Diethelm Reiner Kaminski

Die Sache mit den Os

„Nun, war´s wieder nett in der Schule?“, stellte Janines Vater die übliche Frage.

„Ja, sehr.“

„Und was habt ihr gemacht?“

„Wörter auf ‚o‘, die in der Mehrzahl ein ‚s“ haben. Also ‚Foto‘ – ‚Fotos‘, ‚Kino‘ – ‚Kinos‘. Frau Schönhals schreibt immer die einfachsten an die Tafel, und wir müssen dann die schweren finden. Richtig gemein.“

„Und welche hast du gefunden?“

„‘Udo‘ und ‚Otto‘.

„Und war sie mit deinen Beispielen zufrieden?“

„Nein, überhaupt nicht. Frau Schönhals sagt, das sind Namen, das gilt nicht. Sind Namen denn keine Wörter? Und ein ‚o‘ am Ende haben sie auch. Immer müssen wir in der Deutschstunde irgendwelche dummen Wörter finden. Das macht gar keinen Spaß.“

„Wörter sind nicht dumm.“

„Sind sie doch. ‚Kimono‘ zum Beispiel. So etwas Unpraktisches tragen nur die japanischen Frauen. Ich würde so etwas gar nicht anziehen. Und in der Schule dürfte ich es auch nicht tragen. Da würde Frau Schönhals sagen: „Ist schon Karneval, oder was? Ab nach Hause. Umziehen.“

„Das war doch auch nur ein Beispiel.“

„Aber ein dummes. Genauso wie ‚Ponchos, die angeblich die Gauchos in Südamerika tragen. Was sind Gauchos?“

„Toll, gleich zwei Beispiele in einem Satz.“

„Und alle von Herwiga, dieser eingebildeten Zicke. Sie sagt immer so Sachen, die keiner kennt.“

„Dann hat sie aber ein großes Wissen, das ist doch schön.“

„Weil sie nichts anderes tut als lesen. Wenn ich immer nur lesen würde, wüsste ich auch so komische Wörter wie ‚Poncho‘ und ‚Gaucho‘. Aber die braucht man nur in Südamerika, nicht bei uns.“

„Und dir ist kein weiteres Wort auf ‚o‘ mehr eingefallen?“

„Doch. Konto.“

„Ich ahne schon, was kommt.“

„Frau Schönhals sagt, das heißt ‚Konten“, das ist eine Ausnahme, aber warum es nicht ‚Kontos“ heißt, wusste sie auch nicht.“

„Und dann warst du bedient, oder?

„Gar nicht. Mir ist noch eins eingefallen: ‚Porto‘ – ‚Portos‘. Aber das war wieder eine Ausnahme. Frau Schönhals sagt, es muss ‚Porti‘ heißen.“

„Und jetzt hattest du endgültig die Schnauze voll. Das kann ich gut verstehen.“

„Nö, du hast doch gesagt, ich soll nicht immer so schnell aufgeben, und deshalb habe ich mich noch einmal gemeldet.“

„Mit welchem Wort?“

„ Mit ‚Porno‘ und ‚Klo‘.

„O Schreck lass nach. Und wie hat Frau Schönhals darauf reagiert?“

„Sie hat gesagt: Man sagt nicht ‚Klo‘, sondern ‚Toilette‘ oder ‚WC‘.

„Und zu dem anderen Wort?“

„Nichts. Sie hat es nicht angeschrieben. Und da war ich sauer und habe nicht mehr mitgemacht.“

„Und weißt du, was das Wort bedeutet?“

„Jedenfalls nichts Gutes, sonst hätte Frau Schönhals es ja an die Tafel geschrieben. Aber richtig war es doch, oder? ‚Pornos‘ habe ich schon ein paar Mal gehört, als du dich mit deinen Freunden unterhalten hast. Was sind ‚Pornos‘ denn?“

„Was ich nicht verstehe … Wir haben im letzten Urlaub in Spanien so viele Wörter auf ‚o‘ kennengelernt und ich habe dir ihre Bedeutung auch erklärt: Torero, Sombrero, Caballero … Warum hast du die denn nicht genannt?“

„Weil die Wörter so schön sind. Die waren mir zu schade für Frau Schönhals. Und außerdem möchte ich nicht angeben wie Herwiga, diese eingebildete Kuh.“

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