Joana Angelides

Alte Puppe im neuen Kleid

Alte Puppe im neuen Kleid

 

Doreen hatte schon länger vor, ihr altes Kinderzimmer im Hause der Eltern zu durchforsten und alles, was nun nicht mehr gebraucht wurde, wegzuwerfen, oder zu verschenken.

Vater wollte sich schon lange einen kleinen Bastelraum da einrichten und nun, da er in Pension ging, wurde die Sache dringend.

 

Zugegebener Maßen hing sie doch sehr an ihrem ehemaligen Kinderzimmer, obwohl sie es ja schon lange nicht mehr benutzte. Sie hatte ihr eigenes Haus in der Nähe ihrer Eltern mit einem wunderschönen Garten und die Kinder hatten nun auch ihr eigenes Kinderzimmer.

 

Mit einem großen Pappkarton und dem eisernen Willen nun die Sache wirklich anzugehen, fuhr sie vor dem Haus der Eltern vor.

 

Sie betrat das Zimmer mit einem Anflug von Nostalgie. Hatte sie doch hier ihr eigenes Refugium, träumte hier ihre Jungmädchenträume und weinte auch so manche Enttäuschung in die Kissen.

 

Als erstes musste einmal dieser Kasten mit all den alten Spielsachen ausgeräumt werden.

Sie öffnete die Türen, begann im obersten Fach und arbeite sich langsam nach unten.

 

Da lagen sie, die kleinen und großen Bären, die sie einst gesammelt hatte. Einige hatten nur mehr ein Auge und bei Florian, dem Bären mit der Lederhose, fehlte sogar ein Bein. Sie wusste gar nicht mehr, wann er es verlor. Sie trennte nun die Bären die noch intakt waren, von den anderen und legte sie in den vorbereiteten Karton. Die mit Defekten legte sie auf die Seite.       

Oh, da war ja der große Nussknacker, den ihr einmal Onkel Edi in der Vorweihnachtszeit mitbrachte und sie sich beim ersten Mal Nüsse knacken gleich in den Finger gezwickt hatte. Heulend lief sie damals zur Mutter, die den Nussknacker dann gleich in Verwahrung nahm.

Ein Stück nach dem anderen landete nun in dem Karton oder daneben, je nach Zustand und Aussehen.

Der kleine Husar fehlte gar nichts, er war noch genau so schön, wie ehedem. Sie glaubte sogar, wenn sie ihn genau ansah, dass er ihr zuzwinkerte. Sie musste unwillkürlich lächeln. Er sah ihrer ersten Liebe aus der Parallelklasse ähnlich und durfte damals ab sofort auf ihrem Nachtkästchen stehen. Sie war immer überzeugt, dass er wusste wieso! Er landete im Karton für weitere Verwendung.

 

Die kleine Schmuckkassette mit der Tänzerin oben drauf stand ganz rückwärts in der Ecke, dort wo auch der schmucke Husar stand. Eigentlich sollte sie sich bei Musik drehen, wenn man den Deckel aufmachte. Aber der Schlüssel, mit dem man das Spielwerk aufzog, ging verloren und so verlor sie auch das Interesse an diesem Spielzeug. Sie legte die Kassette zu den defekten Sachen, die entsorgt werden sollten.

Doch, was war das? Im Karton gab es ein polterndes Geräusch. Der kleine Husar hatte sich scheinbar aufgerichtet und lugte nun aus dem Karton heraus auf die kleine Tänzerin in der Kassette. Rann ihm nicht auch eine kleine Träne übers Gesicht?

                    

Doreen schüttelte den Kopf und lächelte über ihre Fantasie. Sollte sie nun, als erwachsene Frau sentimental werden? Papperlapapp......

 

Sie legte den kleinen Husaren wieder auf seinen Platz im Karton und wandte sich dem anderen Spielzeug zu.

 

 

Oh, da war noch die alte Porzellanpuppe, mit den sich schließenden Glubschaugen und den Echthaarzöpfen. Sie betrachtete sie genauer. Eigentlich hatten ihre blauen Glasaugen jeglichen Glanz verloren. Woran lag das wohl? Vielleicht waren sie auch im Laufe der Zeit schmutzig geworden. Sie befeuchtete ihren Zeigefinger und wischte über die Augen. Na, also sie glänzten ja wieder. Doch als die Augen wieder trocken waren, war der Glanz wieder weg. Sie blickte eigentlich traurig vor sich hin. An sich hatte sie allen Grund, denn das Kleid, das sie anhatte war schon sehr abgetragen und fleckig, der Kragen abgerissen und vorne am Kleid fehlten drei Knöpfe. Und außerdem fehlte ihr ein Schuh!

Sie erinnerte sich, dass sie mit dieser Puppe seit ihrer frühesten Kindheit nicht mehr gespielt hatte. Früher nähte ihre Mutter jedes Jahr ein neues Kleid und die Puppe lag, zu ihrer hellen Freude immer wieder neu eingekleidet unter dem Weihnachtsbaum. Doch irgendwann gab es dann Puppen mit Plastik-Gesichtern, die auch sprechen konnten oder Barbie-Puppen, wie sie alle Mädchen hatten, die etwas auf sich hielten und die gute alte Gliederpuppe mit den wunderschönen Glasaugen und Echthaarzöpfen wurde unmodern und landete im Kasten irgendwo, ganz hinten.

 

Sie hielt die Puppe noch immer in Händen während ihr all diese Gedanken durch den Kopf gingen. Sie hatte direkt ein schlechtes Gewissen.

 

Was wäre wenn.......

Sie legte die Puppe auf ihr altes Bett und nahm sich vor, nachzudenken was sie wohl mit der Puppe machen könnte. Es widerstrebte ihr, sie wegzuwerfen. Aber sie wollte sie auch nicht an fremde Menschen verschenken, die sie vielleicht dann doch wegwarfen, weil sie eben nicht der derzeitigen Mode entsprach.

 

Und wieder gab es ein Geräusch um Karton und seltsamer Weise stand der kleine Husar schon wieder aufrecht und blickte vom Kartonrand hinunter zur Tänzerin. Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu!

Sie hob die Kassette wieder auf und betrachtete sie aufmerksam. Es war eine sehr schöne Handarbeit mit Einlegearbeit an den Seiten und die Tänzerin war aus Porzellan.

Sie beschloss, das kleine Kunstwerk doch zu behalten und legte es neben die alte Puppe.

 

Es dämmerte schon, als sie beschloss, für diesen Tag ihre Arbeit zu beenden und in den nächsten Tagen weiter zu machen.

 

Es waren nur mehr zwei Tage bis Weihnachten und das Haus strahlte im weihnachtlichen Glanz. Es fehlten nur mehr der Weihnachtsbaum und der Mistelzweig über dem Eingang zum Wohnzimmer.

Seit einigen Tagen war Doreen damit beschäftigt, für die alte Puppe, die sie aus dem Elternhaus mitgebracht hatte, ein neues Kleid zu nähen und auch die Frisur in Ordnung zu bringen. Sie flocht die Haare neu zu einem dicken Zopf, es sah sehr elegant und wunderschön aus. Sie hatte in einem kleinen Geschäft in der Innenstadt sogar neue Schuhe für die Puppe gefunden. Sie zupfte noch einmal an den gebauschten dunkelroten Samtärmel der Puppe herum und betrachtete sie liebevoll. Sie hatte ihr auch neue Unterwäsche genäht und die Spitze blitzte unten am Rock hervor.

Hoffentlich wird sie Barbara auch gefallen, sie hatte noch nie eine solche Puppe besessen.

 

Die Kassette mit der Tänzerin stand auf der Kommode in ihrem Schlafzimmer und der schicke kleine Husar stand daneben. Sie erweckten unerklärlicher Weise den Eindruck, dass sie zusammengehörten. Immer, wenn sie die beiden anschaute, musste sie lächeln. Sie musste über sich selbst lächeln, dass sie sich eine so romantische Ader erhalten hatte, all die Jahre hindurch.

 

Der Weihnachtstag war von Nervosität geprägt. Barbara schlich den ganzen Tag um die geschlossene Wohnzimmertüre herum und horchte auf jedes Geräusch das zu hören war. Paul saß betont gelangweilt in seinem Arbeitszimmer und las die Zeitung und versuchte seine Geschenke wie von ungefähr vor ihr zu verbergen und Doreen selbst kämpfte in der Küche mit der Zubereitung für das Abendmenü.

 

Irgendwie kam der lang ersehnte Abend dann doch, alle waren endlich dem Anlass entsprechend umgezogen. Die Großeltern kamen endlich an und Barbara stand erwartungsvoll und von einem Fuß auf den anderen steigend, vor der Wohnzimmertüre. Für ihre fünf Jahre war sie ein sehr aufgewecktes liebes Ding, das nur einen Fehler hatte, sie hatte keine Geduld. Noch dazu wo sie durch die Türe Geräusche hörte, Papier raschelte und sogar leise Glöckchen zu hören waren.

 

Als die Türe endlich aufging, der wundervoll geschmückte Baum in hellem Licht erstrahlte und das unvermeidliche „Stille Nacht, Heilige Nacht“ ertönte, war sie nicht mehr zu halten. Sie stürmte hinein und blieb mit einem lauten „Oh“ verzückt vor dem strahlenden Baum stehen. Ihre großen Augen strahlten und der kleine Mund blieb offenstehen.

 

Dann ging sie langsam Schritt für Schritt weiter, bis sie sich plötzlich besann und sofort von allen Geschenken Besitz ergriff. Sie riss ungeduldig die Verpackungen auf und besah sich die Inhalte. Bis sie plötzlich die Puppe sah. Sie lehnte an einem der großen Pakete und sah wie immer traurig in den Raum. Doreen dachte insgeheim, dass es eigentlich undankbar von ihr war, wo sie doch neue Kleider bekommen hat, eine neue Friseur und neue Schuhe.

 

Barbara ging auf die Puppe zu, blickte sie forschend an und dann hob sie sie auf. Sie hielt sie vor sich her, hob ihren weiten Rock und betrachtete die Spitzenunterwäsche genau, dann legte sie die Puppe in ihren Arm, bemerkte, dass sich die Augen je nach Lage der Puppe öffneten oder schlossen und ganz impulsiv küsste sie sie.

                                       

„Mama, schau, sie kann die Augen auf und zu machen! Und sie ist wunderschön. Noch nie sah ich so eine wunderschöne Puppe! Wie soll ich sie den nennen, sie braucht doch einen Namen?“

 

Doreen war richtig erschrocken. Ja, wie nannte sie sie denn, damals als es noch ihre Puppe war?

 

„Ich finde, Isabella, ja Isabella ist ein schöner Name, oder was meinst du?“ Ja, genauso hatte sie sie damals genannt.

 

„Ja, Mama, ich werde sie Isabella nennen!“ Barbara war begeistert. Anscheinend hatte sie all die anderen Spielsachen vergessen, denn sie hielt die für sie neue Puppe den ganzen Abend im Arm, ja sie nahm sie sogar mit in ihr Bettchen, bis sie endlich ganz müde und erschöpft einschlief.

 

„Na, Isabella, glücklich?“

Als Doreen die beiden zudeckte, machte die Puppe, obwohl sie lag, die Augen auf und Doreen hatte den Eindruck, dass sie sie anlächelte.

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.11.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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