Der selbsternannte ‘Professor’ Ingmar Querinius (IQ) lehrt im kleinen Saal des Restaurants Zum Roten Ochsen volksnahe Philosophie. Mit seinen tollkühnen Thesen ist er der seriösen Wissenschaft natürlich ein Dorn im Auge. Da er aber vor philosophisch weitgehend unbelastetem Publikum liest, bleibt er von bösen öffentlichen Kritiken meist verschont.
Hauptberuflich ist IQ ein Trödler. Nein, er gehört nicht zur langsamen Truppe, er betreibt einen Trödelladen in der unteren Bahnhofstrasse. Hübsche Kleidungsstücke bietet er dort feil: Lahme Socken, rote Socken, Stinkstiefel, Tarnkappen, Spendierhosen, Geizkragen, Schlafmützen, dazu jede Menge alte Hüte. Einmal im Monat offeriert IQ 'Mäntel des Schweigens' zum Schnäppchenpreis.
Das heutige Thema aus der im Titel erwähnten Vortragsserie lautet: Wer stellt sich was wo wie vor?Also spricht zwar nicht Zarathustra, doch ein fast genau so genialer IQ:
"Die primäre und zugleich vornehmste Aufgabe des Philosophen ist es, seinem Schüler die Angst vor der Philosophie schmackhaft zu machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute möchte ich Sie bitten, mich ein paar Schritte weit in die menschliche, allzu menschliche Vorstellungswelt zu begleiten und mir zu gestatten, unsere Betrachtung anhand einiger simpler Exempla zu illustrieren. Stellen Sie sich eine Schnecke vor, meine sehr verehrten Damen, meine Herren - der junge Mann im blauen Pullover in der vorletzten Reihe, ja, Sie haben richtig gehört, eine Schnecke! Beim Betreten der Bäckerei werden Sie den Terminus Schnecke mit einem ebenso süssen wie wohlschmeckenden Gebäck assoziieren, beim Betreten des Gartens, namentlich des eigenen, den Wunsch einer zwingenden Schädlingsbekämpfung verspüren, beim Verzehren frischen Salats hin und wieder behutsam blattwendend ankämpfen gegen urgeprägtes Ekelgefühl. Hierbei ist es durchaus von Bedeutung, ob es sich um behauste oder unbehauste Individuen dieser trägen Weichtierspezies handelt, lösen doch besonders die Nacktschnecken -" Zwischenruf aus der ersten Reihe: "Igitt!" "- von vornherein ein gewisses Unbehagen aus. Was haben aber nun die Schnecke als Gebäck und die Schnecke als Tierspezies gemeinsam, meine Damen und Herren? Richtig! Sie sind klebrig." Den unqualifizierten Zwischenruf "Schleimer!" bemüht sich der Redner überhört zu haben und fährt fort: "Gebäck und behauste Schnecke zeigen überdies eine Windung ..."
Wir überspringen die folgenden 23 Seiten der paraprofessoralen Vorlage und schalten uns in die Präsentation weiterer Schneckenkategorien ein.
"Der Mechaniker mag das Schneckengetriebe von Apparaturen vor Augen haben. Kaum jemand unter Ihnen, meine Damen und Herren, denkt wohl an die Hörschnecke des Innenohrs.
Nun, meine Damen und Herrn, der Sinn der Dinge liegt in uns. Ein Ding ist das, was wir aus ihm machen. Alles ist die Konkretisierung einer zunächst aphysischen, in unserer Vorstellungswelt waltenden schemenhaften Grundgestalt, so wie die Schnecke, das Helikoid. Doch was ist schliesslich der Mensch? Was das eigene Ich? Wir sind, weil wir leben, oder, anders formuliert, wir leben, weil wir sind. Da wir also sind, leben wir, und da wir leben, sind wir wer. Doch wer sind wir?"
Erschrocken blickt IQ auf seine vergoldete Taschenuhr und spricht: "Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Tut mir leid, aber der Saal ist schon seit drei Minuten für den Kegelclub Alle Neune reserviert, die haben heute ihre Geschäftssitzung. Die Fortsetzung meines Vortrags findet am nächsten Dienstag zur gewohnten Zeit statt."
"Hätte ich nicht hier gesessen, hätte ich zu Hause stricken können", spricht eine Zuhörerin mit roter Strickjacke so für sich hin, nachdem sie sich brav in die Schar der heftig Applaudierenden eingereiht hat.
"Das sind doch alles halbe Sachen. Sind wir nicht das, was andere aus uns machen?" philosophiert der junge Mann im blauen Pullover, noch immer in der vorletzten Reihe sitzend, als sich alle anderen schon erhoben haben und dem Notausgang zustreben, da der Kegelclub den Hauptausgang besetzt hält.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.10.2017.
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Invulatus
von Beate Puls
Anna, ein Findelkind, das mit viel Liebe von ihren Eltern aufgezogen wurde, wusste immer, dass sie anders war. Hunde und Katzen nahmen reißaus, wenn sie in der Nähe war. Sie erfreute sich nicht sonderlich vieler Freunde. Ihr ganzes Leben war sie auf der Suche nach sich selbst. Sie meinte die Bösen als Sanitäterin im Strafvollzug zu kennen. Frederick, ein neuer geheimnisvoller Vollzugsteilnehmer zeigt der jungen Frau, was sie für ein Wesen ist. Ein jagendes Wesen der Nacht, dazu da, um Vampiren und Werwölfen das Handwerk zu legen. Den bösen und abartigen Dämonen der Nacht Einhalt zu gebieten. Doch sollte sie das Wagnis eingehen?
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