Klaus Buschendorf

Religionen

Warum spielen heute Religionen wieder eine solch wichtige Rolle in unserem gesellschaftlichen Leben? Das war doch schon einmal ganz anders. Aber zunächst … was bedeuten sie?

Ich erinnere mich eines Aha-Erlebnisses vor langer Zeit, nur eine kurze Filmszene. Ich kenne nicht mehr den Film, nicht die Schauspieler. Sie sind auch nicht wichtig. Was geschah? Ein sehr junger Mann trifft einen sehr alten im Wald. Sie unterhalten sich und plötzlich offenbart der Alte dem Jungen: Du suchst Gott? Ich bin Gott. Den Film muss ein guter Regisseur gedreht haben, kurz, die Szene wirkt glaubhaft. Sie sehen von weitem einen „Eingeborenen“, der einen Baum anbetet. „Musst Du nicht einschreiten?“, fragt der jüngere Mann. „Er verleugnet Dich doch.“ – „Aber nein. Er sieht mich in dem Baum. Auch wenn er einen Stein anbeten würde, ein Goldenes Kalb … es gibt nur mich. Ich bin es, den er anbetet.“

Dann schleicht sich meine Schulzeit in die Erinnerung. Literatur im Deutschunterricht, die Klassiker, „Nathan der Weise“ von Lessing. Nathan, der jüdische Kaufmann im Jerusalem zur Kreuzfahrerzeit, dem der muselmanische Wesir die Frage stellt: „Wie hältst Du’s mit den Religionen?“ Die falsche Antwort kann ihm alles kosten, Handel, Familie, Leben. Und er erfindet die „Ringparabel“. Ich will sie nicht nacherzählen, nur ihr Ende ist wichtig: „es strebe ein jeder seiner vorurteilsfreien Liebe nach. Der Herr im Himmel wird entscheiden, wer am besten in seinem Leben den Menschen diente …“ Fürs wörtliche Zitieren will ich mich nicht verbürgen, der Sinn ist wichtig.

Im heutigen Mitteleuropa leben viele Menschen, die mit dem Wort Gott nichts anzufangen wissen. Für sie gilt Darwin, die Aufklärung, die Evolution des Lebens – da ist für Gott kein Platz. Das Wort „Gott – Allah – und viele andere“, die das gleiche Ding beschreiben, das Unbekannte der alten Menschen, der Zivilisationen vor uns … Der Atheist muss dies Wort der Alten nur wieder so gebrauchen und verstehen, dass es aus seiner heutigen Sicht die für die Alten unbekannte Evolution beschreibt. Breche ich damit ein Tabu, wenn ich so denke? Aber das Denken ist doch frei – schon mindestens seit Luther! Also wage ich es und füge den vielen Religionen dieser Welt die Atheisten nur hinzu! Füge sie ein in die Fragestellung der Ringparabel genauso wie die Hindus, Buddhisten und, und, und …

Was folgt? Die Toleranz. Der Wesir im alten Jerusalem ließ dem jüdischen Kaufmann alles, Handel, Familie, Leben. Nicht Ketzer, nicht Ungläubiger war er ihm, nur Mensch wie er selbst. Er suchte moralischen Halt in seiner Religion und fand ihn. Er gestand Nathan zu, dass er dasselbe tat. So können alle Menschen handeln.

Warum werden sie heute so missbraucht, die Religionen und die Menschen? Von wem? Und wozu?

Lieber Heinz-Walter Hoetter,
herzlichen Dank für Deine Meinung. Ich habe schnell mal Deinen eigenen empfohlenen Beitrag "Die Grenzen des Wissens" überflogen und sage: Der (5.) Schluss entspricht völlig meinen Gedanken. Mein Text möchte den Leser eigentlich nur auffordern, eigene gedankliche Tabus zu hinterfragen. Kommt er nämlich dazu, dass jeder (verschiedene) Gott nur immer derselbe ist, müsste er die Sinnlosigkeit von Gegensätzen zwischen den Religionen erkennen und "Bekehrungen" als völlig unnötig einschätzen. Die andere Religion ist doch eigentlich dieselbe - hat nur andere Rituale. Und denkt man daran, dass im Mythos der Vorreligionszeit das Unbekannte für die Menschen einen Namen brauchte - und man dafür "Gott" oder "Götter" einführte - könnte man eine Brücke zur Aufklärung schlagen, die einen "Gott" nicht braucht, um die Welt zu erklären. Und der Verweis auf die Ringparabel soll darauf hinführen, dass es eigentlich ein Dienst am Menschen sein soll, der sich die Religion widmen sollte, das Jenseitige sollte doch nur Mittel zum Zweck sein, Gutes zu tun in der Welt der Realität, dem Nächsten Gutes zu tun. Diese Gedanken zu befördern, sollen meine Fragen am Ende des Textes dienen. ich habe leider nur wenig Hoffnung, dass sie Wirkung zeigen. Aber vielleicht tragen sie ein wenig dazu bei.
Ich werde Deinen Text noch einmal langsam lesen, auch Deine anderen Beiträge. Jedenfalls machen mir Deine Worte Mut, dass auch andere Menschen sich solchen Gedanken stellen. Sie sind sehr nötig.
Herzliche Grüße
Klaus Buschendorf
Klaus Buschendorf, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.04.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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