Georg Weiß

Für einen guten Zweck

Für einen guten Zweck

 

Paul hielt den Brief in seinen Händen, die zitterten vor Aufregung und Wut. In diesem stand Haftaufhebung wegen guter Führung und altersbedingt. Seinen 75. Geburtstag würde er dann in Freiheit geniessen können; ganz wohl war ihm aber nicht bei diesem

Gedanken. Paul war vor 25 Jahren ein Großer im Kunstraub.

Preussische Disziplin und Raffinesse liessen es nicht zu, dass er jemals auf frischer Tat ertappt wurde. Bei der Einreise mit seiner Liebsten nach England war er Scottland Yard ins Netz gegangen. Hier im Knast hatte er Wilhelm kennen und schätzen gelernt. Dieser hatte sich vom Monteur ins Rennteam der Oberurseler Motorenwerke hochgearbeitet. Der 3000ste Motor war um 1900 gefertigt worden. Seine kriminelle Laufbahn begann als man ihn gebeten hatte auf Freunde zu warten an der Trabrennbahn.

So fuhr er ungewollt sein erstes Fluchtauto. Er fand Gefallen daran, als er bei seinem ersten Einsatz einen Anteil bekam, der größer als sein Monteurslohn war. Jetzt konnte er sich das leisten, was ihm immer nicht gelungen war: schnelle Autos, Frauen, Glücksspiel. Doch schon bald reichte das Geld nicht mehr und er begann für verschiedene Spielhallenbesitzer als Geldeintreiber zu arbeiten. Wilhelm war nicht zimperlich und fasste seine Kunden hart an; einer vestarb und er bekam lebenslänglich. Paul war ein gebildeter Mensch, der Wilhelm mit seinen gewählten Worten beeindruckte. Er schützte ihn vor den Gangs im Knast,verlor dabei sein linkes Auge. Sie hatten sich hier einen Verkauf von Luxusgütern aufgebaut; es fehlte ihnen an nichts. Eine Menge der Mitinsassen hatten die Seiten gewechselt und waren für die Beiden tätig. Wilhelm bekam keine Aufhebung seiner lebenslangen Haft. Erst als Alzheimer seinen Körper zu zerstören begann, wurde das Lebenslang aufgehoben. Sie sollten nun am gleichen Tag entlassen werden.

Wilhelm verlor täglich ein Stück seiner Selbständigkeit. Er fand seine Zelle und den Gemeinschaftsraum nicht mehr. Paul hatte dann immer nette, aufbauende Worte für ihn. Er fragte sich wie ihm der Umzug in ein Pflegeheim bekommen würde, wo alles neu und fremd ist. Zum ersten Mal hatte sein Freund einen Beamten nicht erkannt, der über 5 Jahre schon in ihrem Zellenbereich arbeitete.

Paul fühlte sich elend und hatte abgenommen. Für Paul war es

schwer zu verstehen. Er, der einen Mann totgeschlagen hatte, war

jetzt so hilflos!

Paul hatte in Erfahrung gebracht, daß Wilhelm noch einen Sohn

hatte. Er nahm Kontakt zu ihm auf.

Der Angehörige besuchte sie einige Tage später. Paul hoffte auf Hilfe. Mit einem frisch geschminkten sabberden Clownsgesicht saß Wilhelm in seiner Zelle. Der Sohn wirkte vornehm; blond und braun gebrannt, in einen guten Anzug gekleidet. Sein Verhalten war jedoch gewöhnlich. Seiner Meinung nach wäre sein Vater hier am Besten aufgehoben. Schnell verabschiedete er sich wieder.

Vor ihrem Schritt ins normale Leben, hatte man ihnen

angeboten, einige Male als Freigänger die Möglichkeit zu haben,

sich draussen zu bewegen, um sich leichter in der realen Welt zurecht zu finden. Wilhelm hatte einen guten Tag; ihn zog es ins Frankfurter Bahnhofsviertel.Wilhelm fragte Paul nach kurzer Zeit,was hier mit den Menschen los sei, und ob er von dieser

schweren Ohrenkrankheit gehört hätte, denn fast Jeder hielt sich eines seiner Ohren. Die Zwei waren nicht zu übersehen. Eine Traube Passanten hatte sich um sie gebildet. Ihre Anzüge waren ein wenig aus der Mode gekommen und erinnerten an die Blues Brothers. Sie sahen wie Spritzen durch die Runde junger Menschen wanderten, wie man einer alten Dame die Tasche entriss. Ein Punker mit großem Ghettoblaster rief ihnen zu. „Cooler Style Opas.“ Paul sah Wilhelm an und sie fragten sich, in welchem Irrenhaus sie hier seien, Das war nicht ihre Welt. „Lass es uns noch einmal tun.“ sagte Paul. „Was?“ fragte sein Freund. „Die Trabrennbahn noch einmal überfallen.“ „Ja, ne gute Idee!“ sagte ein strahlender Wilhelm. „Hätte ich dir auch vorgeschlagen.“ Sie fuhren zurück, freuten sich auf das harte Zellenbett und die

Vollzugsbeamten. In diese Welt da draussen passten sie nicht, und sie waren auch nicht bereit, ihr eigenes Leben zu ändern.

Einige Tage später las man in den Tageszeitungen: „Von langer Hand geplanter Überfall auf die Frankfurter Trabrennbahn.

Junges, gut organisiertes Räuberduo entkam nach spektakulärer Verfolgungsfahrt mit einem Citröen C19 im Nebel.“

Wochen später ging bei der Alzheimer Hilfe ein Scheck mit einem

höheren Betrag ein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.04.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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