In dem bemerkenswerten Dorf Seeg im Allgäu, steht eine wunderschöne Rokokokirche die dem heiligen Ulrich gewidmet ist. Dieses Juwel in Baukunst und Ausstattung, ist eingebettet in eine traumhaft schöne Landschaft. Anlässlich der Verabschiedung von Monsignore Alois Linder und zugunsten der Restaurierung des Deckenfreskos wurde vom Pfarrgemeinderat am Sonntag den 23. Juli 2017 ein Benefizkonzert unter der Leitung von Prof. Andreas Hartmann, dem ersten Konzertmeister des MDR -Sinfonieorchesters Leibzig organisiert.
Die Restaurierung des Deckenfreskos wurde notwendig, da sich in der Nacht zum 1. März 2016 einige Teile des Kunstwerks, auf dem die Seeschlacht von Lepanto dargestellt ist gelöst hatten und zu Boden gefallen waren. Aufgrund der notwendigen Arbeiten an dem Deckenfresko, befindet sich immer noch eine aufwändige Gerüstkonstruktion mit einer Arbeitsplattform im Kirchenschiff hoch über den Sitzbänken. Die Schönheit und Akustik des Kirchenschiffs, war damit nur auf das absolut notwendige Maß beeinträchtigt.
Als erster Musiker betrat Hans-Dieter Koch mit seinem Kontrabass den Altarraum, in dem bereits mehrere Notenständer für die Streicher, ein Cembalo und einige Stühle aufgestellt waren. Sorgsam stimmte er mit wenigen Handgriffen seinen Kontrabass nach und man konnte an seinem Gesicht erkennen, wie konzentriert er das Ergebnis aus dem Klangkörper, mit dem Ton, den er in seinem Gehirn gespeichert hatte, zu den anderen Saiten anglich. Unmittelbar danach, erschien Professor Hartmann mit seiner aus dem Jahr 1744 stammenden Geige von Guarneri in den Händen. Florian Stierle mit Viola und Vincent Hamann mit Violine, komplettierten das Ensemble. So standen die Streicher in schwarzer Hose und schwarzem Hemd gekleidet, mit ihren Instrumenten in den Händen im Altarraum. Die Vorfreude auf dieses Konzert, war ihnen deutlich anzusehen. Sicher auch deshalb, weil sie diese Vorfreude auch in den Gesichtern der Konzertbesucher erkennen konnten. Wie schön, dass sie in dieser wunderschönen Kirche musizieren konnten.
Als erstes Stück durften die Zuhörer, die längst das Kirchenschiff gefüllt hatten, die Salzburger Sinfonie von Wolfang Amadeus Mozart, Köchel-Verzeichnis 138 hören. Allegro, Andante, Presto war auf dem Programmblatt zu lesen, und so war es dann auch zu vernehmen. Fröhlich, munter und beschwingt begannen die Streicher den ersten Satz zu spielen, um dann im zweiten Satz die Töne in ruhigerer Abfolge wiederzugeben. Der mit Presto bezeichnete Satz wurde wie auch die anderen Sätze ihrem Namen vollends gerecht. Der Konzertbesucher konnte dem schnellen und perfekten Zusammenspiel der einzelnen Instrumente nur staunend zuhören und zusehen.
Wenn Guarnieri nur hätte hören können, wie Professor Hartmann seiner Geige die wundervollsten Klänge in absoluter Perfektion entlockte..... wie virtuos und anmutig Hans-Dieter Koch aus seinem Kontrabass die Töne hervorzauberte und so ganz nebenbei nur durch Blicke und Augenbewegungen mit jedem seiner Musikerkollegen kommunizierte. Als würde ihm das Ganze keine Mühe machen und kein Hauch einer Anstrengung war in seinen Gesichtszügen zu erkennen. Nur ein wonnevolles beseeltes Lächeln als mächtiger Eckpfeiler der Streichergruppe. Vincent Hamann schmiegte sich mit seiner Violine akustisch perfekt an die wundervollen Töne der 1. Geige von Professor Hartmann, genauso wie auch die etwas tieferen Töne der Viola von Florian Stierle. Im Zentrum der Gruppe, ein Cornelius Hermann hinter seinem Violoncello, aus der die wundervoll gespielten Töne direkt ins Herz der Zuhörer trafen. Hinter dem Violoncello ? Nein... wie ein ruhender Pol saß er, voller Würde, wie verschmolzen mit seinem Instrument, in untrennbarer Einheit verbunden und ohne seinen Gesichtsausdruck zu verändern, während seine Finger auf den Saiten tanzten und die andere Hand den Bogen bewegte. Was für ein Anblick....
Welch magischer Moment nach den letzten gespielten Tönen, in dem für eine kurze Zeitspanne völlige Stille die Klangfülle abgelöst hatte. Nur der begeisterte Applaus der Zuschauer war befugt diesen Moment der Stille zu beenden.
In einer sehr herzlichen Ansprache, wurde dann Herrn Monsignore Lindner für sein Wirken in der Pfarrei gedankt. Dieser bedankte sich ebenfalls bei der Kirchengemeinde und ganz besonders bei den Leibziger Musikern, für die Durchführung dieses Konzertes. Das Herabfallen der Teile des wertvollen Deckenfreskos hatte die Pfarrei ins Herz getroffen und so war man für das Engagement der Musiker und besonders Professor Hartmann zu tiefst dankbar. Die besondere Verbindung und Zuneigung zwischen den Künstlern, Kirche und Monsignore Lindner war in den Gesichtern aller Beteiligten unübersehbar.
Als nächsten Programmpunkt stand ein Stück von Johann Sebastian Bach auf dem Programmblatt. Toccata in F-Dur für Orgel, gespielt von Christoph Mehner. Die auf der Westempore stehende Orgel wurde dort im Jahre 1906 bis 1907 erstellt und 2006 restauriert. Sie ist ein besonderes Schmuckstück und thront über dem Eingangsbereich des Kirchenschiffs. Beim Blick zurück und hoch auf die Empore kann man sehen, wie sich die Lichtstrahlen, die durch die prachtvoll verzierten Fenster fallen, in den Orgelpfeifen brechen und schimmern. Johann Sebastian Bach hätte sicher eine große Freude gehabt, hätte er sein musikalisches Kunstwerk in dieser Kirche hören können. Diese Freude hätte er sicher auch für das Instrument empfunden, auf dem es gespielt wurde. Christoph Mehner, seines Zeichens Bach-Preisträger verstand es glänzend, das Kirchenschiff mit den wuchtigen Tonfolgen und dem virtuosen Dahingleiten der Töne von Johann Sebastian Bachs Toccata zu füllen. Wundervoll, wie seine fliegenden Finger und tanzenden Füße, dem Instrument die Gelegenheit gaben, zu zeigen welche Möglichkeiten in diesem Kunstwerk aus Holz, Metall und Leder stecken. Ein wahrer Genuss, die Schwingungen der Töne hören und auch spüren zu dürfen. Ich musste nach dem Stück erst einmal tief durchatmen bevor ich im Stande war Applaus zu spenden, so beeindruckte mich die Kraft und Fülle der Klänge.
Anschließend betraten erneut die Streicher den Altarraum, begleitet von Christoph Mehner, der sich an das Cembalo setzte und Bernd Bartels der Solotrompeter des MDR-Sinfonieorchesters Leibzig. Gespielt wurden mehrere Sätze aus Georg Friedrich Händels Wassermusik in D-Dur. Händel schrieb diese Musik zur musikalischen Begleitung auf den Wasserfahrten des englischen Königs Georg I. Die Streicher stimmten die Zuhörer langsam auf die Wasserfahrt der Themse entlang ein und schon ging es los, auf die akustische Reise. Die wohlklingenden Klänge des Cembalo versetzten den Zuhörer in die Zeit, als 1717 diese musikalische Wasserfahrt stattfand. Dann trat Bernd Bartels mit seiner kleinen Bachtrompete einige Schritte vor die Streicher und zauberte ein wahres akustisches Wunder hervor. Die Klarheit der Klänge der Perfektion in Tonlänge und Taktgefühl kann man gar nicht in Worte fassen... Der staunende Zuhörer kann sich nur fragen, wie es möglich ist mit den Lippen diese Fülle von Tönen und Tonfolgen aus dieser Trompete zu erzeugen. Fast spielerisch ohne sichtbare Anstrengung blies er in die blitzende kleine Trompete. Völlig entspannt und locker vor dem Publikum stehend. Man hörte schier, wie sich die Töne über der imaginären Wasseroberfläche der Themse auf das Ufer verteilten und vom Kommen des Königs berichteten. Immer wieder unterstützt von den Streichern und den Wohlklängen des Cembalo. Eine Musik, die eines Königs würdig war und ist.
Dafür blieb den Zuhörern nach dem Ende des letzten Satzes kurz die Luft weg, denn wieder war er da, dieser kurze Moment völliger Stille, bevor dieser von tosendem Applaus abgelöst wurde.
Der nächste Programmpunkt passte perfekt zur Wetterlage, die wenige Tage vor dem Konzert herrschte. Ein schweres Sommergewitter überzog die Gegend um die Kirche St. Ulrich. Was wäre da passender gewesen, wie das Violinkonzert aus "Die vier Jahreszeiten" von Antonio Vivaldi. Die Streicher und das Cembalo stimmten die Zuhörer in die Atmosphäre einer Sommerlandschaft ein. Die wallenden Getreidefelder und das langsame Ziehen der Wolken über die sommerlichen Wiesen und Felder . Die Geige von Professor Hartmann, sowie auch die Violine, Viola, Cembalo und Violoncello trugen das Publikum über die Landschaft und gestalteten mit phantastischen Tönen ein aufziehendes Gewitter in dem Kirchenschiff. Genial wie Professor Hartman die Spannung vor dem großen Gewitterschlag heraufbeschwor und seinen Geigenbogen, in nicht mehr verfolgbaren Bewegungen über die Saiten zog. Sein Arm zuckte in atemberaubendem Tempo hin und her. Man hatte das Gefühl, er hätte sich samt seiner Geige bereits vom Boden abgehoben und schwebte schwerelos in der spannungsgeladenen Luft. Getragen von den Klängen des donnernden Kontrabass und dem Violoncello, das akustisch den Wind und das entfernte Donnergrollen lieferte und Professor Hartmann damit scheinbar dem Einfluss der Schwerkraft entzog. Violine und Viola sorgten zusätzlich für die akustische Atmosphäre von säuselndem Wind, das Cembalo für das Surren der Fliegen, dessen Klang den Raum erfüllte. Ohne Vorwarnung ließ Professor Hartmann das Unwetter zuschlagen, ganz so wie es auch im richtigen Leben vorkommt. Presto und Adagio, Piano und Forte wechselten sich während des Stückes ab. Bis das Gewitter vorbei war und Ruhe einkehrte, sich die Spannung abgebaut hatte und alles bedächtig der Stille lauscht. Der Adrenalinspiegel der Zuhörer sinkt wieder und so manchem entgleitet am Ende des Stückes ein tiefer Seufzer...
Die Zuschauer schauen sich gegenseitig einige Sekunden mit großen Augen an und klatschen dann frenetisch Beifall. So etwas Wunderbares erleben zu dürfen, ist ein besonderer Höhepunkt für die akustische und visuelle Schatzkiste im Laufe eines Lebens.
Falls es zu diesem Zeitpunkt im Kirchenschiff jemanden gegeben hatte, der dachte es gäbe keine Steigerung für diese Darbietung, der musste sich kurz darauf eines Besseren belehren lassen.
Zum Ende des Konzerts hatte Professor Hartmann ein besonderes musikalisches Filetstück vorgesehen. Die Kantate BWV51 "Jauchzet Gott in allen Landen" von Johann Sebastian Bach. Ein wunderschönes Stück der Musikgeschichte, in dem alle anwesenden Künstler des Leibziger Sinfonieorchesters zum Einsatz kamen. Aber nicht nur das..... Johann Sebastian Bach hatte diese Solokantate für Sopran geschrieben und diese Stimme wurde von Akiho Tsujii gesungen. Als sie den Altarraum voller Anmut betrat wogte ein Lächeln durch die Zuhörermenge. Nein... betrat ist das falsche Wort. Sie "erschien" in einem wundervoll eleganten hellen Kleid, das ihre zierliche Figur noch mehr betonte. Ihr engelhaftes Gesicht war von einem magischen Lächeln und strahlenden Augen geschmückt. In nur wenigen Sekunden ihrer Anwesenheit hatte sie das Publikum in ihren Bann gezogen. Etwas im Hintergrund hatte sich Bernd Bartels mit seiner Solotrompete positioniert und Christoph Mehner zwischen den Streichern am Cembalo Platz genommen. Das Werk, das zum Jubel und Lobpreis Gottes geschrieben war konnte begonnen werden.
Ein weiteres Mal konnten die Streicher ihr virtuoses Können darbieten. Die fliegenden Finger am Cembalo und der anmutig dahinfließende Bogen, der kunstvoll die Saiten zur Schwingung brachte. Die Solotrompete die mit einzigartiger Reinheit der Töne das Kirchenschiff flutete. Und als absoluten Höhepunkt die Stimme von Akiho Tsujii, welche die Ohren der staunenden Zuhörer liebkoste. Wie kann diese wunderschöne zierliche kleine Frau nur solche phantastischen Töne in diesem Klangvolumen von sich geben.... Die Eleganz in Person stand sie da, das Liederbuch vor sich haltend im Altarbereich und zog alle Blicke der Konzertbesucher auf sich. Immer mehr, schwoll die Fülle der Klänge an, um den Anspruch des Stückes zum Jubel und Lobpreis Gottes gerecht zu werden. Der Text des Stückes endete schließlich mit einem langgezogenen "Alleluja" Ein wahrlich perfektes Wort für das Ende dieses Stückes.
Obwohl sich eigentlich jeder weitere Ton, Klang oder Geräusch nach dem Ende des Stückes verbat, erhoben sie die beeindruckten Zuhörer um den wohlverdienten Applaus zu spenden. Es hatte sie einfach nicht mehr auf den Bänken gehalten und der Wunsch des Dankes für diesen außerordentlichen Musikgenuss konnte den Musikern nur in Form von stehendem Applaus erfüllt werden. Immer wieder brandete der Applaus auf und wollte nicht abreißen. Obwohl die Musiker und Akiho Tsujii noch eine lange Reise vor sich hatten, waren sie bereit eine Zugabe zu spielen und zu singen. Den Zuhörern konnte der schwere Abschied somit etwas erleichtert werden. Damit war zwar das Konzert beendet..... aber vergessen.... werden sie dieses Konzert nie, denn.... wo die verschiedensten Arten von Kunst an einer Stelle in ihrer höchsten Vollendung vorhanden sind, wachsen der Phantasie Flügel.
Wie schrieb doch Johann Sebastian Bach in einer der Textpassagen?
Jauchzet Gott in allen Landen!
Was der Himmel und die Welt,
an Geschöpfen in sich hält.
Müssen dessen Ruhm erhöhen,
und wir wollen unserm Gott,
gleichfalls jetzt ein Opfer bringen,
dass er uns in Kreuz und Not,
allzeit hat beigestanden.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.08.2017.
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