Marion Metz

Die bayrische Firmung

 

„Pack ma`s!“, rief Sepp, stolzes Familienoberhaupt der Familie Krachlmeier. Sein ganzer Stolz, sein Sohn Josef junior - von allen Beppe genannt – hatte heute einen großen Tag vor sich. Der Heilige Geist würde über ihn kommen. Über das erste seiner Kinder, dem zwei Töchter in jeweils vierjährigem Abstand folgten.

Mutter Marianne scheuchte die Mädchen aus dem Bad, Richtung Haustür mit dem Endziel Auto und es entfuhr ihr ein tiefer Seufzer, als alle geschniegelt und gestriegelt im Kleinbus saßen und familieninterne, kleine, possierliche Nettigkeiten austauschgetauscht wurden.

„Stimmt das, dass‘d einen recht einen Schmarrn auf dein Foto geschrieben hast?“, fragte die zehnjährige Hanna herausfordernd. Hanna‘s Ton war in der letzten Zeit ein wenig forsch und Mutter Marianne vermutete eine frühpubertäre Anfangsphase.

„Was heisst Schmarrn? Ich hab nur lauter g’scheite Sachen draufgeschrieben!“, verteidigte sich Beppe, sich keinerlei Schuld bewusst, dass etwas aus seinen Portrait-Antworten vielleicht nicht unbedingt den modernen Ansprüchen an vierzehnjährige Erdenbürger entspricht.

Nach längerem Hick-Hack kamen sie endlich an der Kirche an, stiegen aus dem Auto aus und marschierten geschlossen, feierlich in Tracht gekleidet Richtung Roten Teppich. Dieser war zu Ehren der jungen Firmlinge ausgerollt, damit ein hiesiger Fotograf schöne Aufnahmen von den feschen jungen Menschen machen konnte. Um das ganze ein wenig lebendiger zu gestalten, wurden Fan’s gesucht, die sich links und rechts des Teppichs drapierten, jubelten und klatschten wenn ein Firmling dort entlang schritt.

„Kommt, Mädels! Wir sind Fan’s!“, rief Mutter Marianne begeistert und gemeinsam stellten sie sich an den Roten Teppich und begannen sofort zu applaudieren.

„Du auch, Sepp!“, wies sie ihren Mann an. Dieser gesellte sich zu ihnen, beide Daumen in der Lederhose, mit wenig beweglicher Mimik.

„Papa! Du bist kein g’scheiter Fan!“, rief die sechsjährige Lena, zog Papas Hände aus der Lederhose und wollte ihm zeigen, wie klatschen funktioniert.

„Phh! Ein solch ein Schmarrn!“, wehrte er ab und war froh, als er seinen Bruder – den Firmpaten Beppes – mit Opa und seiner Familie entdeckte.

„Du kannst des viel besser als ich, Leni, schau, da ist der Onkel Hias und Opa! Ich gehe zu ihnen!“, erklärte er und flüchtete in Richtung seines Bruders.

Opa, zwar schlecht auf den Füßen, ließ es sich nicht nehmen mit in die Kirche zu gehen. Er war 85, leicht dement, aber immer noch ein Gaudi-Bursche.

Endlich war es soweit und sie gingen alle in die große Kirche um auch noch gute Plätze zu ergattern.

Die Zeremonie begann und zu erhebender Orgelmusik zog der Weihbischof und Dompropst des Erzbistums München-Freising in einem langen, feierlichen Zug ein.

„Die machen aber großes Kino!“, wisperte die kleine Leni ihrer Mama zu, schwer beeindruckt von den dröhnenden Orgelklängen. Bei Leni war seit etwa zwei Wochen alles ‚großes Kino‘, wenn etwas sie schwer beeindruckte.

Mama Marianne nickte nur verständig, sie wollte auch nicht ein Wort verpassen. Doch kleine Kinder hatten in der Regel viele Gedanken in ihren Köpfen, so fuhr Leni fort:

„Mama!!! Der schaut aus, wie der Nikolaus! Mama!!! Ist das der Nikolaus?!“, fragte sie ganz aufgeregt. Vielleicht würde er ja auch unter dem Jahr Nüsse und Äpfel verteilen.

Mit seinem Bischofsstab, der Mitra, dem rot-goldenen Umhang, seinem hoheitlichen Gebahren, handelte es sich bei dem Erscheinungsbild des Erzbischofs durchaus um richtig großes Kino.

„Nein, Leni! Das ist nicht der Nikolaus! Das ist unser Weihbischof!“, wisperte Mama Marianne zurück und legte zur Verdeutlichung, dass keine weiteren Fragen mehr geduldet waren, den Zeigefinger auf die Lippen.

Die Zeremonie begann, der Weihbischof hielt eine flammende Predigt, so dass ein jeder in der Kirche – sofern er zuhörte – davon mitgerissen wurde. Man konnte durchaus davon ausgehen, dass der Weihbischof ein ganz und gar vom Heiligen Geist beseelter Mensch war und seine Begeisterung für Jesus und Gott zu den Menschen tragen wollte.

Einer, der nicht zuhörte war Opa, denn er war kurz eingenickt, sein Kopf fiel nach hinten, daraufhin entfuhr ihm ein lauter Schnarcher, der ihn wiederum spontan aufweckte. Er schüttelte sich am ganzen Körper und fragte laut:

„Is scho vorbei?“

„Psssst! Naaaa!“, drängte ihn sein Sohn Sepp zur Ruhe und Opa lehnte sich wieder zurück und schloss die Augen. Er sah ohnehin nicht bis ganz nach vorne, also konnte er der Zeremonie zumindest zuhören – sofern er seine Hörgeräte drin hatte. Die vergaß er gerne, oder er schaltete sie einfach aus, weil sie manchmal zu pfeifen anfingen.

Der Weihbischof wechselte immer zwischen seiner Mitra und einem hübschen Scheitelkäppchen ab und als er gerade das Scheitelkäppchen auf seinem Kopf trug, verwirrte das die kleine Leni in höchstem Maße. Aus dem anfänglichen Nikolaus, der dann doch keiner war, wurde mit einem Mal etwas ganz anderes. So fragte sie aufgeregt die Mama:

„Mama! Ist denn der Pfarrer jetzt Jude geworden?“

„Jude?“, fragte Mama konsterniert. „Ach, du meinst wegen dem Käppchen?“

Leni nickte mit großen Augen.

„Nein, Spatzl, ein Weihbischof darf auch ein Käppchen tragen, deswegen ist er noch kein Jude geworden. Er bleibt beim Christus!“, versuchte sie ihr Töchterchen aufzuklären und deutete ihr wieder still zu sein.

Nun – endlich – wurden die jungen Firmlinge gesalbt und gesegnet, sie würden nun fortan eine himmlische Stärkung durch den Heiligen Geist erfahren und galten nun seitens der Kirche als mündig.

Die Gabenbereitung, der Friedensgruß und der Auszug waren danach eher unspektakulär und zu wiederum mondänen Orgelklängen begann der Auszug aus der Kirche.

Hanna flitzte gleich los um das Portrait-Foto ihres Bruders zu holen, Leni weckte ihren Opa auf und sie gingen Hand in Hand dem Papa hinterher. Draußen, bei strahlendem Sonnenschein traf man sich zu einem kleinen Sekt-Empfang um das große Ereignis gebührend zu feiern.

„Und? Spürst ihn schon?“, fragte Leni ihren großen Bruder neugierig.

„Wen?“

„Na, den Heiligen Geist!“

„Ach geh! Den spürt man doch nicht!“, grinste er und wendete sich seinem Vater zu.

„Du Papa! Der Bischof hat g’sagt, dass wir jetzt alle schon volljährig sind! Darf ich heut ein Bier trinken?“

„Du bist erst vierzehn! Volljährig ist man ab achtzehn!“, rief Mutter Marianne in Erinnerung.

„Vielleicht ein kleines Radler“, grinste Papa Sepp.

Zwischenzeitlich hatte Hanna das Portrait-Foto geholt und alle lasen die dort von Beppe gegebenen Antworten durch.

Bei der Frage ‚In 15 Jahren wäre ich gerne…‘ stand als Antwort:

‚Hoffentlich mit Schulabschluß‘

Mutter Marianne sagte entsetzt:

„Geh weiter, Beppe! In 15 Jahren bist schon fast dreißig!“

„Mit dem rechnen hat er es doch noch nie gehabt!“, verteidigte ihn sein Patenonkel Hias lachend.

Was die Antwort auf die nächste Frage bestätigte, die da lautete:

‚Für mich ist das größte Übel der Welt…‘

Folgte prompt als Antwort: ‚Donald Trump, Mathe und der IS‘

Alle lachten herzlich und Beppe verteidigte sich:

„Das stimmt jetzt nicht mehr!“, und erklärte weiter: „Ich habe jetzt eine andere Reihenfolge. Zuerst der IS, dann Mathe und zum Schluss der Donald.“

„Aber Mathe bleibt an zweiter Stelle?“, hinterfragte sein Onkel und Beppe nickte bestätigend.

„Sag einmal, Beppe, was hat dich denn der Weihbischof gefragt?“, wollte Mama Marianne wissen, denn der Weihbischof hatte mit jedem Firmling ein paar Worte gewechselt.

„Was ich mir als Beruf vorstellen könnte!“, erzählte Beppe und ließ sich in gewohnter Weise ein jedes Wort aus der Nase herausziehen.

„Und? Was hast g’sagt?“, fragte Mama Marianne weiter.

„G’lernter Brotzeitmacher!“, kam als Antwort und die arme Mama wusste nicht, ob sie das ernst nehmen sollte oder nicht. Dem Beppe war vieles zuzutrauen. Hilfesuchend schaute sie zum Firmpaten Hias, der ja alles bezeugen konnte.

„Mach deine Mama nicht so fertig!“, lachte Hias und antwortete für Beppe: „Was handwerkliches will er machen, hat er gesagt! Talent dazu hat er ja!“

Völlig zusammenhanglos fing Opa spontan zu erzählen an:

„Meinen ersten Rausch hab ich nicht mit Bier g’habt! Wir haben als Ministranten dem Pfarrer seinen Wein ausgetrunken! Bäääähhh! War der greislig! Ein solch ein Sauerampfer! Da hab ich mir geschworen, wenn das Bier nicht besser schmeckt, würde ich mein Lebtag lang beim Wasser bleiben! Gott sei Dank war’s besser! Auf die kirchlichen Braumeister war halt Verlass!“

„Ist das dann ein heiliges Bier, wenn’s von einem Mönch gebraut wird?“, fragte Leni wissbegierig.

„A guad’s Bier ist so oder so eine durch und durch heilige Angelegenheit!“, klärte sie Opa auf.

„Ja, dann ist es ja geradezu meine heilige Pflicht, heute meinen ersten Schluck Bier zu nehmen!“, strahlte Beppe über das ganze Gesicht. In Mathe war er zwar keine Leuchte, doch in den Fragen des Lebens war er ganz und gar bauernschlau.

„Das würde ich sagen!“, bestätigte Opa die lebensnahe Schlussfolgerung.

„OPA! Du kannst uns doch nicht so in den Rücken fallen!“, widersprach Marianne.

„Wir sind schließlich in Bayern! Es soll doch was aus dem Buam werden!“, erklärte Opa überzeugend.

„Mama, ich versprech dir auch, dass ich meinen Schulabschluss weit vor meinem dreißigsten Geburtstag mach!“, grinste Beppe.

So war alles ausgeredet. Das Heilige Fest wurde beim dörflichen Wirt gefeiert und Beppe genoss sein erstes, kleines Radler.

Was Mama Marianne nicht wusste war, dass Beppe schon als Kind den Bierschaum vom Opa ab und an schlecken durfte. Mütter mussten schließlich nicht alles wissen.

Doch hatte ein gutes Bier beim erstmaligen Genuss eine eher einschläfernde Wirkung. So hielten sowohl Opa, als auch der Enkel an diesem so feierlichen Tag gemeinsam ein Nachmittagsschläfchen.

Opas Traum begann mit den Worten: ‚O’zapft is!‘

Beppes Traum begann mit: ‚Möge der Heilige Geist Mathe abschaffen!‘

Beide lächelten selig.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.05.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Lilly Nett ist ein überaus durchschnittlicher Mensch und Lichtjahre davon entfernt, sich selbst bedingungslos zu lieben. Sie fühlt sich zu dick, ihr Mann ist nur die zweite Wahl und grundsätzlich entpuppt sich ihre Supermarktschlange als die längste. Ihr Alltag gleicht der Hölle auf Erden. Lillys Seele schickt ihr beständig Zeichen, doch ihr Ego verhindert vehement, dass Lilly Kontakt zu ihrem inneren Licht findet. Bis ein einschneidendes Erlebnis den Wandel herbeiführt und sie wie Phoenix aus der Asche neu aufersteht: Geliebt, gesehen, vom Leben umarmt.

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