelegentlich erklangen gellende Schreie, wenn eine bemannte Leiter anmutig zu Boden fiel. Grimmbart hatte allerdings keine Zeit, dem Hauptmann und seinen Männer zu Hilfe zu eilen, da sich in diesem Moment auch auf seinem Abschnitt zwei dicke Hölzer über den Mauerkranz schoben. Zugleich erscholl ein warnendes Trompeten vom Ostwall hinüber. Grimmbart warf einen kurzen Blick hinüber und wurde bleich.

Ein circa fünfundzwanzig Fuß hohes Gerüst schälte sich aus den Rauschschwaden und rollte auf den Ostwall zu, ein Belagerungsturm, der von mehreren Pferdegespannen gezogen wurde, die wiederum von stämmigen Ulogs mit Schilden so gut es ging vor feindlichem Beschuß geschützt wurden. Innerhalb des hölzernen Belagerungsturms befanden sich Treppen, auf denen die Angreifer verblüffend schnell nach oben und von dort über eine ausfahrbare Rampe auf die gegnerische Festungsmauer gelangen konnten, sollte es ihnen gelingen, den Festungswall zu erreichen. Grimmbart schluckte. Der Angriff im Westen war nur ein Ablenkungsmanöver. Die eigentliche Gefahr drohte aus einer ganz anderen Richtung und war bisher durch die Rauchschwaden vor ihren Blicken verborgen geblieben.

„Macht die Balliste klar!“

Wengors Stimme überschlug sich beinahe vor Hektik.

Und schießt auf die Pferde und ihre Knechte. Der Turm darf den Wall nicht erreichen, sonst sind wir geliefert.“

Mit einem unguten Gefühl im Magen wandte sich Grimmbart wieder der Bedrohung auf seinem Abschnitt zu. Der erste Dämon war bereits im Begriff, über die Brüstung zu klettern. Mit einem einzigen Schlag seiner Streitaxt spaltete Grimmbart ihm den Schädel. Blut und Gehirn spritzten über die Brüstung.

Ein schmatzendes Geräusch erklang, als er die Axt aus dem Schädel des toten Dämonen riß, der daraufhin rücklings zwanzig Fuß in die Tiefe stürzte und dabei ein Teil der unter ihm die Leiter Erklimmenden mit sich riß.

Indes war Grimmbart bereits herum gewirbelt und hatte einem weiteren Dämonen, der plötzlich links von ihm auf dem Wehrgang aufgetaucht war, den Dorn seines Axtgriffs ins Auge gerammt. Der Dämon gehörte zu einer Gruppe von Angreifern, denen es bereits gelungen war, die Brüstungsmauer an einem weniger stark besetzten Abschnitt zu überwinden. Schwerter klirrten nun dort und Schreie erklangen, als die unterlegenen Verteidiger verzweifelt versuchten, den Wehrgang von den Feinden zu säubern, aber immer neue Angreifer quollen über die Brüstung. Grimmbarts Blut begann bei diesem Anblick zu kochen. Mit einem Tritt in den Brustkorb seines aufgespießten Gegners befreite er seine Axt und eilte den Bedrängten zuhilfe.

 

Wusch.

Mit einem zischenden Geräusch sandte die Ostballiste ihre Last über die Brüstungsmauer und verfehlte den Turm um mehrere Meter. Triumphierendes Gebrüll erscholl jenseits der Festungsmauer, während die Verteidiger an der Balliste hastig an den Einstellungen arbeiteten und den Turm im Auge behielten, der langsam aber stetig näher kam. Zwar hatten die Verteidiger etliche Pferde inzwischen in Stachelschweine verwandelt, gleichwohl rollte der Turm immer noch unerbittlich auf den Ostwall zu. Anstelle der gefallenen und ausgespannten Pferde zogen und schoben nun Dutzende von stämmigen Ulogs den Turm auf den Gegner zu.

Nur noch hundert Fuß.

Der Besatzung der Balliste brach der Angstschweiß aus.

„Jetzt ändert endlich die Einstellung, verdammt noch mal. Zwei Strich weiter nach Norden. Das kann doch nicht so schwer sein. Beeilt euch gefälligst!“

Mit riesigen Schritten kämpfte sich der erboste Wengor über die Brustwehr zum Ostwall vorwärts. Gellende Schreie drangen an sein Ohr, als der Inhalt eines Wasserkessels von zwei Jugendlichen, die kaum zwölf Sommer zählten, direkt vor ihm über die Brüstung gekippt wurde und die unglücklichen Erklimmer auf einer darunter befindlichen Kriegsleiter in gekochte Krebse verwandelte. Im Vorbeistürmen klopfte er dem jüngeren der beiden anerkennend auf die Schulter, der daraufhin stolz grinste, als er den Kessel auf dem Wehrgang absetzte. Dann war Wengor auch schon vorbei und stürmte weiter, als ein stämmiger, mit einem Krummsäbel bewaffneter Dämon plötzlich vor ihm über die Mauer sprang und auf dem Wehrgang landete. Wengor reagierte automatisch. Sein Schwert beschrieb einen pfeifenden Halbkreis, worauf der gegnerische Säbel nebst Hand, die noch immer den Griff umklammerte, im hohen Bogen verschwand. Wengor ließ seinem entsetzten Gegner, aus dessen Armstumpf eine Blutfontäne spritzte, keine Zeit zu reagieren. In einem tödlichen Bogen pfiff sein Schwert ein zweites Mal, worauf der Schädel des Dämonen der Hand in die Tiefe folgte.

„Einer weniger“, knurrte er zufrieden, während zwei Soldaten bereits damit beschäftigt waren, mittels langer Gabelstöcke die Kriegsleiter, über die der Dämon auf den Wehrgang gelangt war, von der Mauer abzustoßen. Ohne lange innezuhalten stieg Wengor über den Leichnam hinweg und stürmte weiter den Wehrgang entlang. Das Zischen der Balliste, gefolgt von einem splitternden Geräusch ließ ihn hoffnungsvoll aufsehen. Ein Geschoß hatte einen Teil des oberen Brüstungsturms abgerissen. Wengor zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen, als er erkannte, daß der Turm trotzdem noch immer einsatzfähig war und unerbittlich näherkam. Aber zumindest schossen sich seine Leute allmählich ein.

 

Von einem der Hügel im Westen beobachtete der Wandler angespannt die tobende Schlacht. Mit Genugtuung registrierte er, daß der Belagerungsturm seine Gegner in arge Bedrängnis brachte. Er versuchte sich vorzustellen, was gerade jenseits der Mauern vor sich ging.

Würde sich der Befehlshaber angesichts der drohenden Gefahr nur auf seine Geschütze verlassen, oder würde er zusätzlich Männer von den anderen Fronten abziehen, um der Gefahr zu begegnen? Der Wandler vermutete letzteres.

Ein düsteres Lächeln glitt unter der dunklen Kapuze über sein verunstaltetes Gesicht. Diesmal schien alles nach Plan zu verlaufen. Zufrieden wandte er den Kopf und ließ sein Blick über die Truppen schweifen, die im Schutz der Hügel, verborgen vor den Blicken ihrer Gegner, auf ihren Einsatz warteten. Der Feind konnte unmöglich ahnen, wieviel Soldaten sich in den Rauchschwaden verbargen. Das war der Sinn des Ganzen. Schon bald würde er feststellen müssen, daß die Hauptmacht der Angreifer das Tor stürmte, allen voran eine Abteilung Ulogs, die den Rammbock bedienten. Wohlgefällig glitt sein Blick über den zwanzig Fuß langen, hölzernen Tunnel, der an einen überdimensionalen Wurm erinnerte und sich bald in das Tor seiner Feinde bohren würde. Der feuergehärtete, stahlverstärkte Rammdorn in seinem Inneren würde ihnen den Weg frei machen, bevor der Gegner Gelegenheit haben würde, sich auf die neue Bedrohung einzustellen. Diesmal würde ihm kochendes Teer nichts nützen. Seine Krieger würden ausreichend geschützt sein. Nun galt es nur noch, den richtigen Moment abzuwarten, und der würde bald kommen.

 

Das Boot machte einen überraschend soliden Eindruck. Es war ein Dingi, ein einfaches Plankenboot, das ohne Kiel und Spannten für das Fischen in Küstennähe gebaut worden war. Es verfügte über einen Mast vorne im Bug, an dem ein dreieckiges Segel hing, das sich über die gesamte Länge des Bootes erstreckte und eine Ruderbank in der Mitte, die Platz für zwei Ruderer bot. Der Wühler hatte es in einem Schuppen entdeckt, der es vor Witterungseinflüssen bewahrt hatte. Ein halb volles Faß Teer und ein relativ frisch wirkender, schwarzer Anstrich um den Kiel herum zeigten, daß lecke Stellen des Bootes offenbar sorgfältig kalfatert worden waren. Zumindest war damit sichergestellt, daß es nicht gleich nach der Hafenausfahrt sinken würde.

Widerwillig mußte Michael der Tatsache ins Auge sehen, daß er an einer nächtlichen Segelpartie über das tiefschwarze Meer nicht vorbeikam. Aber zumindest war er dann auch Sid los, der kaum noch von Glyfaras Seite wich, als sie alle gemeinsam das Boot aus dem Schuppen zum Hafen hin transportierten. Zum Glück war das Gefährt auf ein hölzernes Gestell mit Rädern aufgebockt worden, so daß sich der Transport relativ problemlos gestaltete. Mit einem platschenden Geräusch glitt es schließlich über eine schlüpfrige Rinne in das dunkle Hafenwasser hinein, wo es sachte vor sich hin dümpelte und zwischen den verrotteten anderen Kähnen beinahe deplaziert wirkte.

„Also dann.“

Dankbar streckte Gelon Sid die Hand zum Kriegergruß entgegen, worauf der stämmige Reiter mit einem Nicken einschlug.

„Paßt gut auf Euch auf. Dieser Feind ist grausam, hinterhältig und gefährlich, selbst für einen Bärenreiter. Mögen wir uns unter besseren Bedingungen wiedersehen.“

„So sei es.“

Mit einem Nicken in die Runde verabschiedete er sich von den anderen Gefährten, wobei seine Augen zu Michaels Verärgerung besonders lange auf Glyfara ruhten, die seinen Blick mit einem Lächeln erwiderte.

Dann begaben sie sich unter Gelons Anleitung über eine vom Holzwurm schon arg in Mitleidenschaft gezogene, kurze Leiter zu dem Boot hinab. Der Wühler folgte mit einem mutigen Sprung, der das Boot ins Schwanken brachte. Dann waren alle an Bord. Gelon übernahm den Sitz an der Pinne im Heck, während Michael und Glyfara sich mit den Rudern an den Dollen abplagten. Es dauerte eine Weile bis es ihnen gelang, sie einzulegen und endlich auf der Ruderbank Platz zu nehmen. Michael kam sich vor wie ein Galeerensklave, als er sich unter Gelons Befehl in die Ruder legte. Er beneidete den Wühler, der ihr Bemühen mit amüsierten Gesichtsausdruck beobachtete. Die eisernen Dollen quietschten erbärmlich zum Takt der Ruderschläge, mit denen sie das Boot in die Mitte des Hafenbeckens ruderten. Nach wenigen Schlägen war von Sid und seinem Bären nur noch ein dunkler Schattenriß übrig, der sich gegen den Nachthimmel abzeichnete. Nach ein paar weiteren Ruderschlägen erreichte das kleine Boot die Mitte des Hafenbeckens, worauf Gelon den Befehl gab, die Ruder einzuziehen. Der Bug zeigte nun auf die Hafenausfahrt und die Brandungsmauer. Gelegentlich drang Gischt über die moosbewachsenen Felsen, wenn eine besonders schwere Dünung gegen den Wellenbrecher anrollte. Michael war es schleierhaft, wie sie ohne zusätzliche Windkraft die Dünung, die jenseits der Brandungsmauer des Hafens herrschte, überwinden wollten. Er wollte gerade eine entsprechende Frage stellen, als er zu seiner Überraschung feststellte, daß Gelon in tiefer Konzentration versunken mit geschlossenen Augen an der Pinne saß. Seine Haut leuchtete in einem dumpfen Grau. Was das bedeutete, war Michael inzwischen klar. Im selben Augenblick drehte der Wind und blies nun mit gleichbleibender Intensität stetig vom Land her über das Wasser.

„Er hat es wieder getan“, stellte Michael bewundernd fest.

„Du kennst meinen Vater eben noch nicht“, bemerkte Glyfara, der man den Stolz in der Stimme deutlich anhören konnte. Dann ertönte auch schon Gelons Stimme hinter ihnen, die eine Spur müder klang als zuvor. Offensichtlich zehrte das Anzapfen der magischen Flüsse an seinen Kräften.

„Hißt das Segel. Der Wind wird uns an unser Ziel bringen.“

„Aye, aye Kapitän“, erwiderte Michael mit einem breiten Grinsen, während er Glyfara half, das schwere Segeltuch hochzuziehen. Mit einem knatternden Geräusch blähte es sich im gleichmäßigen Wind. Augenblicklich nahm das Boot Fahrt auf und zerschnitt mit seinem schlanken Bug das tiefschwarze Wasser des Hafenbeckens. Dankbar, nicht rudern zu müssen, ließen sich Michael und Glyfara auf die Ruderbank nieder und starrten gebannt auf die Brandungsmauer, der sie erstaunlich schnell näher kamen. Das Donnern der Brandung klang von Sekunde zu Sekunde bedrohlicher, und nicht nur Michael fragte sich, ob sie gleich jenseits der Mauer kentern würden. Doch Gelons Hand an der Pinne erwies sich als erstaunlich geschickt, als er das Boot um die Brandungsmauer herum auf die offene See steuerte. Zwar wippte das kleine Boot auf den Wellen wie ein Korken auf und ab, aber Gelon meisterte die anbrandende Dünung mit dem Geschick eines alten Seebären, bis sie schließlich in tieferes, ruhigeres Gewässer gerieten. Als wüßte das Schiff, wohin die Reise geht, hielt es haargenau Kurs auf den düsteren Schattenriß der Insel, die sich gegen den dunklen Nachthimmel als vages Schemen abhob.

Hinter ihnen verblaßte die Küstenlinie schnell zu einer dunklen Linie. Längst waren das Dorf und Sid mit den Schemen verschmolzen. Michael machte es sich so gut es ging auf der harten Ruderbank bequem und beobachtete, wie sie ihrem Ziel kontinuierlich näher kamen.

Was mochte sie dort erwarten?

Glyfara hatte ihm erzählt, daß die Insel unter den Einheimischen als verflucht galt und niemand wagte, einen Fuß auf sie zu setzen. Natürlich war das Aberglaube hatte Glyfara versichert, trotzdem konnte Michael das ungute Gefühl in seinem Magen nicht verdrängen, das ihn beim Anblick der tiefschwarzen Silhouette beschlich, die sich über den Horizont erhob. Eine innere Stimme sagte ihm, daß sich dort sein Schicksal entscheiden würde.

 

Mit einem letzten Blick auf die Hafenausfahrt wandte Sid sich energisch ab. Hier konnte er nichts mehr ausrichten. Alles weitere lag nun in der Hand der vier Gefährten. Aber auch für ihn gab es wichtige Dinge zu erledigen, die keinen Aufschub duldeten. Er mußte seine Einheit in den Krieg führen. Aufmunternd tätschelte er Bors die gewaltige Flanke. Dann schwang er sich elegant auf seinen Rücken und schnalzte einmal leicht mit der Zunge, worauf sich der Bär leichtfüßig in Bewegung setzte. Zielstrebig trabte er die Dorfstraße hinunter, wo sie auf die Spur der Kriegsrößer gestoßen waren. Unwillkürlich musterte Sid jeden Schatten, jede leere Fensterhöhle und jeden noch so kleinen Seitengang, aber von den Verursachern der Spuren war nichts zu entdecken. Trotzdem sagte Sid sechster Sinn ihm, daß sie in der Nähe waren. Irgendwo außerhalb der Reichweite der empfindlichen Nase seines Bären. Er beschloß, bis zum Erreichen des Treffpunkts höchste Aufmerksamkeit walten zu lassen. Zwar waren die Gefährten auf dem Meer außerhalb der Reichweite der Bestien, was aber nicht für ihn galt. Ein entschlossener Zug glitt über Sid Gesicht. Sollten sie nur kommen. Entschlossen nahm er seinen kurzen Kriegsbogen zur Hand, während sie sich der dunklen Linie des Waldes, der sich den Berghang hinauf zog, näherten und das Dorf allmählich hinter sich ließen. Dann verschluckte der Wald Bär und Reiter und die tiefe Dunkelheit des nächtlichen Walds umfing sie.

 

Etliche hundert Fuß weiter im Westen, im Schutz einer Ansammlung von Felsen oberhalb des Dorfes, beobachtete Gorgor mit blitzenden Augen wie Sid auf seinem Bären in den Wald eintauchte. Verärgert kratzte er sich die schuppige Stelle zwischen den Hörnern, während er überlegte, was sie nun machen sollten. In der frühen Abenddämmerung hatten sie das Dorf durchsucht und waren zu dem Ergebnis gelangt, daß niemand es auf dem Meerweg verlassen konnte. Aber offensichtlich hatten sie ein Boot übersehen, und das segelte nun geradewegs mit ihren Feinden an Bord davon. Er schnaubte ungehalten, als er sich vorstellte, wie diese Nachricht von ihrem Anführer aufgenommen werden würde. Sie wären besser gefahren, es auf einen Kampf ankommen zu lassen, als sich dem Unmut des Wandlers auszusetzen.

Doch beim Anblick der gewaltigen Kampfmaschine, in deren Begleitung ihre Feinde unterwegs waren, hatte er es vorgezogen, sich zunächst zurückzuziehen und die Entwicklung abzuwarten. Ein Fehler, wie sich nun herausstellte.

Ihm mußte jetzt dringend etwas einfallen.

Mit einer Handbewegung bedeutete er den abseits stehenden Ulogs aufzusitzen. Dann begab er sich selbst zu seinem nachtschwarzen Streitroß, löste die Lederschnur, mit der er es an den Stamm einer jungen Fichte gebunden hatte und schwang sich in den Sattel. Energisch wendete er es auf der Hinterhand, wobei er ihm zugleich ihm seine Absätze in die Flanken trieb. Mit einem erschrockenen Wiehern stürmte das Pferd daraufhin den leichten Abhang zum Strand hinunter. Seine schwer beschlagenen Hufe ließen die Erde hochspritzen. Dicht auf folgten die Ulogs. Die Hufe dröhnten dumpf auf der lehmigen Erde der Dorfstraße als die drei Krieger einen Augenblick später in das Dorf hinein ritten. Kurz überlegte ihr Anführer, ob sie nicht zu voreilig gewesen waren. Vielleicht hatte der Reiter auf der pelzigen Kampfmaschine nur auf so eine Gelegenheit gewartet?

Dann aber verwarf er seine Bedenken. Es gab keinen Grund für den Reiter, auf sie zu warten. Seine Begleitung war sicher auf See und ihre Anwesenheit hatten sie gut verborgen. Kaum waren sie am Hafen angelangt, sprang der Anführer auch schon aus dem Sattel und herrschte seine Begleiter an, nach irgendeinem auch nur halbwegs brauchbaren Boot Ausschau zu halten. Die Ulogs schlugen sich zum Zeichen der Befehlsausführung kurz gegen ihre breite Brust, dann machten sie sich zum zweiten Mal an diesem Tag auf den Weg, den Hafen zu durchsuchen. Der Gedanke, auf einem lecken Boot über das tiefschwarze Meer zu fahren, behagte ihnen zwar nicht, aber sie wagten auch nicht, sich dem Befehl ihres Anführer zu widersetzen. Zwar fürchteten sie im Kampf keinen noch so gewaltigen Gegner und sahen dem Tod jederzeit mit grimmiger Entschlossenheit entgegen. Die Aussicht, jämmerlich zu ertrinken, war hingegen nicht nach ihrem Geschmack und rief böse Erinnerungen an die Überquerung des Flusses vor den Toren ihrer Feinde wach. Viele ihrer Kameraden waren dort auf klägliche Weise ums Leben gekommen. Das Entsetzen in den Augen der Verwundeten, die in den Fluten des Flusses untergegangen waren, hatte sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis gebrannt. Entsprechend mißmutig verrichteten sie ihre Arbeit und hofften schon, daß sie kein geeignetes Gefährt auftreiben würden, als die herrische Stimme ihres Anführers sie zu sich befahl.

Die Ulogs beeilten sich, dem Befehl nachzukommen und trafen ihren Anführer in einem halb verfallenen Bootsschuppen an. Eine beiseite geschobene, schimmelige Plane offenbarte dabei etwas, das sie bei ihrer ersten Durchsuchung übersehen hatten. Das halb verrottete Wrack einer kleinen Schaluppe.

Das selbstgefällige Grinsen ihres Anführers ließ ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden.

„Sieht so aus, als wenn wir unseren Feinden folgen können“, knurrte Gorgor mit grimmiger Entschlossenheit.

 

Noch immer rückte der Turm unerbittlich näher. Jeder Fußbreit Boden wurde mit dem Blut der Gefallenen bezahlt, ohne daß die Entschlossenheit des Gegners auch nur einen Augenblick ins Wanken geriet. Das eigene Leben mißachtend, besetzten sofort neue Feinde die Lücken der Gefallenen. Frische Pferde wurden gebracht und unter dem Schutz der Schilde der hoch aufragenden Ulogs eingespannt.

Noch achtzig Fuß.

Wusch.

Erneut schleuderte die Balliste ihre tödliche Fracht, die den Turm um wenige Fuß verfehlte und ein gutes Stück hinter ihm auf den Boden auftraf, wo sie eine Spur der Verwüstung durch die Linien der Gegner zog. Einem gutes Dutzend Bewaffneter, denen es nicht mehr rechtzeitig gelang, dem Geschoß auszuweichen, ereilte ein rascher Tod.

Die Überlebenden hingegen grölten vor Begeisterung darüber, daß der Gegner ihren Turm erneut verfehlt hatte. Aber auch heisere Schreie der Vergeltung durchschnitten die Luft und brachten die Männer an der Balliste dazu, noch hektischer an den Einstellungen zu arbeiten. Dankbar registrierten sie die Ankunft Wengors, der in gewohnt selbstsicherer Weise sofort die entsprechenden Anweisungen gab. Vielleicht war dies der richtige Zeitpunkt, es mit den neu entwickelten Waffen zu probieren.

„Noch sechzig Fuß!“

Die Stimme des Melders überschlug sich beinahe vor Panik. Wengor geriet ins Schwitzen.

Beeilt Euch! Entfernung fünfzig Fuß! Fünfundvierzig Grad Steigwinkel!“, brüllte er die hektisch arbeitende Besatzung an, die die Balliste mit fliegenden Fingern neu auf eine Entfernung von fünfzig Fuß ausrichtete. Auf Wengors Befehl hin, bestückten die Männer die Balliste diesmal mit einem selbst gebastelten Sprengkörper, während einer der Männer auf Wengors Anweisung zugleich in ein gebogenes Horn stieß. Der klagende Ton war selbst über den Schlachtenlärm gut verständlich und wies die Besatzung des Südturms an, die Brandpfeile zu verschicken.

„Fünfundfünfzig Fuß!“

Wengor sah, wie die Hand des Soldaten am Auslöser der Balliste zitterte.

„Zündet die Lunte an“, befahl Wengor in ruhigem Tonfall. Sofort trat ein Soldat vor und führte eine brennende Fackel an die Lunte. Mit einem zischendem Geräusch begann sie abzubrennen.

Mit schweißnassen Händen beobachtete Wengor, wie die Lunte in rasendem Tempo abbrannte und sich der Wandung des kleinen Fasses näherte, das die hochexplosive Ladung enthielt.

„Jetzt!“, brüllte er, worauf der Soldat mit bebender Hand den Sperrhebel entriegelte.

 

Am Südtor herrschte hektische Aktivität. Das klagende Tuten des Signalhorns hatte Glyfaras Bogenschützen auf den Plan gerufen, die nun brennende Pfeile über die angreifenden Truppen hinweg versandten. Erstaunt bemerkte der Feind, daß die Brandpfeile mit zischenden Geräuschen und einer Feuerlohe wie kleine Kometen über sie hinweg flogen, und weit hinter der vordersten Linie bei einem einzelnen, mehrere Fuß hoch aufragenden Felsbrocken niedergingen. Ein spöttisches Johlen setzte ein, als die Dämonen die vermeintliche Treffunsicherheit ihrer Gegner verspotteten und sie mit neuem Elan gegen die feindlichen Mauern anliefen. Auch hier war der Kampf auf allen Seiten entbrannt. Nur das Tor wurde gemieden. Und das aus gutem Grund. Wie die Galionsfigur aus einer düsteren Oper thronte Grüneich hoch oberhalb des Tors und brannte darauf, seine Tötzwanzig gegen den Feind einzusetzen. Dutzende von gefallenen Dämonen entlang des Torwegs hatten bereits Bekanntschaft mit der Wunderwaffe des Trolls gemacht, und ihre Leichen legten Zeugnis davon, daß dieser Bereich gut bewacht wurde. Die Befehlshaber konzentrierten sich daher lieber auf andere Bereiche der Anlage, zumal das Tor ohnehin der Geheimwaffe des Wandlers vorbehalten war. Frustriert, daß es auf seiner Seite verhältnismäßig ruhig geworden war, beobachtete Grüneich den Flug der Brandpfeile. Die Hälfte fand zu seiner Bewunderung ihr Ziel, allerdings ohne Ergebnis. Er konnte keine einzige, hell brennende Lunte jenseits der Schlachtenlinie erkennen. Dafür entdeckte er an der linksseitigen Festungsmauer einen Versuch einiger wagemutiger Dämonen, mittels einer Leiter auf die Mauerumrandung zu gelangen. Die Laune des Trolls besserte sich schlagartig als er vergnügt seine Tötzwanzig ausrichtete. Er wollte gerade den Abzug betätigen, als die Bogenschützen auf dem Wehrgang plötzlich in hellen Jubel ausbrachen. Vier der insgesamt zehn verlegten Zündschnüre hatten doch noch Feuer gefangen. Feurigen Dämonen gleich rasten vier helle Flammen entlang der Zündschnur ihrem Bestimmungsort entgegen. Grüneich warf einen kurzen Blick auf das feurige Spektakel, dann konzentrierte er sich wieder auf sein Ziel. Ein gutes Dutzend Dämonen war im Begriff die Leiter zu erklimmen, die ein einzelner Soldat erfolglos Mithilfe eines langen Gabelstocks abzustoßen versuchte. Grüneich wartete, bis der vorderste Dämon beinahe die Mauerkrone erreicht hatte, dann zog er vergnügt den Abzug durch.

 

Die Flugbahn war vorbildlich. Gebannt beobachteten Dutzende Augen, wie sich das Sprenggeschoß dem Belagerungsturm näherte. Selbst die Besatzung des Turms war für einen Moment wie erstarrt, als sie erkannte, daß ihre Gegner diesmal besser gezielt hatten.

In einem perfekten Bogen raste das Geschoß auf die Spitze des Turms zu. Vor Anspannung hielt Wengor die Luft an und ballte die Fäuste derart, daß die Knöchel weiß hervortraten.

Explodiere“, flüsterte er lautlos, als das Geschoß auf die hölzerne Plattform auftraf, aber das Glück war nicht auf ihrer Seite.

Ohne größeren Schaden anzurichten, prallte es ab und trudelte dann fünfzehn Fuß tief dem Boden entgegen, bevor es endlich in einem gewaltigen Feuerball explodierte. Für einen kleinen Moment kam es Wengor so vor, als sei die Sonne aufgegangen und beleuchte mit ihrem feurigen Schein das apokalyptische Schlachtfeld zu ihren Füßen.

Holzteile und zerfetzte Leichen wurden von der Druckwelle durch die Luft geschleudert. Der Turm selbst geriet in eine gefährliche Schieflage und drohte jeden Moment umzufallen, während diejenigen Dämonen, die von der Explosion verschont geblieben waren, nun kreischend von den hölzernen Plattformen in die Tiefe stürzten. Andere klammerten sich verzweifelt irgendwo fest, während ihre Kameraden an der Basis unter dem unerbittlichen Pfeilhagel der Verteidiger den Pferdegespannen das äußerste abverlangten, um den Turm zu retten.

Es war ein bizarres Schauspiel, wie Wengor es noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte.

Ein Tanz mit dem Tod.

Hartnäckig trotzte der Turm der Schwerkraft, als er in einem unmöglichen Winkel für einen Augenblick zum Stillstand kam. Dann aber richtete er sich unter den enttäuschten Heulen der Verteidiger wieder auf und fiel mit einem dumpfen Poltern in seine Ursprungsstellung zurück. Wengors Verzweiflung war grenzenlos, als er erkannte, daß sie versagt hatten.

 

Wumm, Wumm, Wumm, Wumm.

Der Donner der dicht aufeinander folgenden Explosionen rollte über das Kampfgeschehen hinweg und ließ selbst Taren bei ihrer Arbeit im Lazarett zusammenzucken. Unermüdlich hatten die Sanitäter ihr und ihren Helfern neue Verwundete gebracht. Schon jetzt waren sie kaum noch in der Lage, dem Ansturm Herr zu werden, und dabei hatte die Schlacht gerade erst begonnen. Ihre Gedanken drifteten kurz zu Grimmbart ab, und sie fragte sich mit bangem Herzen, ob der Zwerg noch lebte. Bei jedem Verwundeten, den die Sanitäter hineingetragen hatten, hatte ihr Herz bis zum Hals geschlagen, aber bisher war der Zwerg nicht unter den Verwundeten gewesen. Taren verdrängte den Gedanken daran, daß dies nicht bedeuten mußte, daß Grimmbart noch leben würde. Schließlich stellten die Verwundeten um sie herum nur die Spitze des Eisbergs dar, da die Sanitäter inzwischen nur noch die Fälle herbeischleppten, bei denen noch Hoffnung bestand. Die Toten und die tödlich Verwundeten blieben an den Plätzen, wo sie ihr Schicksal ereilt hatte. Taren hoffte daher inständig, daß die Explosionen einen Wendepunkt zu ihren Gunsten bedeuteten.

 

Die Wirkung der Explosionen war verheerend. Einer der Sprengkörper ging inmitten einer mit Leitern und Kletterseilen ausgerüsteten Einheit von fünfzig Dämonen hoch, die gerade im Begriff gewesen war, die Mauer am Ostwall zu stürmen. Meterhoch wurden die zerfetzten Körper in die Luft geschleudert. Die Schreie der Sterbenden zerrissen die Luft, und Blut und Leichenteile wurden in alle Richtungen geschleudert.

Zwei weitere Sprengkörper explodierten ohne allzuviel Schaden anzurichten, aber der vierte Sprengkörper ging unmittelbar hinter dem Belagerungsturm hoch und fügte dem Feind schweren Schaden zu. Von einem Moment auf den anderen wurde der Nachschub für den Turm vom Antlitz der Erde getilgt, und der Vormarsch kam zum Erliegen.

Wengors Augen blitzten zufrieden, als er dies wahrnahm. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren. Ein wahrer Hagel von pechgetränkten Brandpfeilen bohrte sich nun in das Holz des Belagerungsturms und sorgte bei den Überlebenden für helle Aufregung. Zwar war das Holz des Turms frisch geschlagen und würde daher nicht so schnell brennen wie trockenes Holz, trotzdem wieselten die Dämonen wie Ameisen die Laufgänge innerhalb des Turms auf und ab, immer darum bemüht, Mithilfe Wasser gefüllter Bottiche der Brandattacken Herr zu werden. Unzählige fielen dabei selbst dem Beschuß zum Opfer, stürzten schreiend in die Tiefe oder verwandelten sich in lebende Fackeln, die vor Schmerzen kreischend durch den Turm hasteten, bis sie entweder in den gnädigen Tod stürzten oder von ihren Mitstreitern im eigenen Interesse mit einem Schwertstreich erlöst wurden.

Am Fuß des Turms hatten sich die Angreifer inzwischen trotz des unerbittlichen Beschusses von dem hoch aufragenden Wall wieder organisiert. Mit einem Ruck setzte sich der Turm unter den harschen Befehlen eines auf einem mächtigen Streitross sitzenden Ulogs in Bewegung und rückte erneut unaufhaltsam näher. Hastig wurde auf Seiten der Verteidiger die Balliste kampfbereit gemacht, obwohl jedem klar war, daß der Turm inzwischen zu dicht für einen Beschuß heran gerückt war. Die Balliste konnte ihn nicht mehr treffen.

Wengors Freude war Bestürzung gewichen.

Weniger als fünfundzwanzig Fuß lagen noch zwischen dem Belagerungsturm und den Zinnen der Bruderschaft. Ein Kampf auf den Mauern, Mann gegen Mann, schien damit unausweichlich, und der Feind war ihnen um ein Vielfaches überlegen. Auch dem Feind war dies bewußt. Von den Hügeln blökten Hörner zum Angriff, worauf die Dämonen, die sich bisher als Reserve im Hintergrund außerhalb der Pfeilschußreichweite gehalten hatte, auf die Mauern losstürmten.

Eine einzige brodelnde Masse wälzte sich nun auf breiter Front unerbittlich auf die unterlegene Zahl der Verteidiger zu. Sturmleitern, Äxte, Spieße, stachelbewerte Keulen, Langbögen und Schwerter ragten aus dem Pulk auf. Von überall zischten Pfeile und Bolzen gegen die Brustwehr und etliche, besser gezielte gelangten zwischen die Zinnen und durchbohrten Männer. Aber ungeachtet des tödlichen Beschusses versenkten die Verteidiger ihrerseits Pfeil um Pfeil in die brodelnde Masse, die wie eine Flutwelle auf den Wall zugerollt kam, unerbittlich und unaufhaltsam wie eine Naturgewalt. Sie überholte den Belagerungsturm, umspülte ihn wie Wasser den Fels im Fluß und brandete schließlich gegen den Wall an. Sturmleitern wurden angelegt, Greifhaken mit Seilen dran pfiffen durch die Luft, um sich klirrend in die Zinnen der Verteidiger zu verbeißen, während der Belagerungsturm gnadenlos näher rückte. Gräßliche Schreie zerrissen die Luft, wenn Pfeile ihr Ziel fanden, Seile von mutigen Männern gekappt wurden und Dämonen in die Tiefe stürzten. Auf breiter Front wurden Sturmleitern mit langen Stangen bekämpft, kochendes Wasser über die Angreifer gekippt, Felsen auf die Gegner geworfen und Bolzen und Pfeile in die brodelnde Masse versenkt.

Doch ungeachtet der hohen Verluste, die die Angreifer hinnehmen mußten, verloren sie keinen Fußbreit an Boden. Zu groß war ihre Zahl, als daß die Verteidiger darauf hoffen konnten, sie zurückzudrängen. Aber noch hatte kein feindlicher Fuß den östlichen Mauerkranz betreten, und die Verteidiger setzten alles daran, damit dies auch so bleiben würde. Wengor kämpfte an vorderster Front, Seite an Seite mit seinen Getreuen. Sein Schwert hielt blutige Ernte, durchtrennte Seil um Seil, wobei er aus den Augenwinkeln mit einem mulmigen Gefühl im Magen stets das Näherrücken des Belagerungsturms beobachtete. Jeden Moment würde er den Wall erreichen, und dann würde der Kampf erst richtig losgehen.

 

An der Westfront sah es ebenfalls kritisch aus. Auch hier hatten die Verteidiger alle Hände voll zu tun, um sich dem Ansturm der Kriegsleitern und Greifhaken zu erwehren, an denen der Feind wieselflink nach oben schwärmte. Grimmbarts Axt spaltete unzählige Dämonenschädel und reinigte den Wehrgang von den Übermütigen, denen es trotz heftiger Gegenwehr gelang, über die Brüstung zu klettern. Blutrausch hatte Grimmbart erfaßt und ihn in einen Berserker verwandelt. Selbst seine Mitstreiter begannen sich vor dem Zwerg zu fürchten, der mit unerbittlicher Grausamkeit und Härte gegen die Angreifer vorging. Auf der anderen Seite waren sie froh, ihn an ihrer Seite zu haben, denn der Feind war ihnen selbst auf diesem weniger umkämpften Abschnitt um ein Vielfaches überlegen. Grimmbart seinerseits hatte erkannt, daß dem Ostwall ernsthafte Gefahr drohte. Der Belagerungsturm hatte den Wall inzwischen fast erreicht. Die Rampe würde jeden Moment auf die Mauerzinnen niedergehen und dem Feind so einen Zugang auf den heiß umkämpften Wehrgang eröffnen. Mit der Erfahrenheit des langjährigen Kriegers registrierte er, daß der Wall nicht ausreichend besetzt war, um diesem Angriff zu trotzen. Eilig wies er daher eine Handvoll Soldaten an, ihm zum Ostwall zu folgen. Die Plätze der Soldaten nahmen Alte und Frauen ein, die den Feind sogleich mit einem Hagel aus Felsbrocken bedachten, die auf Wehrgängen vorsorglich aufgeschichtet worden waren. Etliche der steinernen Geschosse fanden ihr Ziel, zerschmetterten Schädel und Gliedmaßen und sorgten so dafür, daß sich die Schicht der Gefallenen vor dem Wall weiter erhöhte.

 

Der Wandler war zufrieden. Diesmal hatte der Gegner seinem Angriff wenig entgegenzusetzen, und dabei hatte der Hauptangriff noch nicht einmal begonnen. Selbst die Explosionen, die den Wandler kurzfristig hatten nervös werden lassen, hatten den Vormarsch nicht stoppen können. Nun war es an der Zeit, das Schwergewicht seiner Armee in Marsch zu setzen. Die Streitkräfte des Feinds waren im Augenblick an der Ostfront gebunden, da der Belagerungsturm zu einer echten Bedrohung geworden war und würden einen Angriff auf das Südtor kaum abwehren können. Mit dem Kopf nickte er dem unterwürfig abwartenden Signalgeber zu, der sogleich mit dem Kriegshorn das Zeichen zum Angriff gab. Ein vielstimmiges Brüllen erhob sich daraufhin aus der Schar der Krieger, die ungeduldig auf ihren Einsatz gewartet hatten. Mehrere Dutzend mit Langbögen und schweren Schwertern bewaffnete Ulogs schwangen sich mit grimmigen Mienen auf ihre gewaltigen Streitrösser, die in Erwartung der bevorstehenden Schlacht unruhig auf der Stelle tänzelten. Die wesentlich kleineren, aber zahlenmäßig den Ulogs um ein Vielfaches überlegenen Kampfgefährten, die die Infanterie stellten, schwenkten indessen grölend tückische Langmesser, stachelbewerte Keulen und Spieße über ihren Köpfen, während die Besatzung des Rammbocks ihre Position unter den massiven Schilden einnahm. Die Muskeln der kräftigen Ulogs spannten sich bis zum Zerreißen, als sie das lange Gefährt in Bewegung setzen. Dann glitt die ganze Streitmacht wie eine lebende Flutwelle über den flachen Hügel, hinter dem sie verborgen gewartet hatte und strömte in die Ebene hinab auf das Südtor zu. Der Hauptangriff hatte begonnen.

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