Dann ertönte mein Name, und ich lief durch den langen Korridor ins Flugzeug. Links first class und ich ging rechts. Sitzreihe hinter Sitzreihe, zehn Plätze in jeder, natürlich eng aufeinander folgend. Zwei Gänge durchteilten die Reihen vom Bug bis zum Heck. Die Menschen hatten es sich bereits bequem gemacht, und ich schaute ihnen, von Bug aus kommend, entgegen, und fand dann ziemlich hinten meinen Luxusfensterplatz, A 38. Die Maschine war modern mit Fernseher, Videoausstattung, passenden Kopfhörern, Kommode, Tisch, Kopfkissen, Decken. Es war eine Maschine mit sämtlichen Pipapos. Mehr Beinfreiheit, breitere Sitze und mehr Abstand zum Nebenmann, das hätte ich mir gewünscht. „First class? Ja, vielleicht beim nächsten Flug“, überlegte ich.
Endlich war es soweit. Die Luken wurden geschlossen. Die Maschine rollte zur Startbahn, währenddessen erfolgte die Begrüßung durch eine Stewardess in portugiesisch, englisch und deutsch.
Diverse Anweisungen, für die Sicherheit, gab es per Monitor.
Das Flugzeug rollte immer schneller, und nach kurzer Zeit schon verlor es die Bodenhaftung, und hob in leichter Schräglage ab. Ich dachte nur: „Rausgucken und gleichmäßig durchatmen.“
Wir, die Menschen, wurden in die Sitze gedrückt. Momente später hatten wir die gewünschte Flughöhe erreicht. Ich sah Frankfurt und Umgebung zum ersten Mal aus der Vogelperspektive bei Nacht. Phantastisch!
Die Lichter am Boden deuteten auf das pulsierende Leben hin. „Mein Gott, wie wunderbar! Technik für den Frieden! Wozu ist der Mensch fähig!?“...
Dann auf einmal ertönte der Gong. Das hieß: „Anschnallen!“ Es wurde unangenehm.
Ich rief in Gedanken meinen Schutzengel. Er solle doch das Wetter beeinflussen, so daß wir wieder ruhiger weiterfliegen konnten. Schon nach kurzer Zeit kam die Entwarnung, durch einen weiteren Gongschlag. Ich dachte: „Mein Engel war da…“
Ich wollte schlafen, doch das war in der Enge nicht so einfach, für mich. Neben mir saß ein etwa zwanzig jähriger Engländer, der mit seiner Mutter reiste. Er lehnte sich an die mittlere Ohrlehne und schien zu schlafen. Ich sagte in Gedanken zu mir: „Was Du kannst, das kann ich auch.“
Ich lehnte mich ebenfalls an. Schon nach kurze Zeit erfolgte Hautkontakt. Ich dachte: „Wenn es ihm unangenehm wäre, würde er sich zu seiner Mutter wenden.“
Aber nein, er behielt seine Position, und so schlief auch ich immer wieder ein, manchmal sogar recht tief.
Die Stunden im Flugzeug schienen zu verfliegen. Am Freitag, den 8.07.2005, gegen 6 Uhr morgens, geleiteten wir durch den Luftraum von Rio de Janeiro. Die Menschen in der Maschine wurden mit einem Mal unruhig, und ich schaute voller Neugier aus meiner Luke. Rio bei Nacht! Genial! Jede Menge Lichter am Boden. Mal sah ich sie geordnet, mal als Lichterchaos, mal waren sie hell weißlich, mal bunt. Minuten später erfolgte die Landung. Die Leute in der Maschine applaudierten, zum Dank. Das Auschecken erfolgte zügig. Der Paßkontrolleur schaute mir tief und lange, mit ernster Mimik, in die Augen. Dann strahlte er einige Sekunde übers ganze Gesicht, und ich dachte: „Was war das denn?“ Oh, er schaut in meine blauen Augen. Hatte er solche noch nicht gesehen?...
Schnell faßte ich mich. Ich mußte zum Anschlußflieger nach Belo Horizonte. Erneutes Einchecken war angesagt, und wieder langes Warten. Ich setzte mich mit meinen Sachen in die riesige Wartehalle. Es dauerte nicht lange, da hatte ich ungewollt einen männlichen Fanclub, der mir heiße Blicke zuwarf. Ich beobachtete die Männer dezent, hielt meine Sachen zusammen und versuchte jeden Blickkontakt zu vermeiden.
Endlich war es dann soweit. Eine Lautsprecherdurchsage, natürlich in brasilianisch, brachte Unruhe. Ich war aufgeschmissen, weil ich nichts verstand. Ein Mann beobachtete mich wohl, und sprach mich auf Englisch an. Er erklärte mir, daß der Abflug nach Belo Horizonte nicht vom geplanten Gate 30 abging, sondern von Gate 23. Ich spurtete, denn die Maschine, circa für achtzig Personen gedacht, sollte gleich abheben. Während ich mich auf den Weg machte, dachte ich: „Wie gut sind doch "Verehrer"!“
Meinen Sitzplatz fand ich gleich vorne links, innen.
Alle Passagiere hatten Platz genommen, und im letztem Augenblick kamen noch zwei Herren. Den einen erkannte ich sofort, denn es war der nette Herr, der mich angesprochen hatte. Beide Männer setzten sich zu mir, und der unbekannte Mann bot mir gleich einen Teil seiner Zeitung an, mit der Frage: „Do you speak português?“
Ich erklärte, daß ich die Sprache lernen würde. Wir unterhielten uns dann in Englisch, über dies und das. Mein „Verehrer“ aus der Wartehalle in Rio schien politisch interessiert, denn ich konnte die Schlagzeilen auf Portugiesisch lesen. Ich fragte ihn, ob er glauben würde, daß Bin Laden hinter dem Terrorakt in London stecken würde. Er bejate, und das Gespräch ging dann in Englisch weiter. Später unterhielt ich mich mit einer schwangeren Frau, einer Stewardess in einem Gemisch von Englisch und Portugiesisch. Ich bemerkte die Ausstrahlung der Frauen, und war recht angetan. Sie hatten eine andere Art. Sie redeten sehr emotional, und schauten einander ständig in die Augen. Ich spürte eine große Herzlichkeit und Spiritualität.
Als ich dann die Stadt Belo Horizonte, vom Innenraum aus, durch die Luke sehen konnte, bot mir mein Nachbar seinen Fensterplatz an. Ich tauschte gleich, und staunte über die großflächige, riesige Stadt voller Wolkenkratzer.
Nach dem Auschecken fuhr ich dann etwas später, mit dem Taxi, zum Hotel. Dort fiel ich, nach der Anmeldung und nach dem Duschen, vollkommen erschöpft, circa 13 Uhr, ins Bett.
Als ich total fix und fertig im Bett lag, fragte ich mich: „Warum machst du das alles?“
(Kleiner Hinweis: Die Vornamen habe ich geändert)
Anna Elisabeth Hahne
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.08.2017.
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