Warum ich arbeitslos bin? Also, das wäre niemals passiert, wenn mein Wecker nicht seinen Geist aufgegeben hätte. Da war ich natürlich total im Stress, Ich hatte mir schließlich schon zwei Abmahnungen eingefangen wegen der ewigen Zuspätkommerei.
Aber, Siggi, hab ich mir gesagt. Siggi bleib cool. Das schaffst du locker.
Ich also mit dem Toast auf der Hand in meine Karre und ab geht die Post.
Aber was ist los?
Mitten auf der kurvenreiche Strecke zur Autobahnauffahrt schleicht da so ein Bauer auf seinem Trecker dahin. Das müssen Sie sich mal vorstellen. Eine Unverschämtheit! Die Schlange hinter ihm interessiert den nicht die Bohne. Statt mal rechts ranzufahren und uns kurz vorbeizulassen, tuckert der stur seines Weges.
Aber nicht mit Siggi Pawlowski! Ich voll auf die Tube gedrückt und locker vorbeigezischt.
Mein Gott, der Motorradfahrer da in der Kurve hat sich wohl ein bisschen erschreckt. Die weit aufgerissenen Augen hinter die Motorradbrille hätten Sie mal sehen sollen, Herr Richter! Ich hab mich schlapp gelacht.
Finden Sie überhaupt nicht lustig?
Hallo? Entweder einer kennt die Abmessungen von seiner Karre oder nicht.
Na, ja. Wie dem auch sei. Dieses Hindernis war jedenfalls schon mal überwunden.
Ich guck auf die Uhr und denk, Siggi, bleib cool. Das schaffst du locker.
Aber Pustekuchen. Keine zweihundert Meter weiter wartet schon der nächste Verkehrsaufhalter auf mich. So ein Wohnwagengespann, dessen total untermotorisierte Zugmaschine jeden Knubbel zum schier unüberwindlichen Gebirgsmassiv entarten lässt.
Ich voll am hupen, aber das juckt den nicht die Bohne.
Na warte, denk ich. Wie du willst Meister! Ich eben auf dem Standstreifen vorbei!
Kann ich vielleicht was dafür, dass die beiden Radfahrer gleich die Nerven verlieren und über die Leitplanke hüpfen?
Leider liege ich jetzt schon zehn Minuten hinter meinem Zeitplan. Siggi, sage ich mir, jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Das verlorene Terrain machen wir auf der Bahn zehnmal wieder gut. Mit zweihundert Pferdestärken unter der Haube dürfte das auch kein Thema sein. Also Vollgas!
Sie werden es nicht glauben.
Da machen die doch tatsächlich eine Wanderbaustelle! Mitten im dicksten Berufsverkehr stellen die ihre dämlichen Hütchen auf!
So was sollen die gefälligst in der Nacht machen.
Scheiß drauf. Ich stoche einfach volles Rohr weiter.
Plötzlich fliegt da irgendwas Orangenes durch die Luft und so`n Typ wedelt wie bekloppt mit seiner Fahne.
Anhalten? Für so eine Lappalie? Wovon träumt Ihr eigentlich nachts?
Aber wenn Sie denken, ab jetzt freie Fahrt für freie Bürger, muss ich Sie bitter enttäuschen. Vor mir die schlimmste Sorte von allen Verkehrsaufhaltern, ein älterer Herr mit Kopfbedeckung in einem Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse, auch als Opa mit Hut im 200er Diesel bekannt.
Benutzt natürlich permanent die linke Spur! So ein Mr. Übervorsichtig, der schon in Herne-Wanne vom Gas geht, wenn er in Duisburg-Neumühl von der Bahn will.
„Fahr endlich rechts rüber, du Sack!!“, schrei ich.
Aber niente, nix, null. Keine Reaktion.
Ich blinke und lichthupe. Aber nix passiert.
Bleibt nur der letzte Ausweg. Rechts überholen.
Kurze Zeit später werde ich links überholt. Vor mir erscheint eine billige Lichtreklame mit der Aufschrift „Bitte folgen.“
„Sie haben soeben rechts überholt“, belehrt mich eine strenge Stimme. Dann schreibt der Penner mich auf, wohingegen Opa unbehelligt weiter den Verkehr aufhalten darf.
Verschwitzt erreiche ich über eine halbe Stunde zu spät das Büro.
„Sie sollen sofort zum Chef kommen“, sagt die Sekretärin vom Alten.
Oh, Gott. War der schon da?
Was der von mir wollte, war unschwer zu erraten. Eine dritte Abmahnung konnte es kaum sein.
Ich also rein zu ihm.
„Ich weiß, Boss“, sag ich. „Ich bin zu spät, aber glauben Sie mir, ich wäre pünktlich gewesen, hätte mich nicht dieser Idiot da auf der Autobahn aufgehalten. Sie wissen schon, so ein Opa, der im Wagen den Hut aufbehält.“
„Meinen Sie den da?“, fragt der Boss und zeigt auf einen grauen Pepitahut hinter ihm auf der Fensterbank.
Tja, das war`s dann. Und alles nur wegen diese verdammten Verkehrsaufhalter. Sagen Sie mal selber, das Leben ist ungerecht, oder?
Vorheriger TitelNächster TitelDie Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Rudolf Kowalleck).
Der Beitrag wurde von Rudolf Kowalleck auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.06.2017.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Rudolf Kowalleck als Lieblingsautor markieren
Unternehmen Wampenschmelze: Hartmann macht Diät (Das Leben ist Hartmann)
von Rudolf Kowalleck
Eine bissige Satire auf den Schönheits- und Schlankheitswahn in unserer Zeit.
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: