Anna Elisabeth Hahne

4. Aus meinem Brasilien- Tagebuch, 10.07.2005

Draußen war es heute ruhiger, und ich wollte diesen Tag langsamer angehen lassen. Nach dem Frühstück folgten die Tagebuchaufzeichnungen.

Ein kleiner Spaziergang, im Winter bei 20° C, zeigte mir den Temperaturgegensatz zu uns, in Europa.

Alte und junge Menschen, sprich Kinder, hatte ich bisher noch nicht gesehen. Jetzt sah ich Jugendliche, junge Erwachsene in Gruppen auf den Straßen. Sie hörten laute Musik, während kleine Jungen selbstgebastelte Drachen steigen ließen. Die Kinder bewegten sich beim Drachensteigen so selbstverständlich auf der Straße, als wenn es ihr Recht wäre dort zu sein. Sie hatten keine Angst, vor vorbei rasenden Autos. Sie achteten überhaupt nicht auf sie. Auch die löchrigen, unebenen Straßen schienen ihnen nichts auszumachen. Nein, die strahlenden Gesichter der Kinder fielen mir sofort auf. Wahrscheinlich konnten die Drachenpiloten um sich herum die Welt vergessen. Als ich mich ihnen näherte, schauten sie mich an, lachten mir zu und präsentierten, voller Stolz, ihre Drachen.

Beim Weitergehen achtete ich auf die Geschäfte. Sie waren geschlossen.

Zuerst überlegte ich einen größeren Spaziergang zu machen. Die Seitenstraße, die ich gehen wollte, schien mir nicht sicher. Einige Menschen tummelten sich vor einem total heruntergekommenem Haus. „Nein“, sagte meine innere Stimme, „da mußt du nicht durch“. Ich kehrte um, und ging den selben Weg, was ich sonst sehr selten praktizierte, zurück. Mir fielen die phantastischen Bäume, die in die Bürgersteige gepflanzt waren, auf. Einzigartig! Bäume mit großen, roten Blüten, auch anders farbigen. So etwas hatte ich zuvor, selbst auf Bildern, noch nicht gesehen. Die Bäume standen sicherlich schon länger an ihren Stellen, aber ich konnte ihr Alter nicht annähernd schätzen. Dann sah ich wunderschöne Oleanderbüsche, die mir vertraut waren. Nach dem Gebiet der Siedlungsbebauung, das ich durchquerte, kam ein Stück Naturwildnis. Pflanzen sah ich, die mir fremd waren, und dann sah ich mittendrin ein riesiges Feuer. Von ihm ging ein wahnsinnig stinkender Geruch aus, und der dunkelgraue, starke Qualm zog in sämtliche Straßen. Zum Glück bekam ich nur wenig ab, da der Wind ihn in die entgegengesetzte Himmelsrichtung wehte. Papier, Pappe, Plastik, Metalldosen, Gummireifen, eben alles mögliche, was man sich vorstellen konnte, sah ich. Jetzt verstand ich auch, wo dieser seltsame Nebel und meine Halsschmerzen, die ich vorher schon bemerkte, herkamen. Ich lief zügig zum Hotel zurück, währenddessen die Dämmerung anfing. Gegen 18 Uhr war es stockdunkel, nur die Straßenlaternen gaben ein wenig Licht. Das Lärmen war wieder zu hören. Am Schlimmsten war der Autolärm, die quietschenden Reifen, das Gehupe und das wiederholte extra Gasgeben. Wir wissen ja alle, daß gerade die Autobesitzer hier in Brasilien einen sehr hohen Stellenwert haben. Das Auto steht für Prestige, Freiheit, materielles Gut. Ich empfand es hier noch stärker, als bei uns. Und wieder fuhr ein Polizeiauto mit heulender Sirene, am Haus, vorbei. Ich nehme mal an, daß die Polizisten hier noch größeren Herausforderungen gewachsen sein müssen, als bei uns in Deutschland. Doch diese Männer sind mit diesem Chaos aufgewachsen, empfinden es wohl nicht als so schlimm, oder es gar als normal.

Den Abend verbrachte ich mit Lesen und Fernsehgucken.

Fazit: Wenn ich als Ausländerin die Sprache im Land nicht beherrsche, bin ich ganz schön einsam.


Anna Elisabeth Hahne

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