Christiane Mielck-Retzdorff

Eine Geschirrspülmaschine namens Sophie

 

 

Es war ein herrlich sonniger Spätfrühlingstag, doch Markus saß nicht auf seiner großzügigen Terrasse, sondern am Tisch in der ebenfalls großzügigen Küche seiner Villa. Dort pflegte er mit seiner Frau Susanne zu speisen, Kaffee zu trinken und über die unterschiedlichsten Themen zu diskutieren. An keinem anderen Ort wurde ihm seine Einsamkeit bewusster.

Diesem Gefühl gab er sich gerne hin, denn es ließ auch die Erinnerungen aufleben. Am Fenstern lagen neben den Topfpflanzen etliche Steine, von denen einige im Sonnenlicht glitzerten. Sie waren nicht wertvoll. Susanne hatte sie auf ihren Spaziergängen irgendwo gefunden, aufgesammelt und im Haus dekoriert. Sie war der Meinung, von diesen ursprünglichen Teilen dieses Planeten, die einst aus dessen Innerstem geboren worden waren und weite Reisen hinter sich hatten, ginge eine große Kraft aus. Manche von ihnen waren mehr als faustgroß.

Überhaupt glaubte seine Frau, das Leben in allen Dingen steckt, auch in jenen, die die meisten Menschen für Tod hielten. So gab sie selbst Haushaltsmaschinen einen Namen, sprach diese stets freundlich an und bedankte sich sogar für deren Hilfe. Markus schmunzelte oft über dieses Verhalten, doch es störte ja niemanden.

Gerade lief die etwas betagte Geschirrspülmaschine. Als sehr vermögender Mann hätte er sich leicht ein neueres, leiseres Exemplar leisten können, aber mittlerweile hing er an diesem Gerät, dem Susanne den Namen Sophie gegeben hatte. Ihre Geräusche trösteten Markus. Mal klangen sie wie ein Murmeln, mal wie ein leiser Gesang. Seine Frau behauptete dann, Sophie erzähle Geschichten oder sänge ihnen Lieder vor.

Vor ihrem Tod war Markus gar nicht bewusst gewesen, wie sehr Susannes phantasievollen Betrachtungen der Welt sein Leben bereichert hatten. Nun ertappte er sich oft dabei, dass er sich bei seinem Computer für dessen Dienste bedankte. Umgeben von all den Gegenständen, denen seine Frau nur durch ihren Geist Leben eingehaucht hatte, wandelte sich sein Gefühl der Einsamkeit in eines der Geborgenheit.

Sie war es auch gewesen, die darauf bestand hatte, bei warmen Wetter alle Türen offen stehen zu lassen, damit der Wind und die Gerüche der Natur zu ihnen finden konnten. Sich einzuschließen bedeutete, die Welt mit ihren Wundern auszusperren. Dass dabei auch lästige Insekten den Weg ins Haus fanden, werte sie als Teil ihrer Philosophie. Alles auf dieser Erde gehörte zusammen. So lächelte Markus über die Fliege, die ständig seinen Kopf umkreiste.

Vielleicht war er zu sehr in seine Gedanken versunken oder die Geschirrspülmaschine gerade besonders laut. Jedenfalls bemerkte er den fremden Mann mit der Waffe in der Hand erst, als dieser schon am Tisch stand. Im ersten Moment war Markus erschrocken, doch der Eindringling vermittelte den Eindruck, als wisse er selbst nicht genau, was er in dieser Küche suchte. Er starrte den Hausherren an, brachte aber kein Wort hervor.

Es bedurfte nicht viel Phantasie, um zu erraten, dass der recht armselig aussehende Fremde den Reichen ausrauben wollte. Markus war sich sicher, genug Bargeld im Haus zu haben, um den Mann wieder los zu werden. Aber dieser stellte noch immer keine Forderungen.

Plötzlich sprang die Pumpe der alten Geschirrspülmaschine lärmend an. Der Eindringling erschrak und schoss auf das Gerät. Zwar prallte die Kugel an Sophie ab, doch Markus wurde wütend. Schließlich war die Maschine eine zuverlässige Freundin, die so schöne Geschichten von seiner Frau erzählte und auch wehmütige Lieder sang. Ohne nachzudenken griff der Hausherr hinter sich, wo ein großer Stein auf der Fensterbank lag. Diesen nahm er und schleuderte ihn, dem fassungslos auf die Geschirrspülmaschine starrenden Mann an den Kopf. Ein zweiter Schuss löste sich und traf die Wand. Dann sank der Eindringling zu Boden.

Markus stand auf, lächelte Sophie an, die unbeeindruckt ihr Programm beendete und schaute dann auf den Mann, der aus einer Kopfwunde stark blutete. Welch eine Sauerei auf den glänzend weißen Fliesen. Der Hausherr rief die Polizei und den Krankenwagen. Die Rechtslage war klar. Der Hausherr hatte sich gegen einen bewaffneten Räuber gewehrt. Der Stein wurde als Beweismittel sichergestellt, doch Markus bestand darauf, ihn so schnell wie möglich zurück zu bekommen.

Als er abends die Geschirrspülmaschine ausräumte, meinte er Sophie reden zu hören. Sie bedankte sich bei ihrem Retter, der sie so heldenhaft verteidigt hatte. Wieder lächelte Markus. Seine Frau hatte Recht. Es steckt Leben in allen Dingen.

 

 

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Trug und Wahrhaftigkeit: Eine Liebesgeschichte von Christiane Mielck-Retzdorff



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