Och neee, nicht schon wieder! Dieser vermaledeite Kater, wenn ich den erwische.. da hat er
nun ein ganzes Dorf, wo er sein Unwesen treiben kann, doch wo macht er sein Geschäft? In
meinem liebevoll gehegten und gepflegten Rosenbeet. Diese edlen Blumen hatte noch meine
Großmutter gezogen, und vielleicht sollte ich einen Stacheldrahtzaun rund um das Beet ziehen.
Der Stamm meines Apfelbaumes, den ich selbst bei meinem Einzug gepflanzt hebe, und der
eine besonders wohlschmeckende Sorte sein soll, ist schon völlig zerfetzt und mein Hauseingang
stinkt nach Katzentoilette, mal abgesehen von den toten Mäusen und Vögeln, die ab und zu fein
säuberlich aufgereiht auf meiner Fußmatte liegen.
Ich habe schon ein beachtliches Sortiment an Duft –und Abwehrmittel durch probiert, doch
nichts hilft auf Dauer den kleinen Störenfried fernzuhalten. Ich glaube, er will mich ärgern oder auch
von hier vertreiben, was weiß ich? Manchmal sehe ich ihn, wie er mich aus einem Baum heraus
beobachtet.
Er ist ein hübsches Tier, rotes Fell, etwas zerzaust, mit weißem Lätzchen und 4 weißen
Pfoten. Er sieht nicht gerade wohlgenährt aus, ist aber auch nicht zu dünn. Seit ca. 4 Monaten strolcht
er hier durch die Gegend, immer mit gebührendem Abstand zu mir. Oft hebe ich drohend die Faust
und schimpfe mit ihm, doch er scheint nicht wirklich beeindruckt davon. Wenn ich nur wüsste wohin
dieser Kater gehört. Die Leute, die ich gefragt habe, kennen ihn auch nicht, und bei ihnen richtet er
auch keinen Schaden an. Völlig klar, der mag mich nicht.
Nachdem ich mal wieder das Rosenbeet gereinigt und 2 tote Mäuse entsorgt hatte, machte
ich mich zu einem ausgedehnten Spaziergang auf. Ich liebte es durch den Wald bis zum alten
Steinbruch zu gehen. Von dort hatte ich einen herrlichen Blick auf das weite Land.
Vor 1 1/2 Jahren habe ich dieses kleine Häuschen von meiner Großmutter geerbt.
Nach einigen kleineren Reparaturen und neuen Tapeten und Farben, fühlte ich mich so richtig
zu Hause. Der Garten war meine ganze Freude, und mein Job lies es zu, dass ich größtenteils
von zu Hause aus arbeiten konnte.
Ich saß unter einem Baum am Rand des Steinbruchs und genoss die himmlische Ruhe, fernab
vom Gewühl der Großstadt. Ich geriet ins Träumen und als der Wind auffrischte waren 2 Stunden
vergangen. Es wurde langsam Zeit mich auf den Heimweg zu machen, also stand ich auf, reckte und
streckte mich und trat einen Schritt zur Seite. Ein lautes Knacken durchbrach die Stille, ein Schrei, und
dann flog etwas Rotes so dicht an meinem Gesicht vorbei, dass ich den Kopf zurückriss, gegen den
Baum knallte und dann wurde es dunkel.
Als ich die Augen aufschlug war es immer noch dunkel, oder schon wieder?
Au, was tat mir der Kopf weh. Nun wollte ich mich hochrappeln, da merkte ich, dass etwas auf
meinem Gesicht lag, ein Stück Stoff – blau. Ich schaute genauer hin, das war doch meine Jacke,
komisch…
Als ich endlich stand – die Perspektive nahm sich eigenartig aus – lag meine Jacke immer noch
am Boden und ich auch, das heisst mein Körper, denn ich stand ja schon, und zwar auf 4 Beinen.
Der Schreck fuhr mir durch eben Diese, und ich plumpste wieder hin. Ich muss ziemlich
verdaddert aus der Wäsche geschaut haben, ach nein – aus dem Fell. Das gibt’s doch nicht, da
steckte ich doch in diesem vermaledeiten Kater und der Kater in mir, hoffte ich jedenfalls,
denn wenn nicht – oh je, gut, jetzt nicht dran denken…
Ich schaute mich neugierig um und stellte fest, dass ich auf einmal selbst ohne Brille viel
besser sehen konnte, auch wenn alles riesengroß war. Auch hörte ich Geräusche, die eigentlich
zu weit weg sind um sie hören zu können, doch ich hörte sie. Dann fiel mein Blick wieder auf meinen
Körper und ich stupste ihn an.
„He du, aufwachen, wir müssen hier weg bevor es ganz dunkel ist, und dann bist du mir eine
Erklärung schuldig.“ Er rührte sich und setzte sich auf, es scheint, als hätte er mich verstanden,
jedenfalls stand er nach einer Weile umständlich auf und ging mit unsicheren Schritten vor mir her..
Oh je, gehe ich wirklich so unelegant? Da muss ich unbedingt dran arbeiten, na ja, sollte ich jemals
wieder in den Genuss meines eigenen Körpers kommen. „Sag was“ knurrte ich ihn an.
„Was soll ich denn jetzt sagen?“ kam die klägliche Antwort. Wir konnten uns verstehen, das war doch
schon mal ein Anfang. Alles andere würde sich hoffentlich finden. Ich hatte eine Menge Fragen. Der
Weg durch den Wald war schon recht dunkel, doch ich konnte alles prima sehen. Er aber schwankte
hin und her und stolperte ständig. Kein Wunder, fehlten ihm doch jetzt 2 Beine und meine Augen
können nun mal im Halbdunkel kaum was sehen. Na, wenn das mal gutging.
Zu Hause gingen wir durch die Hintertür, die ich zum Glück offen gelassen hatte. Mir stieg
der Geruch von Katzenklo in die Nase, und auch in seinem Körper konnte ich mich nicht damit
anfreunden. Im Haus dagegen roch es noch immer nach meinem leckeren Mittagessen und ich
merkte, dass ich einen Riesenhunger hatte. Er wahrscheinlich auch, denn es war schon recht spät.
Den Rest vom Mittagessen aßen wir kalt und direkt aus dem Topf, an den Herd wollte ich ihn nicht
lassen. Mit diesen Katzenpfoten konnte ich selbst nicht viel anfangen und zum Erklären hatte ich
keine Lust. Er aß auch mit den Fingern – mit meinen Fingern, igitt, die waren bestimmt nicht mehr
sauber. Später dirigierte ich ihn ins Wohnzimmer auf die Couch, sprang auf meinen Lieblingssessel
und sagte: “Schieß los, was soll das Ganze? Warum ärgerst du mich dauernd? Mein Rosenbeet und
der Hauseingang sind kein Katzenklo und das tote Getier brauche ich auch nicht. Warum machst
du das?“ Er schaute mich an und lächelte.
„Endlich“, sagte er mit einem erleichterten Seufzer. Dann schwieg er wieder selig lächelnd.
„He, nicht einschlafen, ich warte..“
„Endlich, sagte er wieder, endlich kann ich es dir sagen, das habe ich mir so sehr gewünscht.“
Er rutschte auf dem Sofa hin und her, bis er endlich richtig saß, holte tief Luft und sagte:
“Also, der Geruch den ich hinterlasse ist mein Namenschild, damit meine Artgenossen wissen,
dass das mein Revier ist, und das Getier, wie du dich ausdrückst, sind Geschenke.
Entschuldige, ich wusste nicht, dass du sie nicht magst.“
„Aber warum gerade ich? Hier wohnen so viele Leute, die hätten dich gerne aufgenommen.“
Er lächelte wieder und sprach dann weiter.
„Vor 18 Vollmonden wurde ich in einer Tierarztpraxis geboren. Meine Mutter war sehr schwach
und die Menschen dort haben mich mit der Flasche aufgezogen. Ich hatte noch eine Schwester, aber
sie hat es leider nicht geschafft. Als ich 6 Wochen alt war, erzählte mir meine Mutter wie sie dort
hinkam.“ „Weist du wo das war?“ fragte ich, ohne jedoch eine Antwort zu erwarten.
„Nein, wo das war weiß ich nicht, aber die Menschen sprachen etwas anders als hier.“
Ich konnte mir keinen Reim darauf machen was er meinte und sagte nur kurz: “Weiter!“
„Also, meine Mutter war auf dem Weg sich einen guten Platz zu suchen, denn unsere Geburt
stand bevor. Sie lief am Rand einer Landstraße, und irgendwie hat sie wohl nicht aufgepasst,
jedenfalls hat ein Auto sie erwischt und an den Straßenrand geschleudert, wo sie schwer verletzt
liegen blieb. Viele Autos fuhren vorbei, doch niemand achtete auf ihre ausgestreckte Pfote. Es wurde
dunkel, sie hatte Schmerzen und als sie die Hoffnung schon aufgegeben wollte hielt doch ein Wagen
an.“ In meinem Kopf gingen sämtliche Schubladen auf, und in einer ganz tief unten leuchtete das
schwache Licht einer fernen Erinnerung auf.
„ Der Fahrer sprach meine Mutter an, tastete sie vorsichtig ab, hob sie auf seine Arme und legte sie
neben sich in sein Auto. Die ganze Fahrt über sprach er liebevoll zu ihr, dann brachte er sie zu einem
Tierarzt, gab diesem Geld und bat ihn: „ Bitte helfen sie ihr.“
Und das tat er. Als es meiner Mutter besser ging, ihr Name war übrigens Lilly und sie war
wunderschön, hat sie mir von diesem Menschen erzählt und gesagt, ich solle zu ihm gehen. Sie hat ihn
ganz genau beschrieben, sogar seinen Geruch. Sie hat mir den Weg erklärt, die Landschaft
beschrieben, die Himmelsrichtung und den Stand von Sonne und Mond, einige
markante Punkte, Geräusche und Gerüche genannt. Sie hat mir alle Gefahren aufgezählt und
Orte die ich meiden sollte. Als ich 5 Monate alt war rief sie mich zu sich und sagte: Rasmus, es ist Zeit,
du musst gehen. Dann starb sie und ich machte mich auf einen langen und ungewissen Weg – zu dir.“
„Aber“ stotterte ich, „es sind über 600 km und du warst noch nicht mal geboren. Wie konntest du
mich nur finden und warum hast Du mich überhaupt gesucht?“
„Ich soll dir von meiner Mutter Danke sagen, und ich wollte den Menschen kennenlernen, dem
ich mein Leben verdanke.“
Wir redeten noch eine Weile und gingen dann schlafen. Als ich am Morgen wach wurde, lag
neben mir ein rotes schnurrendes Fellbündel und schaute mich aus großen gelben Augen an.
Ich lächelte, kraulte ihm den Kopf und meinte: “Willkommen zu Hause, Rasmus.“
© Petra Zeugner-Schünke 2014
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.10.2017.
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