Peter Kröger

Wählen

 

 

Wenn ich könnte, würde ich wählen, denke ich. Schuster, wie Bernhard ein Freund aus alten Tagen, hat seine Wahl getroffen und wohnt jetzt in Emden, nachdem er volle dreiunddreißig Jahre als sogenannter Lebenskünstler in Oldenburg und davor einundzwanzig Jahre in Rotenburg gewohnt hat und zwar links neben der Molkerei, während ich rechts neben der Molkerei wohnte und mich von drei schönen, zupackenden Damen zunächst nach Visselhövede (Ann, rehäugig), dann nach Bötersen (Grit, hausbacken) und schließlich nach Fintel (Dörte, wölfisch) locken ließ. Auch Fintel werde ich nun verlassen müssen, weil Bernhard aus Mulmshorn unerwartet meinen Platz bei Dörte eingenommen hat und mir zwei Tage bleiben, um zu verschwinden, wie Dörte sagte. Lieber bliebe ich, das sage ich gleich, aber der Traum ist ausgeträumt, und Bernhard, der vor Mulmshorn in Clünder wohnte und dies als Abstieg empfand, brennt darauf, in Fintel endlich anzukommen und zwar voll und ganz und ohne Abstriche. Der Abstrich bin ich, ich habe verstanden, weshalb ich mich mindestens achtzig Kilometer, besser sogar einhundert Kilometer oder mehr von Fintel entfernen sollte, allerdings dieses Mal ohne einen Damen-Lockruf, sondern aufgrund ureigener Wunschbarkeiten und Erwägungen. Gestern habe ich Schuster angerufen und die Möglichkeiten erörtert, die in einem Neuanfang stecken. In diesem Zusammenhang kamen wir auf Emden zu sprechen, und zu meiner Überraschung entpuppte sich Schuster als glühender Emdenbewunderer, Emden, so Schuster, sei die Stadt seiner Wahl, eine hübsche Ergänzung zu Oldenburg, von Fintel aus betrachtet sogar ein Muss, in Emden gäbe es ehrbare Damen en masse, und herrliche Ausflüge, beispielsweise mit der Fähre über die Ems nach Ditzum, seien jederzeit möglich. Ich solle, so Schuster, mich augenblicklich nach Emden aufmachen. Ann, Grit, Dörte, und wie sie alle hießen, damit sei Schluss, Visselhövede, Bötersen, Fintel, Vergangenheit. Nach all den Jahren aber wären wir endlich wieder vereint und am Zuge. Selbst Bernhard käme noch, über kurz oder lang, ich werde sehen. Zeiten des Umbruchs fordern entschlossenes Handeln, sagte er am Telefon, und ich notierte den Satz auf einem Umzugkarton. Doch es ist zu spät für Emden. Keine fünfzig Meter von der Molkerei in Rotenburg entfernt werde ich eine Wohnung beziehen und mein letztes Quartier nehmen. Schuster wird mich besuchen. Er wird kommen. Wenn nicht, fahre ich nach Emden und töte ihn.

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