Christa Astl

Morgenspaziergang mit Sonnenaufgang

 

(Von meinem Urlaub auf Hiddensee 24.4.-4.5.2017)

 

Seit Tagen bin ich nun allein in meinem kleinen Einbettzimmer in einer netten Pension am Ortsrand auf der Insel. Wie oft hatte ich mir das ausgemalt, mir vorgestellt, wie dieses Alleinsein wohl sein würde, ob ich es so lange aushalten würde, ohne mich mit jemandem auszutauschen, oft tagelang überhaupt ohne Ansprache.

Ich halte es aus. Es geht mir gut. Mitteilungen mache ich in mein Reisetagebuch, das nicht nur die Orte und Erlebnisse der Reise beschreibt, sondern auch, sehr oft sogar, meine Gedanken zu all den Eindrücken, ebenso wie meine immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit dem Alleinsein. Die meisten glauben ja, alleine hält es der Mensch nicht aus, er muss mindestens zu zweien sein, am besten wohl in einer größeren Gruppe? Aber dieser Meinung bin ich absolut nicht.

 

Hier, allein, wo ich auf niemand Rücksicht zu nehmen brauche, kann ich einmal den Sonnenaufgang am Meer erleben.

Bereits um 5 Uhr beginnt es hell zu werden, daran merke ich, dass ich doch 1000 km nördlich meiner Heimat bin. Die frühe Helligkeit weckt mich, lässt mich nicht mehr schlafen.

Die Insel ist ja so schmal, dass ich sie in fünfzehn Minuten der Breite nach durchquere. Also ist es ein leichtes, den Sonnenauf- oder Untergang zu betrachten.

Heute ist es der Sonnenaufgang, in den letzten Tage habe ich genau Zeit und Richtung beobachtet, einmal allerdings verschlafen, ein andermal war die Sonne im Nebel nicht zu sehen. Doch heute versuche ich es.
 

Es ist ein stürmischer Morgen. Jeder andere würde an der Haustüre umkehren oder schon gar nicht hinaus gehen, ich habe es mir nun mal in den Kopf gesetzt. T-Shirt, Pullover, Kapuzenjacke, Wollmütze, Anorak mit Kapuze, dazu die warmen Leggins unter der Wanderhose, so ist es auszuhalten.

Ich muss mich mit aller Kraft gegen den Wind stemmen, um geradeaus zu kommen. Ob ich überhaupt fotografieren kann? Oder ob ich schon vorher wieder ins warme Bett flüchte? Der Wind nimmt mir den Atem, reißt mir fast die Türe aus der Hand. Ich binde die Kapuze fest zu, ziehe die sehr langen Ärmel meiner Windjacke über die Hände.

Ein paar Schritte den Damm hinunter, es ist etwas ruhiger, der Wind braust oben drüber. Mein Weg führt zum nahen Seglerhafen, wo seit gestern ein paar Schiffe vor Anker liegen.

Ein rosiger Schein am Firmament leitet das Himmelsschauspiel ein. Noch habe ich Zeit, den fotografisch richtigen Platz zu wählen, mache einige Probefotos. Immer heller wir es, mittlerweile habe ich einen etwas windgeschützten Platz an der Wand eines Hafengebäudes gefunden, vor mir die leise schwankenden Boote, mit deren Verankerung der Wind spielt. Ich visiere einen Mast an, hinter dem ich die Sonne erwarten will. Es wird heller und heller, schon zeigt sich am Horizont  ein Strahlen, und so schnell, fast zum Übersehen, ist das Himmelslicht empor gekrochen. Noch stehe ich und schaue, staune über dieses sich täglich ereignende Wunder der Schöpfung, das uns im Alltagsleben entgeht, weil „man“ um diese Zeit noch schläft.

Einige Fotos sind mir gelungen, die Finger sind mittlerweile klamm vor Kälte. Aber ich bin glücklich, dieses Ereignis erlebt zu haben, es war ein herrlicher Morgen. Nun jedoch schlüpfe ich für noch eine Stunde ins warme Bett, um ein Erlebnis reicher, das ich in die Träume mitnehme.


ChA 22.06.17

 

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