Paul Theobald

Man trifft sich immer zweimal im Leben

„Man trifft sich immer zweimal im Leben“ ist eine alte deutsche Redensart. Aber manchmal trifft es auch tatsächlich zu, wie diese Kurzgeschichte zeigt.
Oswald Buchmann, der schon vor einigen Jahren verstorben ist, war von Beruf Metzgermeister. Als er in der Stadt Frankenthal (Pfalz) wohnte und die Metzgerei des Konsumgeschäftes in der Speyerer Straße führte, war er zu seinen Kunden sehr höflich und zuvorkommend und bediente sie aufmerksam. Er wusste, was die Stammkunden wünschten und so legte er die Ware, die sie kauften, immer zurück, wenn diese noch nicht erschienen waren. Sie kamen dann eben nicht am Freitagnachmittag, sondern tätigten ihre Einkäufe erst am Samstagmorgen.
Oswald Buchmann stammte aus einem Dorf bei Lodz in Polen. Die Stadt Lodz hieß von 1940 bis 1945 durch die deutsche Besatzung Litzmannstadt, und zwar benannt nach Karl Litzmann, der ein preußischer Offizier und General im Ersten Weltkrieg, ein erklärter Gegner der Weimarer Republik und ein treuer Gefolgsmann Hitlers, der 1929 in die NSDAP eingetreten und Abgeordneter des preußischen Landtages und Reichstages war.
Oswald Buchmann war deutscher Abstammung, hatte in Polen geheiratet und nach der Ablegung der Meisterprüfung als Metzger eine Metzgerei übernommen. Er wurde Vater von zwei Kindern. Er erzählte seinen Freunden und Bekannten in Frankenthal, dass früher die Schweine dadurch geschlachtet wurden, dass man ihren Kopf (Stirn) mit einem Beil in der Mitte spaltete. So habe auch er einmal ein Schwein geschlachtet, doch die Mitte des Kopfes nicht richtig getroffen. „Die Sau ist dann wild geworden, riss sich los und ist mit mir, ich auf deren Rücken liegend, durch den Ort gerannt, bis sie zusammenbrach“ berichtete er.
Als der Krieg 1939 mit Deutschland drohte, wurde er einen Monat vor Kriegsbeginn in die polnische Armee einberufen. Als dann Polen durch die deutschen Truppen besetzt war, wurde er Soldat bei der deutschen Wehrmacht. Er musste Abschied von seiner Ehefrau und den beiden Kindern nehmen und nahm als Frontsoldat am Zweiten Weltkrieg teil. Er war in die schweren Kämpfe mit der sowjetischen Armee verwickelt und bei einem Gefecht wurde seine Einheit aufgerieben und die meisten Soldaten kamen ums Leben. Oswald Buchmann kam in sowjetische Gefangenschaft, aber niemand hatte davon Notiz genommen. Die wenigen Soldaten, die aus seiner Einheit zurück kamen, meinten, Oswald Buchmann sei bei den Gefechten gefallen und seine Leiche nicht gefunden worden, so dass er als vermisst galt. Seine Ehefrau flüchtete, als Polen von den sowjetischen Soldaten besetzt wurde, mit den beiden Kindern nach Bayern. Sie erkundigte sich nach dem Verbleib ihres Ehemannes und bekam die Antwort: „Ihr Ehemann wird vermisst.“ Auch ein Soldat aus der Einheit des Gatten berichtete ihr dieses.
Die Ehefrau war sehr hübsch, und der reichste Bauer des Dorfes machte ihr den Hof. Sie hatte zwei Kinder und musste sehen, wie sie in der schlechten Zeit, in der es nicht viel zu essen gab, durchkommt und so entschloss sie sich eines Tages, den vermissten Ehemann für tot erklären zu lassen und wieder zu heiraten. So geschah es dann auch. Doch als die Sowjetunion die gefangenen deutschen Soldaten freigelassen hat und nach Deutschland ausreisen ließ, kam auch Oswald Buchmann zurück. Er machte sich auf die Suche nach seiner Ehefrau und den beiden Kindern und war sehr erfreut, als er erfuhr, dass sie in einem Dorf in Bayern leben. Sofort machte er sich auf den Weg, um dorthin zu kommen. Doch was für ein Schlag für ihn, als nicht sein Name, sondern ein anderer am Hauseingang angebracht war. Auch die wieder vermählte Ehefrau fiel aus allen Wolken und meinte, man solle versuchen, gemeinsam, also zu Dritt und die beiden Kinder, zusammen zu leben. Ein paar Monate blieb Oswald Buchmann bei seiner früheren oder Noch-Ehefrau, denn geschieden war er ja nicht und die Toterklärung traf nicht zu. Doch er hielt es dort nur ein paar Monate aus und machte sich dann auf den Weg, um eine andere Bleibe zu finden. Er kam, nachdem er zuvor an anderen Orten gelebt hatte, in die Stadt Frankenthal (Pfalz).
Hier lernte er eine wesentlich jüngere Frau kennen. Mit stolzer Brust stellte er diese seinen Bekannten und Freunden vor und eines Tages, als alles mit seiner ersten Ehe in Ordnung gebracht war, wurde geheiratet. Oswald Buchmann erzählte, wie glücklich er nun wieder sei. Aber eines Tages kam das Glück abhanden. Die Ehefrau hatte einen Mann kennengelernt, der in ihrem Alter war und sich in diesen verliebt. So stand Oswald Buchmann eines Tages vor dem Scheidungsrichter, der die geschlossene Ehe aufhob.
Er blieb nun allein und ging in seinem Beruf auf. Nun erzählte er, dass die Frau aus erster Ehe die charakterlich bessere und hübschere gewesen sei, und er leider eine solche als zweite Ehefrau nicht gefunden habe.
Als er älter geworden war, bewarb er sich um einen Platz im Städtischen Altersheim in Frankenthal, das sich damals in der Johannes-Mehring-Straße befand, und bekam ein Zimmer im ersten Obergeschoss. Besuch von seinen beiden Kindern aus erster Ehe erhielt Oswald Buchmann nicht. Er dachte oft an sie und hoffte jedes Jahr in der Weihnachtszeit, dass sie ihn besuchen werden. Aber das war nicht der Fall.
Aber was für eine Überraschung: Eines Tages wurde seine zweite, von ihm geschiedene Ehefrau bei der Stadtverwaltung Frankenthal (Pfalz) als Altenpflegerin eingestellt und hatte ihren Dienst auf der Station zu verrichten, auf der Oswald Buchmann untergebracht war. Nun verstand er sich mit ihr wieder hervorragend und sie erzählte ihm, dass sie in ihrer jetzigen Ehe nicht glücklich sei und doch besser bei ihm geblieben wäre.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.01.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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