Sandra Lenz

RACHE, oder doch nur ein schlechtes Gewissen?

Blut quoll aus ihrem Mundwinkel, rann über ihr blasses Kinn und versiegte in ihrer grauen Seidenbluse. Das Grau der Bluse war kaum mehr zu erkennen, so verschmiert war sie mit ihrem eigenen Blut. Sie drückte ihre Hand gegen die Wunde in ihrem Oberkörper, aus der unaufhaltsam das rote Lebenselixier strömte.
Sie stolperte vorwärts und versuchte zu entkommen. Dem Mann zu entkommen, der hinter ihr her war und sie durch die regennassen verlassenen Strassen jagte. Ihr Atem ging schwer und sie bekam kaum Luft. Ihre Lungen drohten zu bersten, doch sie durfte nicht aufgeben. Sie musste versuchen ihr eigenes Leben zu retten und dieser Bestie zu entkommen.
Sie stolperte und fiel der Länge nach hin. Ihre Knie platzen auf, doch diesen Schmerz spürte sie gar nicht mehr. Mühselig rappelte sie sich auf und legte ihren Weg fort.
Der Mann folgte ihr. Er genoss ihre Angst und er konnte ihren Angstschweiß gemischt mit dem Geruch von Blut förmlich riechen. Ein diabolisches Grinsen lag auf seinen Lippen. Sie würde ihm nicht entkommen. Nein, heute Nacht würde er seinen von langer Hand geplanten Rachefeldzug vollenden. Der Geschmack des Sieges lag bittersüß auf seiner Zunge und war zum Greifen nahe. Den schwarzen Hut tief in die Stirn gezogen und den Mantel zugeknöpft bis zum Kinn, folgte er ihr. Mit jeder Minute die verging, bemerkte er wie ihre Kräfte nachließen und sie langsamer wurde. Er weidete sich an ihrem Anblick. Verzweifelt, nach dem Leben bettelnd, versuchte sie ihm zu entkommen. Doch er war sich sicher, das sie ihr bevorstehendes Ende bereits ganz nah bei sich spürte. Aus der selbstbewussten starken Powerfrau war ein kleines winselndes Etwas geworden.
Keuchend bog sie in eine kleine Strasse ein, die kaum erleuchtet war. In der Ferne bellte ein Hund und keine Sterbensseele würde bei diesem Wetter freiwillig das Haus verlassen. Sie war allein und sie spürte seine Anwesenheit in ihrem Rücken. Plötzlich stand sie vor einer kalten Mauer aus Stein, sie war in der Falle. Diese Strasse war eine Sackgasse und führte ins Nirgendwo. Nach Luft jappend verließen sie die Kräfte und sie ging zu Boden.
Bedrohlich baute sich der Mann über ihr auf. Sein Gesicht lag im Schatten und sie konnte ihn nicht direkt anblicken. Aber das brauchte sie auch nicht. Sie wusste ohnehin wer er war, denn vor einiger Zeit war er ihr sehr vertraut gewesen. Doch nun spürte sie nur noch den abgrundtiefen Hass, den er ausstrahlte.
Er grinste und eine kalte glänzende Klinge kam unter seinem dunklen Mantel zum Vorschein.
„Jetzt bringe ich das zuende, was ich schon längst hätte tun sollen.“ Sein Lachen hallte durch die dunkle Nacht. „Ich nehme dir das, welches du mir schon vor langer Zeit genommen hast und einfach in den Dreck geworfen hast. Du Biest.“
Tief stieß er die Klinge in ihren Körper und ein Röcheln kam über ihre bebenden Lippen. Der Schmerz raubte ihr fast die Sinne, doch der erlösende Schatten der Ohnmacht wollte sich nicht über sie legen. Genüsslich drehte er die Klinge in ihrem Körper herum und er zog einen tiefen Schnitt hoch bis zu ihrer Schulter. Das Blut sprudelte hervor und färbte die Strasse rot.
Er würde ihr das Herz herausschneiden und es den Geiern zum Fraß vorwerfen.
Er kniete sich neben ihr nieder und begann damit seine Tat zu vollenden. Ungeheuerliche Wellen des Schmerzes jagten durch ihren gesamten Körper, doch sie konnte nicht schreien. Nur ein Röcheln kam über ihre Lippen und mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in sein hasserfülltes Gesicht. Plötzlich legte sich ein dunkler Schatten über sie und sie verließ diese kalte grausame Welt.
Er griff in ihren leblosen Körper und riss ihr das Herz heraus. Triumphierend hob er es hoch gen Himmel und sein Lachen hallte durch die Nacht ...

Schweißgebadet schreckte sie aus diesem Albtraum hoch. Ihr Atem ging schwer und sie benötigte einige Minuten, bevor sich ihr Pulsschlag normalisierte und sie ganz sicher war, das es sich dabei nur um einen Traum gehandelt hatte und nicht um die Wirklichkeit. Sie strich nasse Haarsträhnen aus ihrem Gesicht und betrachtete den schlafenden Körper neben sich.
Er lag ruhig neben ihr und sein Atem ging regelmäßig. Er hatte von ihrem Albtraum überhaupt nichts mitbekommen und schlief weiter. Sie betrachtete seine geschlossenen Lider und die entspannten Gesichtszüge. Konnte so ein liebevoller Mensch solch eine grausame Tat in die Realität umsetzen? War er fähig dazu?

Vielleicht sollte sie ihren Entschluss, mit diesem Mann Schluss zu machen, noch einmal genau überdenken und vielleicht verdiente er ja die Chance, das sie ihn besser kennen lernen würde. Schließlich war sie ihm erst vor drei Tagen begegnet ...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.07.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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