Cristine Keidel

Aus dem Leben einer Zylinderzicke

Hilfe, mein Mann will reiten lernen! Neulich beschwerte sich mein Mann darüber, dass wir zu wenig Zeit miteinander verbrächten. Die knappe Freizeit, die wir hätten, würde ich meistenteils im Stall verbringen. Also schlug ich vor, er könne es ja auch mal mit Reiten versuchen und stellte mir vor, wie wir sonntagsmorgens bei schönem Wetter durchs Gelände streifen. Ein Wort ergab das nächste und am Ende erhielt ich den Auftrag, nach einem passenden Pferd zu suchen – leihweise, natürlich.

Damit die Aktion eine Chance auf Erfolg hat wollte ich ein braves Pferd, das straßensicher und Kummer gewöhnt ist, mit möglichst sitzbequemen Gängen. Am liebsten ein Therapiepferd oder den Gruselparcoursieger (Plane, Flatterband und platzende Luftballons) vom letzten Sommerturnier. Also holte ich tief Luft und ging rüber zur Blondie-, Schecken- und Puschelszene. Zuerst wurde ich misstrauisch beäugt (was will DIE denn hier?), doch als ich mein Anliegen vortrug entspannten sich die Gesichter: Beim Thema Männer waren wir uns alle einig und ich bekam einen Puschelschecken fürs nächste Wochenende zur Verfügung gestellt.

Mein Mann war begeistert von dem bunten „Indianerpferd“ und während ich noch überlegte, ob es tatsächlich mal Indianer in Irland gegeben hat, führte er den Tinker zum Reitplatz. Mit Todesverachtung im Blick ignorierte er die Aufstiegshilfe, die ich ihm zeigte und schwang sich mit einer Behändigkeit, die ich ihm in seinem Alter gar nicht mehr zugetraut hätte, in den Sattel. Ich suchte inzwischen in meinem umfangreichen Wissensschatz fieberhaft nach dem richtigen Einstieg in die Reitlehre: Die Skala der Ausbildung? Der korrekte Sitz des Reiters? Oder doch lieber die ergonomische Notwendigkeit der Dehnungshaltung? Aber meinen Mann interessierten lediglich drei Dinge: Gas, Bremse, Lenken.

Er bohrte dem armen Pferd die Fersen in den Bauch und schnalzte mit der Zunge, wie er es in unzähligen Westernfilmen gesehen hatte und der Tinker setzte sich tatsächlich in Bewegung. Das schlaue Tier hatte schon längst herausgefunden, dass die Dehnungshaltung am bequemsten ist und stellte von selbst eine Anlehnung her. Gar nicht mal so schlecht dachte ich bei mir und bewunderte voller Neid, wie mein Mann in seiner reiterlichen Unbedarftheit ganz von selbst einen korrekten Sitz einnahm. Er saß aufrecht, weil er sich weder für die Mähne noch für das Ohrenspiel seines reitbaren Untersatzes interessierte sondern wie beim Autofahren einfach nach vorne schaute. Die Beine hingen locker herunter und weil ich ihm die Bügel in der richtigen Länge verschnallt hatte, waren die Knie korrekt gewinkelt und sogar die Absätze hingen leicht herunter.

achdem sich die beiden ein wenig angefreundet hatten, ließ ich den Tinker antraben. Der Gang des Schecken war flach und die Speckschicht zwischen Wirbelsäule und Sattel ließ meinen Mann butterweich sitzen. Mit Leichttraben musste er sich gar nicht erst abmühen. Beim Angaloppieren drohte mein Mann für einen kurzen Moment das Gleichgewicht zu verlieren, aber der Tinker verzieh großzügig alle Fehler und mit dem Tipp, sich in die Bügel zu stellen und am Hals abzustützen klappte auch das wunderbar. Durchparieren war kinderleicht, auf das Wort „brav“ schaltete das Puscheltier mindestens einen Gang runter. „Das ist ja viel einfacher, als ich dachte“ verkündete mein Göttergatte freudestrahlend. So vorbereitet, trauten wir uns ins Gelände und hatten einen wunderschönen Ausritt. Mein Mann entwickelte tatsächlich Spaß am Reiten und wir ritten regelmäßig die nächsten Wochenenden aus.

Doch eines Tages nahm meine Freude über seine neue Leidenschaft ein jähes Ende: Als ich, wie immer, beim Abendessen über die heutige Problematik im Viereck reflektierte, fing er an, mir Tipps zu geben! Wie unverschämt ist das denn! Und dann bot er auch noch seine Hilfe an: er könne sich gerne selbst mal auf MEIN Pferd setzen! Ist der jetzt größenwahnsinnig geworden?! Doch plötzlich wich mein Ärger einem boshaften Grinsen.

Am nächsten Sonntag führte er selbstbewusst meinen Viereckakrobaten in die Halle. Der Aufstieg gelang diesmal nicht ganz so behände, da der Wallach zwei handbreit höher ist als der Tinker. Den Plumps in den Sattel quittierte das Sensibelchen mit einem kleinen Hüpfer zur Seite. Mein Mann, leicht verrutscht, sortierte sich neu im Sattel und gab seine „Hilfe“ zum Anreiten. Derart grobe Behandlung nicht gewöhnt, riss mein Wallach den Kopf hoch und rannte im Stechtrab davon. Mein Mann, von den schwunghaften Auf- und Abbewegungen des Donnerhall-Sohns völlig aus dem Gleichgewicht gebracht, hüpfte hilflos im Sattel herum und hielt sich krampfhaft an den Zügeln fest. Das mochte der Wallach noch weniger. Er verfiel in einen leichten Galopp. Mein Mann umklammerte inzwischen mit beiden Armen den Hals des Pferdes und drohte seitlich herunterzurutschen. Ein einziger kleiner Bocksprung beendete das Szenario jäh. Der Göttergatte landete weich im Sand und der Wallach stand da, als könne er kein Wässerchen trüben. Mein Mann stand auf, klopfte sich den Schmutz von der Hose und verließ wortlos die Reithalle.

Seitdem verbringt er die Zeit, die ich beim Pferd bin, im Fitnessstudio und ich muss sagen, dass bekommt unserer Beziehung deutlich besser.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.12.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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