Jürgen Skupniewski-Fernandez

Brief an einen Freund/Orientreise 2

 

Mein lieber Freund,

ich hoffe, dass Du mit Deiner Forschungsarbeit gut vorankommst. Ich fiebre förmlich Deinen Ergebnissen entgegen. Allerdings mache ich mir auch Gedanken wie Du im Heiligen Land unter diesen schwierigen politischen Verhältnissen zurechtkommst. Die biblische archäologische Forschung ist ja eine eigenständige Disziplin wie Du mir einst schriebst. Bibelforschung im Kontext mit orientalischer Philosophie hat denn auch seinen ganz besonderen Reiz; meinst Du nicht auch?
Ich versprach im letzten Brief, Dir von meiner Begegnung mit dem alten Tunesier aus Mahdia zu berichten. An jenem Tag verließ ich also das am Meer gelegene Café Sidi Salem und ging auf die Anhöhe, Richtung altes Fort, Burj el Kebir, zu. Dieser Platz zwischen Festung, Altstadt und Meer ist einzigartig. Eine Stätte die ihresgleichen sucht, Leben und Tod friedvoll und harmonisch in Szene gesetzt. Vor mir liegen Hunderte von Gräbern. Von der Anhöhe der osmanischen Festungsanlage bis hin zum Meer, vor den Häusern des angrenzenden Altstadtviertels, zwischen den noch sichtbaren Überresten glorreicher Geschichte (Phönizier, Römer, Fatimiden). Ich befinde mich auf
dem wohl schönsten Friedhof, direkt am Meer gelegen. Kinder spielen zwischen weiß getünchten Gräbern, Passanten schlendern am späten Nachmittag an Grabstätten vorbei und zwischen den Felsen am Meer vergnügen sich Badende. Ich lief noch ein Stück am Meer entlang. Einsam stehen die Überreste des Bab-al-Bahr, Tor zum Meer,
wie sie es hier nennen. Sehnsuchtsvoll scheint es dem Meer zugewandt, wartend auf die Rückkehr der Bewohner dieser einst siegreichen Metropole. Man wird irgendwie von einer unbekannten Sehnsucht gefangen. Es ist nur ein Gefühl. So Recht weiß ich es eigentlich auch nicht welche Art von Sehnsucht mich da ergriff. Wenn Du auf einer islamischen Grabstätte wandelst, dann schleichen sich auch ungewollt Gedanken über Leben und Sterben ein. Das bleibt wahrscheinlich auch nicht aus. Allerdings sind es keine grauen Gedanken; das lässt dieser am Mittelmeer gelegene und sonnendurchflutete Platz einfach nicht zu. Die lebendigen Kinderstimmen, von Ferne Rufe;
Lebensbuntheit lässt keinen Raum für dunkle Wolken. Nachdenklich setzte ich meinen Spaziergang fort. Auf einer Anhöhe vor mir befindet sich der kleine Leuchtturm von Mahdia.
Unweit davon erblicke ich einen kleinen strahlend weißen Kuppelbau.
„Ah“..., dachte ich, „ das muss wohl das Grabmal vom besagten Marabut sein. Du weißt, die Verabredung mit dem alten Mann, der mich bat zur Grabstätte zu kommen.
Dir würde dieser besondere Ort auch zusagen; da bin ich mir sicher, denn dieser Teil Mahdias ist einzigartig. Du fragst Dich sicherlich wie es überhaupt zu dieser Begegnung mit dem
Tunesier kam. Es ist schon eine Zeitlang her. Ich kam gerade aus Ägypten und schaute mich in Mahdia nach einem geeigneten Plätzchen um. Die Zeit über wohnte ich bei einem guten Freund im Hotel LTI Mahdia Beach. Bei Mohamed, der als General Manager hier tätig ist. Er und ich lernten uns bereits in Kairo kennen. Er lud mich damals ein Tunesien zu besuchen und hielt über
Jahre seine Einladung aufrecht. Du erinnerst Dich sicher an meinen Brief aus jenen Tagen. Meine Absichten teilte ich Dir bereits ausführlich mit. Ich muss mich eigentlich im Nachhinein noch für Deine Unterstützung bedanken, dass Du mich in meiner Entscheidung unterstütztest. Eines Tages als ich nach einer geeigneten Privatunterkunft unterwegs war, fuhr ich Richtung Altstadt, die Avenue Cap Afrique, am Meer entlang. Danach nahm ich zu Fuß den Weg durch die kleine Gasse am Meer. Mein erster Blick fiel sofort auf den vor mir liegenden islamischen Friedhof sowie das kleine Hafenbecken aus punischer Zeit.
Was für Eindrücke offenbarten sich da. Ganz nach meinem Geschmack. Alsbald setzte ich neugierig meinen kleinen Marsch fort.
Ich kam zu einer kleinen Mauer am Meer, die den Zugang zu den Felsen begrenzte. Tief durchatmend genoss ich die weite Sicht aufs Wasser.
Nur einige Schritte von mir entfernt saß ein alter Mann. Er trug einen für Tunesien typischen dunkelbraunen, wollenen Übermantel, Burnous. Dieser bedeckte eine dunkelgraue Jeba (Kaftan). Sein Kopf versteckte sich unter der Kapuze. Sein Gesicht war gezeichnet von tiefen Lebenslinien. Man sahen ihnen den Kampf an, den sie führten und seine schwarzen Augen lagen tief und glänzend
eingebettet in der braungegerbten Haut. Seine runzligen Hände hatte er aufeinandergelegt; andächtig still. Seine nackten Füße steckten in traditionellen Balagas (leichtes Lederschuhwerk, die Ferse ist offen.
Hat den Anschein eines ein getrampelten Schuhs).

Ich schaute ihn nachdenklich an. Ich empfand dabei ein ganz besonderes beruhigendes Gefühl. So als ob wir uns schon seit Ewigkeiten kannten. Er hatte eine väterliche und warme Aura. Etwas verunsichert lächelte ich ihn an. Er schwieg einen Moment. Dann begrüßte er mich mit „As-salamu ´alaykum“. Sein Kopf nickte einladend. Ich antwortete sogleich mit „U-alaykum-as-salam“. „Tu parle arabe“? Du sprichst Arabisch, fragte er mich ohne darüber erstaunt gewesen zu sein. Es reiche für eine kleine Konversation meinte ich daraufhin.
Er stand auf, sah mich an und streckte mir seine sonnengegerbte Hand entgegen. Seine Fingernägel waren vom handwerklichen Arbeiten gelblich gefärbt.
„ Je m’appelle Nasir-ibn Nur-ad-Din, mon fils“ (Ich heiße Beschützer des Lichts und des Glaubens, mein Sohn). Ich sah ihn an und nickte zustimmend dankend, dass er mir seinen Namen nannte.
Wie bescheiden klingen da doch unsere Namen. Dann drehte er sich um, hob seine Hand und zeigte über die Gräber auf einen kleinen weißen
Kuppelbau. Ich solle Tag und Zeit wählen und mich zu diesem Grabe begeben. Ich solle mir auch keine Gedanken machen, er werde da sein.
So mein Freund, verlief meine erste Begegnung mit dem alten Tunesier.

Folgen.........

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Jürgen Skupniewski-Fernandez).
Der Beitrag wurde von Jürgen Skupniewski-Fernandez auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.08.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  • Autorensteckbrief
  • juergen_s_fyahoo.de (Spam-Schutz - Bitte eMail-Adresse per Hand eintippen!)

  Jürgen Skupniewski-Fernandez als Lieblingsautor markieren

Buch von Jürgen Skupniewski-Fernandez:

cover

Emotionale Welten von Jürgen Skupniewski-Fernandez



In den Gedichten hat der Autor das lyrische "Ich" durch ein vorwiegendes lyrisches "Du" bzw. "Wir" ersetzt, was eine kollektive Nähe zum Geschehenen hervorruft.
Die sehr eindrücklichen Beschreibungen leben von den vielen Metaphern und Vergleichen.
Eine klare und leicht verständliche Sprache sowie wohlgeformte Reime ermöglichen dem Leser einen guten Zugang zu den Gedichten.
Etwas für Lyrik-Liebhaber und jene, die gerne über das Leben philosophieren. Eine kleine poetische Reise, die den Leser zum Verweilen und zum Nachdenken über den Sinn des Lebens einlädt.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Briefe" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Jürgen Skupniewski-Fernandez

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Phänomen von Jürgen Skupniewski-Fernandez (Zauberhafte Geschichten)
Meine liebe Seele, von Heike Kijewsky (Briefe)
WEIHNACHTSFREUDE von Christine Wolny (Weihnachten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen