Volker Kalski

Das herrliche Norwegen

Von wehrhaften Schafen, beklemmenden Schluchten und romantischen Schlafplätzen

Trotz Krebs, chronischer Krankheit und Behinderung, kostenfrei durch das teure Norwegen.
Volker und Alexander Kalski berichten von einer eindrucksvollen Abenteuertour durch grandiose Landschaften


Nach fast zwei Jahren Vorbereitung ging es am 03.08.08 um 13.30 Uhr endlich los.
Zuvor vergewisserte ich mich bei meinem Sohn Alexander (25)
"Bist Du sicher, dass wir die Tour zusammen schaffen?"
"Klar!" antwortete Alexander spontan in seiner ruhigen Art.
"Die wollten wir doch schon vor fünf Jahren unternehmen, aber da wurdest Du krank."
"Genau das Lungenemphysem meine ich, Du weißt, dass ich nicht voll verwendungsfähig bin"
stand ich offen zu meinen Defiziten."
"Ist klar" beruhigte der sportlich fitte Alexander grinsend.
"Und mit meiner Gesichtsversehrung nach Krebs hast Du ja umzugehen gelernt."

"Fast alle Freunde und Bekannte, die schon mal da waren oder darüber gelesen haben, rieten uns dringend zu den Lofoten, diesem oder jenen Fjord, möglichst hoch in den Norden, wegen der Elche... Wir winkten stets ab mit dem Hinweis, dass wir Individualisten seien und selbst unsere Erfahrungen machen möchten. Den schweren Geländewagen besorgten wir uns gebraucht für 2 300,- € mit neuem TÜV, den wir nach der Tour wieder verkauften. Die Sitzbank und zwei Notsitze wurden demontiert, dass wir genügend Raum hatten für Ausrüstung, Wasserkanister, Gepäck und Schlafsachen. Das Meiste hatten wir noch von vorherigen Urlauben, also auch kaum Kosten. Sämtliche Grundnahrungsmittel und Konserven kauften wir zu Hause ein, so dass wir unterwegs nur mal Brot bräuchten und einmal Lachs, nahmen wir uns vor. Denn angeln können wir beide nicht
Durch die Eifel über Köln erreichten wir gegen 23.00 Uhr Quickborn, nördlich von Hamburg und nächtigten, mangels geeignetem Platz vor einem Supermarkt. Als Penny- Penner gingen wir in die Quickborner Geschichte ein.

Nun, mit offenem Defekt hinter dem Steuer, wich das Interesse an meiner Person einer fragwürdigen Sensationsgier. Hektisch gestikulierend machten Beifahrer überholender Autos den Fahrer auf mich seltsames Wesen aufmerksam. Je mehr wir uns von der deutschen Grenze entfernten, desto eher verringerte sich die Zahl derer, die nicht von mir ablassen konnten. Die Überquerung des großen Belt per Brücke war, wegen nicht schwindelfrei, ziemlich stressig und spannend für mich, aber die Seeluft tat mir gut, bzw. meiner Lunge.

Richtung Hurdal, nördlich von Oslo, wurde die Straße zum Weg. Was in Deutschland als Feldwirtschaftsweg belächelt würde, verbindet hier große Regionen. Wohl befestigt aber randlos ging es rechts und links direkt in den Graben. Der Weg wurde immer schmäler, ohne an Bedeutung zu verlieren. In diesen (gesunden) Waldstücken ist es absolut still. Auf der Suche nach einem gemütlichen Schlafplatz nahmen wir eine noch schmalere Straße und hatten nach ein paar Minuten unsere erste tierische Begegnung. Selbstbewusste bis wehrhafte Schafe stellten sich uns in den Weg. Respektvoll blieben wir auf Distanz. Später erfuhren wir, dass es keine Wildschafe sind, sondern den ganzen Sommer über "auf der Straße lebten" um vor dem Wintereinbruch wieder gefunden zu werden. Behäbig gaben sie nun den Weg frei, gnädig weil wir nicht hupten oder drängten
Nach dem ausgiebigen Frühstück an einer Bank vor dem Supermarkt einer kleinen Stadt genossen wir eine stundenlange Autofahrt, entlang an in allen Blautönen schimmernden Seen, über steile Berge, bis an die Baumgrenze und wieder hinunter durch enge Täler. Erste schneebedeckte 2000er blitzten durch die Baumwipfel. Manche Wege waren in den Berg getrieben, bis wir in eine stärker befahrene Landstraße mündeten. Plötzlich gab es Stau. Aber nicht wegen Verkehr, Unfall oder Baustelle. Eine Kuhherde lief kreuz und quer über die Straße, keineswegs geschlossen, sondern alle durcheinander von links nach rechts und umgekehrt. Das ist ganz normal, erklärte uns später ein Passant. Gegen Abend zum Melken finden die wieder nach Hause. Entgegen deutscher Hektik hupte und drängte auch hier niemand. Hin und wieder gelang es einzelnen KFZ durch die Herde durch zu kommen.



"Siehst Du" raunte ich Alexander zu,
"eine Kuhherde in Norwegen erweckt weniger Aufsehen als ich mit meiner Epithese ( künstliches Gesichtsteil ) in Deutschland, egal wo."
"Das ist mir auch schon aufgefallen hier glotz niemand oder diskriminiert sonst wie."
"Ja, ich glaube auch, wir sind angekommen!"
Wie immer rein zufällig fanden wir eine faszinierende Fahrt ohne sonstigen Verkehr durch vielfältige Vegetation. Dichte Mischwälder, sattgrüne Wiesen und lange schmale Seen wechselten sich ab oder vermischten sich. Einen zusätzlichen spektakulären Kontrast gaben die schneebedeckten Gipfel am Horizont. Langsam schraubten wir uns über die enge Straße hoch, dem Gebirge entgegen. Auf Passhöhe entdeckten wir seltsam grüne Felsen. Wahrscheinlich wuchs da mal Moos drauf, das sich inzwischen wieder zurückbildete. Dazwischen gab es immer wieder kleine Nischen, welche die sehr wenigen Touristen einluden zu fotografieren. Erstaunlicherweise, für Mitteleuropäer, waren alle diese Plätze, wie Rast oder Parkplätze auch, mit Toiletten ausgestattet und alle behindertengerecht. Mächtige Berge spiegelten sich in dem türkisenen See. Beeindruckt bis berauscht setzten wir unser Fahrt fort. Alle paar Kilometer waren einzelne Häuschen zu sehen. Die typischen, kleinen, roten waren es, die immer wieder her halten müssen, wenn es darum geht, Norwegen als idyllisch darzustellen. Die Häuschen wurden lediglich zwei bis vier Wochen im Jahr genutzt, quasi zum Urlauben. Ansonsten stundenlang keine Ortschaft, nur wildromantische Bergwelt mit nun kargem Bewuchs. Je höher wir fuhren, desto besser wurde das Wetter, aber auch die Luft dünner. Für meine Lunge ist es bestimmt nicht sooo gut. Nachher werde ich schwerer atmen, aber dies deshalb hier zu versäumen, das wollte ich mir auch nicht antun. Ganz Norwegen scheint ein einziger Naturpark zu sein. Noch nie sahen wir einen begradigten Fluss. Natürlich mussten die Straßen angelegt werden, aber rundherum wurde alles so belassen wie es war oder von selbst wurde. Gesunde dichte Wälder mit niedrigen Bäumen begleiteten uns in und durch die Täler. Die Sonne lugte durch die Bäume und strahlte mit uns um die Wette. Und immer wieder die frischen Farben der zahlreichen Seen, denen man aus nächster Nähe bis auf den Grund gucken konnte. Über "weiße Straßen" näherten wir uns unserem Etappenziel zwischen Vagano und Lesja

Lediglich acht Grad waren es als wir ankamen, in luftiger Höhe. Also in zweierlei Hinsicht atemberaubend. Der kleine Platz war eigentlich ein mit dichtem Gras bewachsener Weg. Das gewaltige Panorama entschuldigte sich für die dünne Luft. Aus unserer Perspektive konnten wir schwache Lichter "gegenüber" erkennen. Es waren nur wenige hundert Meter zwischen uns, doch braucht es mindestens einen halben Tag mit dem Auto die Distanz zu überwinden. Die Berge waren so schroff, dass man den, auf dem man stand und rüber blickte gar nicht wahrnahm. Sich in dieser Filmreifen Kulisse einzurichten bereitete große Freude. Alexander baute das Zelt auf und ich machte Feuer für unseren Fleischkäse mit kaltem Kartoffelsalat aus dem Eimer. Plötzlich stand ein älterer Mann mit Hund neben mir und grüßte, dass ich erschrocken herumfuhr. Unerwartet in der Einsamkeit, wegen der steilen Berge nicht zu sehen und dem Wind nicht zu hören amüsierte sich der Kerl ob seiner Heimvorteile. Der Jagdhund war sehr wohlerzogen und schnupperte nicht an unseren Vorräten. In englisch fragte uns sein Herrchen:
"Wie lange werden Sie bleiben?"
"Das geht doch es ist doch erlaubt?"
"Selbstverständlich, ich schaue auch nur, ob überhaupt und frage im Auftrag meines Nachbarn, 15 Kilometer weiter, Ihr könnt so lange bleiben wie Ihr wollt, nur sollten wir wissen, wer wie lange im Berg ist. Übrigens bis der erste Schnee fällt sollten Sie wieder weg sein. Das Zelt steht mitten in einer Loipe!"



Der Kerl grinste freundlich und wir mussten lachen.
"Überall bleiben wir nur eine Nacht, dass wir möglichst viel zu sehen bekommen, morgen früh sind wir wieder weg!"
Der Hund schien meinen Tonfall richtig zu deuten und sprang den Berg hinauf, sein Herrchen mit erstaunlich sicheren und raschen Schritten hinterher.
Wir schliefen sehr gut in der kalten Nacht. Nur ein paar Kekse nahmen wir uns vor Abfahrt mit nach vorne und rechneten zum ausgiebigen Frühstück mit einer der vielen Sitzgruppen, die wir immer wieder gesehen haben.

100 Meter den Berg hinunter wurden wir wieder überrascht. Eine "Mautstelle" mitten im waldigen Berg Es war eine Privatstraße die von den wenigen Anwohnern bewirtschaftet wurde und sich so den Erhalt sicherten. Wir mussten lediglich einen Zettel ausfüllen und mitführen. Im Falle dass wir angehalten würden sollte die Passage 50 NOK kosten. Wenn wir den Zettel nicht vorweisen könnten ist eine "Strafe" in Höhe von 400 NOK fällig. Auf den folgenden ca. 50 Kilometern begegneten wir nur sieben Anwesen und sahen weder Menschen noch Verkehrsschilder. Es wurde wieder eine wunderschöne kurvige Strecke die Berge hinauf und wieder runter, ohne dass wir zahlen mussten. Immer wieder gab es gastfreundliche Nischen, die zum Zelten einluden. Einige waren sogar mit Brennholz bestückt. Geheimnisvolle Steinanhäufungen säumten unseren Weg. D.h. auf einem kleinen Felsen wurden die Steine nach oben immer kleiner. Waren es Hinweise in der Einöde, Gräber, Tradition? Vielleicht hat mal ein Tourist damit angefangen und andere folgten? Nie werden wir die Bedeutung erfahren. Auch auf diese Strecke musste uns niemand hinweisen. Individuell und spontan fuhren wir einfach drauf los. So kamen wir automatisch zum Schluss, das es überall in Norwegens Bergen erlebnisreich sein muss.

Hinter Lesja erlebten wir eine, für Mitteleuropäer immer noch tolle Strecke. Die Bundesstraße führte uns durch ein breites Tal Richtung Andalsnes. Die wenigen kleinen Orte waren sehr weit auseinander gezogen, bestanden lediglich aus einer Straße, von der einzelne Anwesen abgingen, jedes mit eigener Zufahrt. Auf Schule oder Rathaus musste immer extra hingewiesen werden, da sich die Gebäude kaum von den schicken Wohnhäusern unterschied. Und was uns schon lange auffiel. Vor jedem Haus ein Trampolin! Zwischen den Orten wiesen immer wieder Schilder mit Buspiktogrammen auf den ÖPNV hin. Umso seltsamer kam es uns vor, dass wir noch nie einen Linienbus gesehen hatten. Das bestätigte sich auch in der Tatsache, dass keine Fahrpläne aushingen. Mit Wurst, Käse und Dosenbrot hielten wir unser Frühstück. An den Nieselregen gewöhnten wir uns bereits. Wenn es in Norwegen nur nieselt ist es schönes Wetter. Sehr erfreulich empfand ich, dass auch auf diesen schwach frequentierten Rastplätzen stets eine kostenlose Toilette vorgehalten wurde. Und zwar, für mich als behinderter Deutscher, kaum nachzuvollziehen, allesamt behindertengerecht.

Nach dem Frühstück fuhren wir an einer der wenigen Bahnstrecken entlang. Bestimmt gab es einen Bezug zu der Holzverarbeitenden Industrie. In Deutschland werden sehenswerte Strecken farbig markiert, besonders schöne Strecken sogar grün und gelb. Hier in Norwegen sind alle Wege romantisch und erlebnisreich und niemand weißt darauf hin. Einer führte uns nun durch abenteuerliche Schluchten mit rauschenden tosenden Flüssen, die sich irgendwann dem Berg ergaben und sich in die Tiefe stürzten. Rätselhafte Zuwegungen zu kleinen Siedlungen im Berg haben wir gesehen. Für unseren Blick erschien es unmöglich, dort ohne Helikopter hinzukommen. Am Ende eines etwas breiteren Tales mit unzähligen kleineren oder größeren Wasserfällen erreichten wir Trollstiegen. Nun wussten wir auch, wo die Vorlagen für Modelleisenbahnen herkommen mussten. Wie dünne Wollfäden schmiegten sich die Serpentinen in den kesselförmigen Berg. Alexanders Augen leuchteten, während mir wieder die Knie zitterten. Kurz vor dem Kessel meinte ich zu Alexander:
"Siehst Du, nun haben die doch Vögel in Norwegen!"
"Entspann Dich bitte!, das hat was mit Einäugigkeit zu tun, das sind Paraglider" erklärte Alexander ruhig wie immer.
"Und ich dachte schon, das wären Geier, die da oben warten, bis ich einen Herzinfarkt bekäme... meinst Du die könnten nachher den Wasserfall abstellen, wenn wir hoch wollen? Dieses zusätzlich belastende Rauschen?"
fragte ich mit gespielter und übertriebener Angst.
"Wenn Du willst umfahren wir das Gebiet, bevor Du Dir in die Hosen machst."
bot Alexander an, während er schon langsamer wurde
"Nee, das tu ich Dir nicht an, da fahren wir selbstverständlich hoch und wenn ich Blut schwitze!"

Als wir die erste Serpentine schafften klappte ich die Sonnenblende nach rechts und Alexander genoss die herrliche Aussicht vom Lenkrad her. Widerstehen konnte ich aber auch nicht und lugte "durch" die Blende hindurch. In der Tat war es berauschend zu erkennen, wo wir eine Viertelstunde zuvor waren. Ich drückte mich von der Scheibe weg und blinzelte in die Schwindelerregende Tiefe. Es war noch viel "schlimmer" als man von unten her vermuten konnte. Diese in den Berg gehauenen Kehren und Haarnadelkurven... Froh auch dieses Abenteuer überstanden zu haben, sagte ich zu Alexander:
"Viel höher werden wir aber nicht mehr können, sonst bekomme ich gar keine Luft mehr."

Als wir den Hinweis zu unserer Hytter ( Hütte ) entdeckten war es schon 16.00 Uhr. Liv, die Wirtin hörte auf Kuchen zu backen, um uns die Hytter zu zeigen. Es war die einzige Möglichkeit zum Übernachten, die angeboten wurde, ohne jeglichen Komfort.
"Genau so wollen wir es!" riefen wir wie aus einem Munde.
Das nur vermeintlich kleine Häuschen auf dem riesigen Gehöft war von einer Veranda umgeben und hatte diese verspielten Fenster mit den Holzkreuzen. Zu unserer Freude entdeckten wir den winzigen Holzofen mit aufgeschichteten Brennholz daneben.
"Den können Sie gerne benutzen" erklärte Liv auf englisch, nachdem sie unsere Begeisterung wahrnahm.
"Die 500 NOK sind schon ein bisschen viel, sind aber gut angelegt, vor allem wenn man bedenkt, dass der Preis gleich bleibt, egal, ob es nur einer oder sechs Personen sind."
Hauptberuflich ist Liv Lehrerin mit Zusatzausbildung für behinderte Schüler. Ich bekam sofort heiße Backen:
"Dann kannst Du uns bestimmt auch sagen, warum ich in Norwegen nicht behindert werde?"
Wir saßen nun in dem weitläufigen Wohnzimmer der Familie und äugten nach dem duftenden Kuchen, den wir nicht bekommen konnten.
"Diesen Begriff gibt es im norwegischen Sprachgebrauch gar nicht." erläuterte Liv.
"hier ist und wird man nicht behindert."
"Das ist ja paradiesisch!" ich war begeistert.
"Gar nicht, nur ganz normaler Alltag. Jeder Kindergarten und jede Schule nimmt alle Kinder, gleich welcher Art, auf. So sind behinderte Menschen weder anders noch besonders."
Mit offenem Mund starrte ich Liv an, dass mir Alexander einen Rand gab und mich "weckte".
"In Mitteleuropa ist das undenkbar!" entfuhr es mir.

Wir hatten nur eine drei Meter breite "Straße" zwischen 200 Meter hohen schroffen Felsen und dem tiefen Wasser des Atlantiks, gegenüber Trondheim. Zwischen dem Ort, wo wir vor drei Tagen waren, und wo wir jetzt fuhren waren es höchstens fünf Kilometer.
"So was gibt es nur in Norwegen." meinte ich viel sagend zu Alexander
Gegen Abend fanden wir unseren mit Abstand besten Platz. Die halbrunde Lichtung am Ende eines schmalen Waldweges quetschte sich zwischen Seeufer und Wald. Zierlich dekorativ präsentierte sich der winzige Anlegesteg mit sechs oder sieben Motorbötchen. Am anderen Ufer konnte man im halben Berg drei weit auseinander liegende Höfe ausmachen. Am Platzrand war sogar eine Grillhütte eingerichtet. Offen lagen allerlei Sachen, die von vielen Partys zeugten, herum. Trotz großartigen Wetterschutzes, durch die Kessellage mit den hohen Bergen und dichtem Baumbewuchs, waren es nur fünf Grad Celsius, aber angenehm trocken. Dicke schwarze Wolken scheiterten stets an zwei mächtigen Bergen uns einen kalten Regen zu bescheren. Der leichte Wind zupfte an den Baumwipfeln und hielt unser Feuer am Leben. Der moosige aber feste Boden bereitete Alexander keine Mühe die Erdnägel zum Zeltaufbau zu schlagen.
"Was meinst Du? Hier könnten wir doch eine Nacht länger bleiben...",
fragte ich Alexander während ich die dick eingewickelte Fleischwurst auf dem Stein drehte.
"Dass Du mich das fragen würdest, wünschte ich mir schon bei der Einfahrt in diese kühle Einöde..."
Alexander hielt inne mit dem Zeltaufbau und ließ einen verträumten Blick über unser kleines Paradies schweifen.
"Am liebsten bleiben wir für immer hier!"
Fast wortlos und dick vermummt verbrachten wir den Abend, entweder ins Feuer oder in den Sternenhimmel schauend.

Auch am Tag danach war es absolut still. Weder Kühe noch Schafe, noch nicht einmal Mücken, trotz des nahen Wassers störten uns, dass wir fast Hemmungen hatten uns zu unterhalten. Wir spielten Schach oder Malefiz und regelten immer wieder handgreiflich unser Feuer. Und doch gab es Tiere. Pünktlich zu unserer Verabschiedung bezog eine Entenfamilie Stellung, formierte sich wie zum Spalier auf dem See. Wir fuhren los, hielten einmal an und blickten zwei mal zurück. Jetzt schon mit unsäglichen Fernweh belastet.

Dann trafen wir doch noch Elche. Zwei prächtige Exemplare querten nur fünf Meter vor uns in zwei Sätzen den Waldweg. Es war schon ein wenig aufregend, die größten europäischen Waldbewohner so dicht erleben zu dürfen. Der eine verschwand sofort im Dickicht. Der andere schien Fotomodell zu sein, blieb mit uns auf gleicher Höhe stehen und "lächelte" in die Kamera, als ob er noch nie etwas anderes getan hätte, wartete bis Alexander fünf oder sechs Fotos geschossen hatte und unser Star verschwand im Gestrüpp.



Eine, nur scheinbar unbedeutende, Kreuzung zeigte uns den Weg an der Grenze zwischen Norwegen und Schweden. Zwar hatten wir Hunger, brauchten aber nichts zu essen, kamen nicht dazu, weil wir uns an dieser grandiosen Landschaft satt sehen konnten.
Mussten!
Die Straße führte an dem endlos langen See Tunnsjoen entlang. Der wahre Charakter Norwegens wurde jetzt erst richtig bewusst. Zwei Inseln, eine heißt Gudfjella, ragten als nackte Felsen steil aus dem See. Die dicht bewaldeten Ufer ließen den See noch enger erscheinen. Aus einer Perspektive erhaschten wir den "Mehrseenblick". Optisch wurde der See immer wieder von Ufer oder Inseln unterbrochen und verwirrte erstaunte Betrachter. In dieser Abgeschiedenheit, dieser absoluten Stille war es ein besonderer Genuss. Den nördlichsten Punkt unserer Tour erreichten wir in Tunnsjorovika. Wir entschieden, dass wir ab hier gemütlich, aber etwas zielstrebiger, Richtung Heimat wollten.

Für die 60 Kilometer um den See brauchten wir drei Stunden. Nein! Der Pajero war topp! Aber wir wurden fast nicht fertig mit gucken, staunen und fotografieren. Innerhalb weniger Minuten wechselten sich äußerst reizvolle Landschaften ab. Immer noch setzte die strahlende Sonne interessante Akzente in der sich selbst überlassenen Natur. Jedoch die 20 Grad Temperaturunterschied innert eines Tages zwischen Zeltplatz am See und Trondheimfjord machten mir schon zu schaffen. Diese Umstände in Kauf zu nehmen, fiel mir relativ leicht. Und immer wieder diese kleinen leeren Rastplätze mit den behindertengerechten und kostenfreien WC`s

"Alexander, was hat Dir denn am Besten gefallen?" fragte ich, während ich die Fertigsauce über die Nudeln gab.
"Norwegen" war die knappe aber aussagekräftige Antwort.
So entschieden wir uns beizeiten schlafen zu legen, da wir am nächsten Tag in einem Rutsch Saarbrücken erreichen wollten. Es wurden 1829 Kilometer in exakt 24 Stunden. Herrlich kaputt und beseelt steckte ich Punkt 7.00 Uhr den Schlüssel in meine Wohnungstür.

Ich bin mir relativ sicher, dass es trotz alle Mühe und Konsequenz, nicht gelungen ist, unsere Eindrücke so zu schildern, dass Sie es so aufnahmen, wie wir es meinten. Deshalb seien Sie bitte weder überrascht noch enttäuscht, wenn Sie die Reise auch unternehmen werden. Wenn Sie mehr Tipps zu Reise, Voraussetzungen und Gegebenheiten wissen möchten, freuen wir uns behilflich sein zu dürfen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.05.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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