Klaus-Peter Behrens

Der Kater und sein Magier, 21

– 9 –

 

Die Straße nach Schrottingham wurde mit jeder Meile, die wir zurücklegten, belebter.

„Markttag“, erklärte Hilly mit einem Blick auf einen Ochsenkarren, auf dessen Ladefläche ein Dutzend Hühner in hölzernen Käfigen einer fragwürdigen Zukunft entgegensahen. Das zumindest hatten sie mit uns gemein. Andere führten Pferde, Kühe, Schweine und jede andere Art von landwirtschaftlichen Tieren an Stricken mit sich. Aber auch Kartoffeln, Rüben und sonstiges Gemüse war auf dem Weg in die Stadt. Ich ignorierte geflissentlich die erstaunten Mienen der Händler, die uns ansahen, als wären wir gerade aus dem Land der Durchgeknallten eingereist und konzentrierte mich statt dessen lieber auf unser Ziel. Inzwischen konnte ich Einzelheiten der Stadtmauer mit ihren Zinnen ausmachen. Die Burg selbst thronte wie ein steinernes Ungeheuer über der Stadt.

Finster und uneinnehmbar.

Aber auch das Betreten der Stadt bedeutete, zunächst an den Wachen vorbeizukommen. Zwei besonders finstere Exemplare standen am Südtor von Schrottingham beidseitig einer massiven, hölzernen Schranke Wache und kontrollierten jeden Ankömmling je nach Erscheinungsbild mehr oder weniger gründlich. Dabei schien die Geschwindigkeit, mit der die Ankömmlinge durch gewunken wurden, im proportionalen Verhältnis zu den Zuwendungen zu stehen, die die Besucher den Wachen zukommen ließen. Mein Blick wanderte zu einer hölzernen Stange, an der zwei Pferde angebunden waren. Ich vermutete, daß sie zu den Wachen gehörten und machte mir in Gedanken eine Notiz, daß wir dies bei eventuellen Flucht mit ins Kalkül ziehen mußten. Vor einer berittenen Wache zu fliehen, dürfte schwer werden. Einstweilen waren wir jedoch erst einmal auf dem Weg in die Stadt, und dieser endete fürs erste an der Hinterseite einer gut gemästeten Kuh, deren Eigentümer geduldig am Ende der Schlange anstand.

Steak, lecker“, bekundete Gorgus bei Anblick des schwarzweißen Hinterteils. Das hungrige Grollen seines Magens erinnerte an die Vorboten eines schweren Gewitters und schien der Kuh aufs Gemüt zu schlagen, was sich wiederum unvorteilhaft auf ihre Verdauung auswirkte.

„Ich sterbe“, stöhnte Mikesch.

Auch Hilly sah ein wenig grün um die Nase aus und paßte damit gut zu meinem Turban. Ich selbst war schlimmere Gerüche aus Mollas Küche gewohnt, so daß ich genauso standhaft blieb wie Gorgus, dessen Kopf sich in einer höheren Region befand, wo die Luft vermutlich besser war. Zum Glück rückte die Kolonne nun zügig weiter vor, so daß wir schneller als mir lieb war plötzlich vor der hölzernen Schranke standen.

„Euer Begehr?“, raunzte die linksseitige Wache lustlos, wobei sie sich gelangweilt mit der linken Hand auf ihren Speer stützte. Die rechte Hand lag lässig auf dem Knauf eines betagten Schwertes, das in einer Lederschlaufe an ihrer Seite hing. Die andere Wache kratzte sich indes gähnend den Rücken. Motivation am Arbeitsplatz sah definitiv anders aus. Dafür wieherten die Pferde der Wachen entsetzt auf, als sie uns erspähten. Ob es nun an der Farbe meines Turbans oder an dem Blick des Trolls lag, mit dem dieser die Pferde betrachtete, vermochte ich nicht zu beurteilen.

Nahrung für eine Woche“, verkündete er glücklich, worauf die Wachen ein wenig blaß um die Nase wurden und den Speer fester umfaßten, da sie befürchteten, der Unhold könnte sie gemeint haben.

„Wir sind gekommen, um die Bewohner von Schrottingham mit unser Darbietung zu unterhalten“, ergriff ich die Initiative, um zu verhindern, daß die Angelegenheit schon am Stadttor im Chaos endete. Die Augenbrauen der Wache krochen bei meinen Worten wie zwei borstige Raupen nach oben. Offenbar konnte sie mit dieser Erklärung nichts anfangen.

„DSDS für Arme“, half Mikesch aus, worauf den Wachen die Speere vor Schreck aus der Hand fielen.

Es spricht“, steuerte die rechtsseitige Wache einen wenig geistreichen, dafür aber zutreffenden Kommentar bei.

„Bist ‘n Blitzmerker“, stellte Mikesch fest, indes die Wachen sich beeilten, ihre Waffen wieder aufzuklauben.

„Wir sind Gaukler auf der Durchreise. Das sprechende Tier gehört zu unserem Repertoire. Ist alles nur Trick“, flötete Hilly, worauf sich die Wachen merklich entspannten. „Ich bin sicher, euch würde unsere Darbietung gefallen“, säuselte sie, wobei sie sich aufreizend über die Hüften strich. Beinahe wären die Speere ein zweites Mal auf dem harten Kopfsteinpflaster gelandet, was ihren Besitzern vermutlich endgültig einen Rüffel für unsachgemäßes Handhaben von Dienstinventar eingebracht hätte. Dann aber ging ein Ruck durch sie hindurch, als wäre ihnen plötzlich wieder eingefallen, was sie an diesem Tor zu suchen hatten.

„Nun, das klingt ja ganz nett, meine Süße, aber was springt für uns dabei heraus, wenn wir euch durchwinken?“, fragte die linksseitige Wache, indes ihr Kollege mit dem Speer auf den erstaunlich angewachsenen Haufen von wohltätigen Gaben wies, der an der bemoosten Stadtmauer in der Sonne glänzte.

„Ihr behaltet eure Zähne“, bot Mikesch an, unterstützt von Gorgus mit einem markigen:

Hö, hö, hö.

„Ich hab‘ kaum noch welche“, merkte die rechte Wache mit gerunzelter Stirn an, was darauf deuten ließ, daß sie Schwierigkeiten hatte, das Vorteilhafte dieses Angebots zu erfassen.

„Nun, das läßt sich ändern“, murmelte ich und breitete meine Arme theatralisch aus.

 

Mit Genugtuung realisierte ich, daß die Menge der hinter uns Anstehenden vorsorglich ein wenig zurückwich. Während unseres Marsches hatte ich – sehr zum Leidwesen von Mikesch – intensiv den Verwandlungszauber geübt und war überzeugt davon, nun die Grundlagen zu beherrschen. Jedenfalls, wenn es um eine solche Kleinigkeit ging, wie diese.

Splendaxmitantikariusschutzundfolsäuredamitsiemorgenauchnochkraftvollzubeißenkönnen“, murmelte ich und konzentrierte mich auf die nahezu zahnlose Wache, die mich sprachlos anstarrte. Dann ließ ich die Magie frei, die in einem Funkenregen von meinen Händen geradewegs in den Mund der verblüfften Wache fuhr. Als sich der Funkenstaub verzog, ging ein erschrockenes Raunen durch die Menge, als das Ergebnis sichtbar wurde. Zwei mächtige Hauer, die einem Eber zu Ehre gereicht hätten, ragten nun aus dem Unterkiefer der unglückseligen Wache. Offenbar konnte ich doch noch ein wenig Übung vertragen.

„Kräftig zubeißen kann er jedenfalls“, miaute der Kater vergnügt, der sich vor Lachen auf dem Boden kugelte.

„Mach dasch rückgänisch“, nuschelte mein Opfer entsetzt.

Gerne“, brummte Gorgus erfreut, den ich gerade noch davon abhalten konnte, der Wache mit einem freundlichen Faustschlag behilflich zu sein. Während Gorgus enttäuscht schmollte, richtete die andere Wache indes vorsorglich ihren Speer auf den Kollegen. Immerhin ähnelte dieser nun frappant den Ungetümen aus dem fernen Gruselbergen. Da war Vorsicht angesagt. Anscheinend war das der Menge der inzwischen nicht mehr ganz so geduldig Anstehenden auch schon aufgefallen. Während sich ein einige vor Lachen den Bauch hielten, waren andere ernsthaft erbost.

„Jetzt ist die Milch sauer geworden!“

„Mein Pferd ist in Ohnmacht gefallen.“

„Frieda, reich mir mal das Schlachtermesser?“

„Tu was, sonst knüpfen die uns hier noch auf“, raunte Hilly vorwurfsvoll. Ich nickte bedrückt. Glücklicherweise lösten sich in diesem Moment die Hauer der Wache wie Frühnebel im Sonnenschein wieder auf. An der Nachhaltigkeit meiner Verwandlungskünste mußte ich wirklich noch arbeiten. Aber anstatt dies zu beklagen, nutzte ich die Gunst der Stunde und verneigte mich vor der erbosten Menge wie ein Schauspieler am Ende seiner Vorführung.

„Ich hoffe, die kleine Kostprobe hat Euch gefallen“, sagte ich mit volltönender Stimme, indes die Wache vorsichtig ihr Gesicht betastete. Ich vermutete, daß ein paar der Bauern uns gerne ebenfalls eine Probe ihrer Begeisterung hätten zuteil werden lassen. Lediglich der zwischen uns wie ein Berg aufragende Troll dämpfte ihren Enthusiasmus. Ein Quietschen hinter mir verkündete, daß die Schranke für uns endlich geöffnet wurde. Anscheinend hatte die Wache entschieden, daß es ihrer Gesundheit abträglich sein könnte, die Frage des Zutritts zur Stadt mit uns weiter zu diskutieren. Stolz wie ein Admiral nach geschlagener Schlacht schritt ich an der Spitze unserer bunten Truppe durch das fünf Schritt tiefe Stadttor, gefolgt von dem Kater, Hilly und Gorgus als Schlußlicht. „Brav“, dröhnte der Troll, wobei er im Vorbeigehen der ohnehin schon leicht angeschlagenen, zahnlosen Wache freundschaftlich den Kopf tätschelte. Wenn sie noch über eine stattliche Anzahl von Zähnen verfügt hätte, wären sie ihr spätestens jetzt größtenteils abhanden gekommen.

Wird fortgesetzt .....

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.11.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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