Klaus-Peter Behrens

Der Kater und sein Magier 2

Das feuchte Klatschen eines Küchenfeudels, der dank regelmäßiger Übung mit bewundernswerter Präzision in meinem Genick landete, riß mich aus meinen trüben Gedanken und erinnerte mich an meine verantwortungsvolle Aufgabe. Seit meiner Ankunft waren mittlerweile acht Monate vergangen, die ich im überwiegenden Maße mit dem Schrubben von Töpfen verbracht hatte. Von einem großen Zauberer war ich weiter entfernt als vom Mond.

„Büblein, schlaf nicht ein. Der Abwasch macht sich nicht von allein, und ohne Topf kann ich nicht kochen“, erscholl es irgendwo hinter mir aus den Tiefen des Küchengewölbes. Ich knurrte verärgert und fischte den feuchten Lappen aus meinem Genick. Wenn es einen Menschen gab, den ich wirklich nicht leiden konnte, dann war das Molla, die fette Küchenchefin. Gebaut wie ein bullerner Ofen und ausgestattet mit der lieblichen Ausstrahlung eines tollwütigen Grottenolms sah sie den überwiegenden Sinn einer Bratpfanne darin, diese anderen zu Erziehungszwecken über den Schädel zu ziehen. Eiserne Disziplin nannte sie es. Man tat daher gut daran, Mollas freundlichen Aufforderungen Folge zu leisten, zumal Molla noch andere, höchst unerfreuliche Möglichkeiten zur Verfügung standen.

„Schwing endlich die Bürste, sonst wird der alte Zausel sauer, wenn ich ihm sein Essen nicht zubereiten kann und ihm sage, woran es gelegen hat.“

Das saß!
Mehr als ein liebevoller Bratpfannenklaps!

Es war schon erstaunlich, welch Motivation der wohlgemeinte Hinweis auf die Auseinandersetzung mit dem grantigen Meister bewirken konnte. Schließlich war es noch nicht allzu lange her, daß ein schusseliger Küchenbediensteter, der das Essen des Meisters verdorben hatte, sich plötzlich im nahen, modrigen Tümpel wiederfand und seit dem mit den dortigen Bewohnern um die Wette quakte. Es ging sogar das hartnäckige Gerücht um, daß die anderen Bewohner dieses Biotops ebenfalls auf eine unglückliche Küchenkarriere zurückblicken konnten und letztlich dies der Grund sei, warum Küchenpersonal so schwer zu bekommen war. Ich beruhigte mich damit, daß der Meister noch geiziger als der königliche Steuereintreiber war und kostenlosem Personal ein Umzug in den Tümpel daher erspart bleiben würde. Also erlaubte ich mir, die Zeit für einen kleinen Zauberspruch zu nehmen, bevor ich die ungeliebte Bürste wieder zur Hand nehmen würde. Was konnte schon schief gehen?

Alles, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, aber wie hieß es doch so schön: Probieren geht über Studieren. Also holte ich tief Luft und stellte mich breitbeinig vor den Waschzuber, in dem ein vor Dreck starrender Topf der pfleglichen Behandlung harrte. Nimm lieber die Bürste, schien er mir zuzuflüstern, doch ich ignorierte die Warnung geflissentlich und hob theatralisch die Arme.

Geschirrspülreinigersupertabsmitkalkschutzundglanzeffektwirdvonführendenwaschmaschinenherstellernempfohlenundbeseitigtauchhartnäckigstefleckenimnu“, rezitierte ich einen Zauberspruch, den ich gestern zufällig in des Meisters aufgeschlagenen Zauberbuch gelesen hatte, als ich ihm das Essen im Turm servierte. Erwartungsvoll starrte ich in den Topf.

Nichts geschah!

Jedenfalls fast nichts, wenn man einmal davon absah, daß Mollas dreckverkrusteter Lieblingskupfertopf nun blau war. Ich geriet ins Schwitzen, während ich unauffällig zu Molla hinüber spähte. Die hatte von der wundersamen Verwandlung ihres Topfes zum Glück noch nichts mitbekommen. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, welche Farben gewisse Körperteile meiner Anatomie annehmen würden, sollte Molla das neue Outfit ihres Lieblingstopfes bemerken. Soweit ich mich erinnerte, konnte sie Blau nicht ausstehen.

Das neuste Resultat meiner Zauberbemühungen dokumentierte einmal mehr, daß ich von der Zauberei noch weniger verstand als Molla vom Kochen. Meine bisherigen, schriftlichen Tests erinnerten angesichts der Streichungen des Meisters stets an abstrakte Kunstwerke, mit denen ich auf dem Kunstmarkt in Versmas möglicherweise ein Vermögen machen könnte, und meine praktischen Prüfungen waren jedes Mal in einer Katastrophe geendet. Es war zum Heulen. Irgendwie gelang es mir stets aufs Neue, die Grundprinzipien der Magie auf eine Art und Weise zu verbiegen, die selbst den hart gesottenen Meister ins Schwitzen brachten. Nur zu gut war mir noch der Tag nach dem langen Frühjahrsregen in Erinnerung, an dem ich als praktischen Test die Feuchtigkeit im Weinkeller magisch trocknen sollte. Leider war ich mit ein wenig zu viel Elan an die Sache heran gegangen und hatte aus Versehen ein paar Feuerdämonen herauf beschworen, die sogleich mit Feuereifer das Bedienstenpersonal durch das feuchte Kellergewölbe gejagt hatten. Zwar war der Keller auf diese Weise verblüffend schnell getrocknet worden, bestanden hatte ich den Test trotzdem nicht. Vermutlich hatte es nur daran gelegen, daß ein paar vorwitzige Dämonen sich des Meisters Lieblingsjahrgang gegriffen und daraus eine zünftige Feuerzangenbowle gemacht hatten. Seitdem hatte ich endgültig eine feste Anstellung in Mollas Küche, vermutlich auf Lebenszeit, und keine Gelegenheit mehr gehabt, mein Studium der magischen Schriften fortzusetzen.

So konnte es einfach nicht weitergehen!

Mit einer Entschlossenheit, die mich selbst erstaunte, zupfte ich meinen mitgenommenen, bis zu den Knöcheln reichenden Lehrlingskittel zurecht, zog den Gürtel ein wenig strammer um meinen mageren Körper und richtete mich zu meiner bescheidenen Größe von einenmeterundsiebzig auf. Dann begab ich mich mit dem Rest von Würde, der mir noch geblieben war, auf den Weg zu dem baufälligen Turm meines Meisters in der festen Absicht, die Situation zu einem Besseren zu wenden. Hätte ich auch nur geahnt, was dies für Folgen haben würde, wäre ich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in der Küche geblieben. Aber wie bereits gesagt, das Erlernen des „In die Zukunftsehens“ steht leider erst am Ende des Lehrplans.

Nächsten Freitag mehr.....

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