Barbara Cordes

Es war ein schöner Morgen

Es war ein schöner Morgen

Sie war eine gute Pilotin. Scheinbar ihr ganzes Leben hat sie sich mit der Fliegerei beschäftigt. Schon in frühester Kindheit übte sie fleißig, erste kleine Runden. Unter der Anleitung ihres Vaters lernte sie, im Tiefflug Hindernissen auszuweichen , Loopings zu schlagen und welch ein erhebendes Gefühl es war, sich frei in der Luft zu bewegen. Dort oben gab es keine Grenzen. Man konnte die Biegung der Welt am Horizont erkennen. Bei jedem Start entsprang ein tiefer Seufzer ihrer Brust. Alle Last blieb dort unten auf der Erde. Sie war frei, schwerelos und glücklich.
Bis zu jenem Tag, der alles ändern sollte.
Es war ein schöner Morgen. Tau lag noch auf dem Gras. Es glitzerte, als würden Millionen Diamanten, das Licht der Sonne brechen. Wie üblich machte sie sich fertig für eine lange Reise. Alles wurde gecheckt und dann konnte es losgehen. Ein sauberer Start und die Lüfte hatten sie wieder. Die ersten Stunden verliefen reibungslos. Doch dann, ganz plötzlich aus dem Nichts, tauchte eine riesige flirrende Wand vor ihr auf. Sie zog hoch. In einem sehr steilen Flug gelang es ihr um Haaresbreite über diese Gefahr zu steigen. Schweiß tropfte von ihrer Stirn. Wie konnte das nur passieren? Die Instrumente zeigten keinerlei Hindernisse an. Na, das ging gerade noch mal gut. Aber irgendetwas war jetzt anders. Die Luft schien stillzustehen. Sie nahm einen seltsamen Geruch wahr. Übelkeit stieg in ihr auf. „Was ist das hier?“ Das Licht wirkte sonderbar. Es war so unwirklich, das sie glaubte, in einer anderen Welt zu sein. Doch das konnte unmöglich sein, so was ist Science Fiktion. Auf ihre Bordinstrumente konnte sie sich nicht mehr verlassen. Alle Systeme waren ausgefallen. Angst beschlich sie. Wie sollte sie jetzt zurückfinden?. Einfach Umdrehen und versuchen, diese Wand wiederzufinden, war wohl das klügste, was ihr einfiel. Sie überflog einen riesigen See. Keine Anhaltspunkte waren da, die ihr die Richtung anzeigen konnten. Nicht einmal die Sonne war zu sehen. „Eigenartig“, dachte sie. „Es gibt keine Sonne und doch ist es nicht dunkel. Wo bin ich? Was geht hier vor?“ Panik schnürte ihr die Kehle zu. Das Funkgerät! Sie musste mit ihrem Vater Kontakt aufnehmen. Er wüsste bestimmt einen Ausweg aus dieser Situation. Aber auch diese letzte Hoffnung wurde zerstört. Es gab keine Verbindung. Totenstille. Einsamkeit und eine übergroße Furcht ergriffen von ihr Besitz. Sie drohte ihr Bewusstsein zu verlieren. Mit allen Kraftreserven kämpfte sie dagegen an. „Nur etwas ausruhen. Ich brauche meine volle Konzentration.“ Eine kleine Weile ließ sie sich treiben. Alles was sie sah, war fremdartig und unheimlich. „Da vorn, das könnte ein Anzeichen von Zivilisation sein“. Sie raffte sich auf und flog direkt in die, vor ihr aufsteigende, Dämmerung, die mit Lichtpunkten durchsetzt war. Ein Flug ins Ungewisse.
Eine scharfe Linkskehre verhinderte im letzten Moment einen Zusammenstoß mit einem Berg. Dieser Berg hatte große hellbraune und weiße Hügel. Er lag in einem roten Tal. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Sie fing an zu weinen. Die Hoffnung auf Zivilisation war zerplatzt wie eine Seifenblase. „Ich muss irgendwo landen“ Hinter dem Berg erstreckte sich das rote Tal und lief in eine graue Landschaft aus. Sie landete sicher. Zitternd blickte sie sich um und konnte ihren Augen kaum trauen. Der Berg schien sich zu bewegen. Langsam wuchs er auf eine nicht endend wollende Größe an. „Weg, nur weg hier“, schoss es durch ihren Kopf. Durch einen Blitzstart versuchte sie dieser Bedrohung zu entkommen. Als sie sich umsah, bot sich ihr ein Bild des Grauens. Der Berg verfolgte sie. Eine riesige Höhle tat sich über ihr auf. „Schneller, nur nicht in diese Höhle gezogen werden“. Sie beschleunigte bis an die Grenzen des Machbaren. Jedes mal wenn sie glaubte, der Gefahr entronnen zu sein, drohte diese Höhle sie wieder in sich Aufsaugen zu wollen. „Um Gottes Willen, warum ist hier keiner, der mich weckt und mir sagt, das dass Ganze nur ein Traum ist“. Doch es war kein Traum, sondern ein Kampf um das nackte Leben. Sie gewann an Höhe. Der Berg mit seiner schrecklichen Höhle blieb unter ihr.
Viel Zeit zum durchatmen blieb ihr nicht. Auch wenn die Höhle sie jetzt nicht mehr erreichen konnte. Vor ihr tat sich ein riesiger See auf. Ein schier undurchsichtiges Dickicht schwamm auf dem Wasser. Sie spürte, wie die Kräfte nachließen. „Ich hab solche Angst. Was ist das alles? Wo bin ich?“ Dieser eigenartige Geruch wurde stärker. Und das Licht, das ohne Sonne schien, wurde immer greller. Sie konnte kaum noch etwas erkennen. „Ist es das,“ fragte sie sich. „ Fühlt sich so der Tod an?“ Unter Ihr gurgelte der See. Grauenvoll, Drohend. Im Steigflug ging es weiter. Das Wasser spritzte und kochte. Die grüne Masse auf dem See teilte sich. Dunkle Augen blitzten sie an. Unheimlich starrten diese Augen in das gleißende Licht. Immer fixiert auf den Punkt dort am Himmel. Dieses Wesen verfolgte genau ihre Flugbahn.
„Ich will nicht Sterben“, hämmerte es hinter ihrer Stirn. Aus Verzweiflung flog sie eine Kehre, nach der anderen. Sie hatte völlig die Orientierung verloren. Überall dieses Licht. Ihr wurde heiß. Dann berührte sie die Wasseroberfläche mit den Tragflächen. Ein Wahnsinniger Kampf entbrannte. Dieses Monster mit den dunklen Augen haschte nach ihr. Sie schrie auf. Zog hoch, sackte wieder ab. Oben und unten verschwammen vor ihren Augen. Wieder haschte etwas nach ihr. Der Gestank war unerträglich geworden. Ein zweites Wesen kam aus dem Nichts und jagte nun ebenfalls hinter ihr her. Noch mal gelang es, die Wasseroberfläche für einen Augenblick zu verlassen. Doch dann fiel sie wie ein Stein herunter. Sie versuchte um ihr Leben zu schwimmen. Die Wesen ergriffen sie und zogen sie mit in die Tiefe. „Vater, ist so der Tod? Ich wollte dir noch soviel sagen.“ Ihr schwanden die Sinne. Eine angenehme Stille trat ein. Plötzlich war da wieder dieses Grelle Licht. Als sie die Augen aufschlug, befand sich das grüne Dickicht um sie herum. Die Lebensgeister erwachten schlagartig. „Weg! Ich muss schwimmen“. Mit schnellen Zügen kam sie voran. Hoffnung tat sich auf. Diese Monster harrten etwas unter ihr im Wasser. Sie konnte es nicht sehen. Ihre Augen brannten. Tränen der Verzweiflung liefen über das hübsche Gesicht. „Nur weiter, nicht aufgeben, ich bin zu jung um so zu sterben“ dacht sie, als die Wesen sie ergriffen. Den Schmerz spürte sie nicht mehr, als ihr Körper auseinandergerissen wurde.
Die Beiden Fische in meinem Aquarium hatten sich die Fliege geteilt. Und waren mit diesem Lebendfutter mehr als zufrieden. Vor dem Sofa räkelte sich unser Braun-Weißer Collie gemütlich auf seiner roten Decke. Das Spinnennetz vor dem Fenster, flirrte in der Sonne. Tau lag auf dem Gras und es glitzerte, als würde Millionen kleiner Diamanten das Licht der Sonne brechen. Es war ein schöner Morgen.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Barbara Cordes).
Der Beitrag wurde von Barbara Cordes auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.07.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Barbara Cordes als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Schriftliche Kunstwerke von Manuela Dechsheimer



Mein erstes Buch ist endlich fertig.
Alle die mich schon kennen können sich endlich auf neue Gedichte von mir freuen und ein paar alte wieder finden.
In diesem Buch hab ich von allem etwas reingepackt, damit es euch auch ja nicht langweilt :)

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Spannende Geschichten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Barbara Cordes

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der Berg von Barbara Cordes (Wie das Leben so spielt)
? -WER- hat an der FLOCKEn-UHR gedreht - von Egbert Schmitt (Tiergeschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen